Bildet euch eine eigene Meinung!

Assad-Interview in der ARD am 1. März 2016
02.03.2016
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Das Interview mit Assad in der ARD (wir haben es hier verlinkt), gibt die Chance, sich eine eigene Meinung zur Politik des syrischen Präsidenten, des syrischen Staates zu bilden. Diese Chance sollte man unbedingt nutzen, da die Dämonisierung von Präsident Assad seit langer Zeit Teil des Kriegsszenarios in Syrien ist. Für mich ist nach diesem Interview klarer: Der syrische Präsident Baschar al-Assad und seine Regierung halten an der in Wien vereinbarten Zielsetzung der Friedensgespräche fest. Syrien soll ein einheitlicher Staat erhalten werden, sich eine säkulare Verfassung geben und sich für demokratische Reformen öffnen. Das ist nicht unerheblich, da der UN-Beauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, angekündigt hat, dass die Friedensgespräche am 9. März wieder aufgenommen werden sollen.

Assad hat deutlich unterschieden zwischen einer Waffenruhe (mit diesem Zustand haben wir es derzeit zu tun) und einem Waffenstillstand, für den mittelfristige schriftliche Vereinbarungen notwendig sind. Die Bereitschaft, für humanitäre Korridore und eine sehr weitgehende Amnestie für bewaffnete Kämpfer kann jede und jeder selbst hören. Assads Frage, wieso in angeblich durch die syrische Armee vollständig abgeriegelte Gebiete keine Lebensmittel, aber Waffen gekommen sind, ist bisher ohne Antwort geblieben. Andere wichtige Tatsachen, so zum Beispiel, wer die Bombardierung von Schulen und Krankenhäusern verantwortet, sind für mich nur aus diesem Interview nicht beweiskräftig abgeschlossen.

Nicht einsichtig finde ich die Bildunterschriften der ARD. Dass Syrien mit Russland, dem Iran und der Hisbollah verbündet ist, kann ja niemanden überraschen. Leider hat die ARD Informationen über Konter-Bündnisse, wie zum Beispiel Bündnisse mit der Türke, mit Saudi-Arabien und Katar sowie der Zusammenarbeit mit dem IS, der Al-Nusra-Front und anderen islamistischen Organisationen nicht in den Kontext der Sendung aufgenommen.

Zu den für April angekündigten Parlamentswahlen in Syrien war die Ankündigung Assads, dass nicht nur in den von der syrischen Regierung beherrschten Gebieten, sondern auch im Ausland – und das schließt aus meiner Sicht auch die Flüchtlingslager ein – gewählt werden soll, informativ.

Zu mindestens drei Punkten hätte ich mir weitere Informationen gewünscht:

  • Die Haltung der syrischen Regierung zur kurdischen Bewegung und zu den von den Kurden befreiten Gebieten in Syrien,
  • Auswirkungen der vom Westen verhängten Sanktionen gegen Syrien auf die soziale Lage der Bevölkerung -  dem Hinweis des Präsidenten, dass die humanitäre Katastrophe auch durch die Sanktionspolitik mit verursacht wurde, muss öffentlich weiter nachgegangen werden - und
  • Auswirkungen der beträchtlichen Einschränkung der diplomatischen Beziehungen zu Syrien auf Dialogprozesse.

Aber wie gesagt, schaut euch das an und bildet euch eure eigene Meinung.

Wolfgang Gehrcke