Wider Geschichtsfälschung im Parlament

Kurzintervention von Wolfgang Gehrcke in der Plenarsitzung am 19. Juni 2015
19.06.2015
Printer Friendly, PDF & Email

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Herzlichen Dank, Herr Präsident. ‑ Herr Kiesewetter, ich möchte zwei Aussagen von Ihnen nicht unwidersprochen hier stehenlassen. Ich glaube auch, dass Sie selber Ihre Aussagen nicht zu Ende gedacht haben.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Na, na!)

- Ja, ich glaube es. Das muss ja nicht so sein.

Die Aussage, dass der Erste Weltkrieg seinen Ausgangspunkt auf dem Balkan gehabt hat, ist derartig skandalös, weil sie die militante, aggressive Politik des Deutschen Kaiserreiches ausblendet.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die deutsche Großmachtpolitik, Flottenaufrüstungsprogramme und die Unterdrückung der inneren Opposition in Deutschland sind die Ausgangspunkte. 1933 hatte auch seinen Ausgangspunkt in 1914, letztendlich auch der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

Wer Geschichte so umfälscht, wie es gerade passt, tut sich selbst und unserem Land überhaupt keinen Gefallen. Anzuerkennen, dass der deutsche Militarismus für den Ersten Weltkrieg verantwortlich ist, ist das Mindeste, was gemeinsame Einstellung hier im Hause sein muss.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Dr. Rolf Mützenich (SPD))

- Es war das Argument eines Teiles der Sozialdemokratie, dass der Erste Weltkrieg geführt worden ist, um den russischen Zaren zu stürzen. Dieses Argument ist zigfach widerlegt worden, lieber Kollege Mützenich. Lesen Sie einmal die Protokolle der Zimmerwalder Konferenz nach. Das lohnt sich heute. Das waren noch Sozialdemokraten und nicht Angepasste.

Das zweite Argument ‑ ich bitte Sie, ernsthaft darüber nachzudenken ‑ ist: Wollen Sie wirklich ein Parlament, was Opposition nicht mehr will?

(Florian Hahn (CDU/CSU): Wir wollen ein gescheites Parlament!)

Soll die große Übereinstimmung im Parlament, die Sie ausgerufen haben, die Regel werden? Wer den Widerspruch nicht will, der will keine Demokratie. Das ist das Entscheidende. Widerspruch hat etwas mit Demokratie zu tun. Das verfechte ich.

(Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Halten Sie diese Rede mal in Russland!)

Die vielen Menschen in unserem Land ‑ mittlerweile ist es die Mehrheit -, die keine deutschen Militäreinsätze wollen, müssen im Parlament eine Vertretung haben, damit Demokratie in diesem Land eine Chance hat.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Die halten Sie im Zweifel nur einmal!)

Denken Sie bitte einmal über die beiden Aussagen nach.

(Beifall bei der LINKEN)