Abgeordnetenwatch, Thema: Internationales

19.08.2008
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Sehr geehrter Herr Gehrcke,
die Linke ist ja bekanntlich gegen Krieg und Menschenrechtsverletzungen. Hier meine Fragen.
Wie sind die militärischen Drohgebärden von Hugo Chavez gegenüber einem demokratisch legitimierten Präsidenten von Kolumbien zu interpretieren?
Hat er Recht wenn er Kolumbien mit militärischen Maßnahmen droht? Sind Sie nicht auch der Meinung Chavez sollte das Militär in Venezuela abschaffen? 
Sollte nicht auch Kuba sein Militär abschaffen? Wie stehen Sie zu den Menschenrechtsverletzungen auf Kuba? Vielen Dank für Ihre Antwort.

Antwort von Wolfgang Gehrcke:
natürlich sind wir für die Abschaffung des Militärs. Sowohl in Kolumbien als auch woanders sollte das Militär abgeschafft werden. Wir dürfen aber nicht die Ausgangsituation vergessen, auf die sie sich beziehen: den Konflikt zwischen Venezuela und Kolumbien. Nachdem die kolumbianische Armee unter Bruch des Völkerrechtes in Ecuador eindrang, bestand die Gefahr einer weiteren Eskalation der Auseinandersetzung. Kolumbien drohte Ecuador mit weiteren militärischen Schlägen auf seinem Staatsgebiet. Venezuela ist Bündnispartner von Ekuador und lies seine Truppen, so die venezolanischen Angaben, zum Schutze Ekuadors entlang der kolumbianischen Grenze aufmarschieren. Der kolumbianischen Regierung wurde ein starkes Signal gesendet, mit der aggressiven Politik gegenüber seinem Nachbarn Ecuador aufzuhören. Aber auch der Politik der militärischen Nadelstiche gegen Venezuela sollte aufhören. Über Jahre hinweg fanden Übergriffe kolumbianischer Militäreinheiten auf venezolanisches Staatsgebiet statt. Mitunter ging das in bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen kolumbianischen und venezolanischen Armeeeinheiten über. Die Organisation Amerikanischer Staaten hat den militärischen Übergriff Kolumbiens auf Ekuador scharf verurteilt. Insbesondere Brasilien setzte sich für eine Verurteilung Kolumbiens ein. Kolumbien ist heute das Land mit dem proportional größten Rüstungshaushalt in Lateinamerika. Durch den „Plan Colombia“ erhält es seitens der USA erhebliche Mittel zur militärischen Aufrüstung. Dass die Nachbarstaaten diese Entwicklung nicht ohne Sorge betrachten, ist zumindest mir sehr verständlich.

Die Linke tritt für eine Deeskalationspolitik in den Konflikten ein. Wichtig wäre, mit vertrauensbildenden Maßnahmen zu beginnen. Kolumbien sollte seine militärischen Überkapazitäten abbauen und ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit sollte vereinbart werden. Als Zwischenschritt zur Abrüstung wäre eine bilaterale Vereinbarung zu Kapazitätsobergrenzen denkbar. Im Falle Kolumbiens müsste aber auch ein innerer Frieden erzielt werden. Solange in Kolumbien Bürgerkrieg herrscht, wird es keine regionale Stabilität geben. Es ist Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, besonders der lateinamerikanischen Staaten, Kolumbien davon zu überzeugen, eine friedliche Beilegung des Konfliktes anzustreben.

Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zur Frage des Herrn Vazquez vom 15. September 2008.

Wolfgang Gehrcke