Für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts – Beitrag zur Debatte in der LINKEN

Beschluss des Bundesausschusses vom 21./22. November 2015
26.11.2015
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• Für eine friedliche Lösung des israelisch palästinensischen Konfliktes.

• Für die Zweistaaten-Lösung Israel, Palästina, die friedlich und in gesicherten Grenzen Seit an Seit existieren.

• Für die Anerkennung des Staates Palästina durch die Bundesregierung.

• Gegen Antisemitismus weltweit, Auseinandersetzung und Zurückweisung jeder Form des Antisemitismus.

 

Der Nahe Osten von Tunesien bis zum Irak ist eine Zone der Instabilität. Er wird von Krisen und im Falle Syriens, Libyens und des Iraks von Bürgerkriegen erschüttert. Länder wie Libanon und Jordanien sind auch durch die Konflikte um sie herum instabil. Seit vielen Jahrzehnten stagniert die Region des Nahen Ostens. Aufgrund des Fehlens demokratischer Rechte und Partizipation sowie der mangelnden sozialen und ökonomischen Inklusion der Mehrheit der Menschen haben sich enorme Spannungen aufgebaut. Es kam zu Massenprotesten und Revolutionen, die aber schnell von islamistischen Kräften – insbesondere durch die Moslembrüder, die der Westen als Garanten für Stabilität und die Umsetzung seiner neoliberalen Pläne entdeckt hat, - gekapert wurden. Darüber hinaus konnten sich insbesondere radikale Islamisten wie der so genannte Islamische Staat (IS) und al-Qaida-Organisationen hegemonial in der Region ausbreiten. Der Westen hat dies billigend in Kauf genommen.

Die Krise im Nahen Osten ist nicht die Ursache für den israelisch-palästinensischen Konflikt, aber das Fehlen einer Lösung dieses Konfliktes verschärft die Krise im Nahen Osten genau wie den Nahost-Konflikt selbst. Schon sind die ersten IS-Zellen in Palästina aufgetaucht, mit ihnen droht eine Brutalisierung der Auseinandersetzung. Für die Instabilität im Nahen Osten spielen neben den regionalen Konflikten (insbesondere die Rivalität zwischen Iran und SaudiArabien) vor allem die Interessen der westlichen Staaten eine maßgebliche Rolle. Die Region ist sowohl geostrategisch als auch wegen ihrer Energieressourcen für den Westen von vitalem Interesse.

Die Politik der Bundesregierung im Nahen Osten

Vor diesem Hintergrund hat sich auch die Bundesregierung mit ihrer Nahost-Politik nicht mit Ruhm bekleckert. Ihre Haltung im israelisch-palästinensischen Konflikt ist durch Anpassung an die Politik der jeweiligen israelischen Regierung gekennzeichnet. Zwar unterstützt die Bundesregierung die Zweistaatenlösung, aber im praktischen Handeln unterlässt sie es, den Palästinenserinnen und Palästinensern den Rücken zu stärken. So sperrt sie sich gegen die  Anerkennung des Staates Palästina bei der UNO und ist nicht bereit, der Palästinensischen Vertretung in Deutschland diplomatisch den Status einer Botschaft zu gewähren. Gerade erst sind die Palästinenserinnen und Palästinenser mit ihrer Resolution, die von Jordanien in den Weltsicherheitsrat eingebracht wurde, gescheitert. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat angekündigt, den Resolutionsentwurf, in dem völlig legitime und generell von der internationalen Gemeinschaft seit Jahrzehnten anerkannte Forderungen aufgestellt worden sind, erneut in den UN-Sicherheitsrat einbringen zu wollen. Derweil verschärft sich die Konfrontation zwischen der israelischen und der palästinensischen Regierung und wird zunehmend auf dem diplomatischen und juristischen Parkett ausgetragen – in diesem Zusammenhang steht auch der Beitritt Palästinas zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), der laut UNGeneralsekretär Ban Ki Moon im April 2015 erfolgen wird. Die israelische Regierung reagiert darauf mit dem Zurückhalten palästinensischer Steuergelder in großem Stil.

Nach wie vor ist die Zweistaatenlösung die einzig realistische, die dem Selbstbestimmungsrecht beider Völker genüge tut. Eine Trennung in zwei Staaten ist in der derzeitigen Situation unerlässlich. Auf lange Sicht kann und wäre eine Föderation zwischen Israel und Palästina für die wirtschaftliche Entwicklung beider Staaten förderlich. Aber die Zeit rennt davon. Wenn die Kolonisierung der palästinensischen Gebiete weiter fortschreitet, wird es keinen Raum mehr geben für einen lebensfähigen palästinensischen Staat. Die Rechte und extreme Rechte in Israel fordern inzwischen völlig unverblümt die Annexion der besetzten palästinensischen Gebiete. Eine solche Annexion aber würde den demokratischen Charakter des Staates Israel grundsätzlich infrage stellen. Eine jüdische Minderheit würde eine entrechtete arabische Mehrheit regieren.

Anstatt ihrer Kritik am völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungsbau Taten folgen zu lassen, liefert die Bundesregierung Waffen an Israel und stärkt damit die unnachgiebige Haltung der israelischen Regierung. DIE LINKE lehnt Rüstungsexporte grundsätzlich ab. Insbesondere im Nahen Osten haben deutsche Waffen nichts zu suchen. Anstatt eine gerechte Lösung des Nahost-Konflikts zu fördern, nimmt die Bundesregierung eine überaus einseitige Position ein. Damit tut sie letztlich auch Israel keinen Gefallen, denn nur eine Beilegung des Konflikts, die für beide Seiten annehmbar ist, kann auch für Israel Sicherheit schaffen. Das hat zuletzt der Gaza-Krieg im Sommer 2014 mit über 2000 Toten, mehr als zehntausend Verletzten sowie einer zerstörten Infrastruktur auf palästinensischer und fast 70 Toten auf israelischer Seite verdeutlicht.

Der Gaza-Krieg und seine Folgen

Der jüngste Gaza-Krieg dokumentiert, dass die Politik Netanjahus, eine Zweistaatenlösung genauso wenig zuzulassen wie eine Annexion der Westbank und des Gazastreifens, keine Sicherheit mit sich bringen kann. Seine rechtsextremen Koalitionspartner haben alles unternommen, um die Verhandlungen für eine Zweistaatenlösung zu torpedieren und den Siedlungsbau voranzutreiben.

Die Regierung Netanjahu hat selbst die Bemühungen von US-Außenminister John Kerry, ihres wichtigsten Bündnispartners, konsequent sabotiert. Netanjahu hat sich geweigert, mit der sich im Bildungsprozess befindenden palästinensischen Einheitsregierung 3 zusammenzuarbeiten. In Reaktion auf die Entführung und Ermordung von 3 israelischen Teenagern hat er eine Repressions- und Verhaftungskampagne in den besetzten palästinensischen Gebieten losgetreten, während der mehrere Palästinenserinnen und Palästinenser ums Leben gekommen sind, und mit Luftschlägen im Gazastreifen begonnen. Die Regierung Netanjahu hat den fünfwöchigen Gaza-Krieg, der die Hamas nicht geschwächt, sondern politisch vielmehr gestärkt hat, zu verantworten. Die Raketenangriffe der Hamas gegen die israelische Zivilbevölkerung sind inakzeptabel und es steht für DIE LINKE außer Frage, dass Israel ein Recht hat, sich zu verteidigen. Auch muss HAMAS im Rahmen einer Friedensregelung sich bereit erklären den Staat Israel in seinen Grenzen von 1967 anzuerkennen und muss die Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung einstellen. Dabei muss aber die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt werden. Stattdessen hat die erdrückende israelische Feuerkraft den Gazastreifen buchstäblich in einen Friedhof verwandelt und die israelische Kriegsführung verstößt offensichtlich gegen alle internationalen Standards. Unter anderem sah die ehemalige NMenschenrechtskommissarin Navi Pillay Anzeichen für durch die israelische Armee begangene Kriegsverbrechen (Die Zeit, 23. Juli 2014).

Die israelische Linke, deren Mitglieder zunehmend Verfolgungen durch das rechte Lager ausgesetzt sind, hat gegen den Krieg der Regierung Netanjahu trotz wiederholter gewaltsamer Übergriffe auf ihre Mitglieder demonstriert. In einer Zeit, in der ultranationalistische und rechtsextreme Positionen auch in der Mitte der israelischen Gesellschaft angekommen sind, ist dies sehr mutig und für uns ein Zeichen der Hoffnung. DIE LINKE bekräftigt ihre Solidarität mit den mutigen Kämpferinnen und Kämpfern der gemeinsamen Friedensbewegung in Israel und auf der Westbank. Wenn die israelische Gesellschaft und die israelische Regierung mehr als eine Feuerpause und vor allem Sicherheit gewinnen wollen, müssen sie radikal umdenken. Der erste Schritt wäre eine Neuausrichtung der Politik gegenüber Gaza und vor allem eine Aufhebung der mörderischen Blockade des Gazastreifens, die vor sieben Jahren mit Hilfe der EU verhängt wurde. Die mit Hilfe Ägyptens zustande gekommene Feuerpause zwischen Israel und der Hamas birgt Elemente einer dauerhaften Regelung in sich. Die Menschen im Gazastreifen brauchen eine Perspektive, auch damit die Radikalität zurückgeht. Diese Erkenntnis, die sich jetzt auch führende Vertreterinnen und Vertreter von SPD und CDU zu eigen machen, war schon immer die Forderung DER LINKEN.

Kernpunkte linker Politik zur Beilegung des Nahostkonfliktes sind:

• DIE LINKE setzt sich für die Durchsetzung einer geregelten, lebensfähigen Zweistaatlichkeit zwischen Israel und Palästina ein. Sie tut dies in dem Wissen, dass die Chancen für eine Zweistaatenlösung insbesondere aufgrund der israelischen Siedlungspolitik immer weiter abnehmen. Die Blockade des Gazastreifens muss aufgehoben werden. Frieden und Sicherheit für Israel erfordern Gerechtigkeit und Rechte für die Palästinenserinnen und Palästinenser.

• DIE LINKE tritt für einen dauerhaften und geregelten Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas ein. Die israelische Regierung muss gemeinsam mit der palästinensischen Autonomiebehörde einen neuen verbindlichen Fahrplan für 4 Friedensgespräche vereinbaren und ihre Blockadepolitik gegenüber der palästinensischen Einheitsregierung aufgeben.

• Jetzt muss der Druck auf die Regierung Netanjahu erhöht werden, die Verhandlungen für eine Zweistaaten-Regelung wieder aufzunehmen. Dies setzt voraus, dass die israelische Regierung den Siedlungsbau als Haupthindernis für eine Lösung des Konfliktes einstellt und ihre Bereitschaft erklärt, dem palästinensischen Staat volle Souveränität auch über seine Grenzen zuzusichern. Eine andauernde Stationierung israelischer Truppen im Westjordanland, wie sie der israelische Außenminister Avigdor Lieberman im Juni 2014 forderte, würde die Lebensfähigkeit und Souveränität eines künftigen palästinensischen Staates massiv eingrenzen und kann darum keine Lösung darstellen.

• Die Bundesregierung ist gefordert, die israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik genau wie die Blockade des Gazastreifens und die israelische Kriegsführung im Sommer 2014 unmissverständlich zu verurteilen.

• Europa muss sich weiter am Wiederaufbau des Gazastreifens beteiligen. Die EU muss auf die israelische Regierung einwirken, damit die bei der Geberkonferenz im Oktober 2014 zugesagten 4,3 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe eingesetzt und Materialien in den Gazastreifen eingeführt werden können. Die 1,8 Millionen Menschen im Gazastreifen müssen eine politische, soziale und ökonomische Perspektive erhalten. Voraussetzung hierfür ist die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens.

• Die Palästinensische Autonomieregierung hat mehrfach ihre Bereitschaft bekundet, einen selbständigen Staat Palästina zu entmilitarisieren. DIE LINKE ist der Ansicht, dass Grundvoraussetzung für die Entmilitarisierung Palästinas sein muss, dass den Palästinenserinnen und Palästinensern gegenüber Garantien für ihre Sicherheit und die Souveränität ihres Staates ausgesprochen werden. Der Gazastreifen muss in eine solche Regelung einbezogen werden. Dies setzt voraus, dass die palästinensische Einheitsregierung das Gewaltmonopol des Staates auch im Gazastreifen ausübt. Dies ist ein Kernstück des ägyptischen Friedensplans. Die längst überfälligen Wahlen müssen sowohl im Gazastreifen als auch in der Westbank schnellstmöglich durchgeführt werden.

• Europa darf den Abbau demokratischer Rechte in Israel durch die Rechtsregierung nicht widerspruchslos hinnehmen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, aber vor allem die Rechte der israelisch-palästinensischen Bevölkerung sind massiv bedroht. Rassismus und Araberfeindlichkeit existieren nicht nur an den Rändern der israelischen Gesellschaft, sondern breiten sich auch in ihrer Mitte aus.

• Wir verurteilen die antidemokratische Haltung der Hamas und treten ein für demokratische, politische und Minderheitenrechte in den palästinensischen Gebieten.

• DIE LINKE setzt sich für die sofortige Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der Vereinten Nationen ein. Die deutsche Bundesregierung ist aufgefordert, die Beziehungen zur palästinensischen Autonomiebehörde entsprechend aufzuwerten und der palästinensischen Vertretung in Deutschland den vollständigen Rang einer Botschaft zuzuerkennen. 5

• DIE LINKE fordert von der Bundesregierung, den Staat Palästina anzuerkennen und die palästinensische Resolution, die ein weiteres Mal in den Weltsicherheitsrat eingebracht werden soll, zu unterstützen.

• DIE LINKE setzt sich für die territoriale Integrität der Staaten im Nahen Osten ein. Veränderungen in der Grenzziehung sind nur nach Zustimmung aller beteiligten Seiten und unter der Vermittlung der UNO möglich.

• Ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung ist die Beendigung des Mauerbaus auf palästinensischem Territorium und Abbau oder Rückbau auf israelisches Gebiet entsprechend dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes von 2004.

• DIE LINKE setzt sich für ein Verbot von Waffenexporten in den Nahen und Mittleren Osten ein. DIE LINKE lehnt die Lieferung von Militärgerät und Rüstungs-Knowhow für alle Staaten des Nahen Ostens, einschließlich Israel und die Golfstaaten, ab.

• DIE LINKE setzt sich für gerechten Handel mit den Staaten des Nahen Ostens, der den Raubbau an Naturressourcen und die neoliberale Zerstörung ausschließt, ein. Ohne sozialen Ausgleich und ohne offene Grenzen zu Europa sind islamistische Bewegungen auf dem Vormarsch. Kulturelle Vielfalt und religiöse Toleranz müssen ebenso wie der Verzicht auf Gewalt Markenzeichen linker Politik sein.

• Zur Regelung der Konflikte im Nahen Osten bedarf es einer starken UNO, die strikt ihr Gründungsformat einhält. Die UNO basiert auf dem Prinzip der Charta der Vereinten Nationen. Der Westen ist bestrebt, die UNO in seinem Kampf um geopolitische Dominanz zu instrumentalisieren. Es geht häufig in erster Linie darum, die eigenen wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen durchzusetzen.

• DIE LINKE wendet sich gegen jede Form von Antisemitismus in Deutschland und anderswo auf der Welt. Vergleiche mit dem Holocaust sind inakzeptabel. Sofern das Existenzrecht Israels und der jüdischen Bevölkerung, die über die Jahrzehnte eine nationale Identität entwickelt hat, in der Region nicht in Frage gestellt wird, ist Kritik an der israelischen Regierung legitim und kann nicht per se als antisemitisch eingestuft werden.

• Die Debatte über Zweistaatlichkeit oder Einstaatlichkeit, also zwei Staaten, die friedlich nebeneinander existieren oder eines gemeinsamen binationalen Staates, in dem alle Ethnien gleichberechtigt miteinander leben, ist auch in der israelischen Linken voll entbrannt. Hintergrund dieser Debatte ist, dass eine Zweistaatenregelung aufgrund des fortschreitenden israelischen Siedlungsausbaus in den besetzten palästinensischen Gebieten immer unmöglicher wird. DIE LINKE setzt sich zwar für die Zweistaaten Regelung ein, hält die Debatte über Alternativen zu dieser Lösung aber für legitim und nicht für einen Ausdruck von Antisemitismus, solange das Selbstbestimmungsrecht der jüdischen Bevölkerung in einer staatlichen Entität, die von ihr mitgeprägt ist, nicht infrage gestellt wird.

• DIE LINKE setzt sich für die korrekte Kennzeichnung aller Siedlerprodukte, die aus den besetzten Gebieten kommen, entsprechend der EU-Richtlinien ein. Etliche Staaten der 6 EU haben bereits Bestimmungen eingeführt, um die KonsumentInnen besser über die Herkunft der Produkte aufzuklären.

• DIE LINKE weist die Beschimpfungen gegen jüdische Gegner des Zionismus, die vom rechten Flügel des Zionismus als jüdische Selbsthasser oder Antisemiten beschimpft werden, entschieden zurück. Jüdische Gegner des Zionismus sind für uns ebenso Dialogpartner wie nicht zionistische Linke (Chadasch Bündnis KP-Israels) oder die linkszionistisch-sozialistischen Partner bei der Meretz Partei in Israel.

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