Wir wollen nicht, dass Menschen Opfer von Terror und Krieg werden

15.11.2007
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Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):


Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich gebe zu, dass sich mein Mitleid mit der SPD-Fraktion in sehr engen Grenzen hält. Aber nach der Rede von Walter Kolbow und den Verrenkungen, die er unternommen hat, um zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist, sind mir wieder Zweifel gekommen. Lieber Kollege Kolbow, eines hätte man zumindest leisten müssen: der deutschen Bevölkerung die Wahrheit zu sagen, was eigentlich abläuft. Die Operation Enduring Freedom ist ein Kampfeinsatz; das wird niemand leugnen können. Die Operation Enduring Freedom ist Teil des Krieges gegen den Terror. Deutschland ist an dieser Operation beteiligt. Deutschland ist in einem Kampfeinsatz, befindet sich im Krieg gegen den Terror. Also stimmt es nicht, wie Kollege Struck einmal formuliert hat, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt wird. Richtig ist – darum können Sie nicht herumreden –: Deutschland führt Krieg am Hindukusch, und das ist schlimm.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Das ist der Kern der Auseinandersetzung. Daran geht nichts vorbei.

Wenn wir an diesem Punkt sind und über die Bevölkerung in Afghanistan nachdenken, ist es notwendig, zu sagen, dass seit 2001 70 000 bis 100 000 Menschen in Afghanistan Opfer dieses Krieges geworden sind. Das finde ich am bedrückendsten. Wir wollen nicht, dass Menschen irgendwo auf der Welt, auch nicht in Afghanistan, Opfer von Terror und Krieg werden. Das ist unsere Grundaussage.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Die Fraktion Die Linke wird dem Antrag der Bundesregierung nicht zustimmen; das hat sowieso niemand erwartet. Wir fordern darüber hinaus, den Bündnisfall in der NATO aufzuheben.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Herr Kollege Kolbow, es gibt kein Völkerrecht nach Gutsherrenart. Ihre Fraktion kann nicht einfach festlegen, was völkerrechtlich in Ordnung und was völkerrechtswidrig ist. Schauen Sie sich doch Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen einmal genauer an! Dort geht es um das Selbstverteidigungsrecht zur Abwehr eines unmittelbar stattfindenden oder drohenden Angriffs. Ich könnte den Text zitieren, aber Sie kennen ihn. Nun müssen Sie die Frage beantworten, ob nach sieben Jahren Krieg gegen den Terror ein Angriff von Afghanistan auf die USA oder irgendein anderes Land in der Welt droht. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Eine weitere Festlegung in der Charta der Vereinten Nationen besagt, dass das nur so lange gilt, wie die Vereinten Nationen selbst nicht handlungsfähig sind. Aber die Vereinten Nationen haben – das haben wir nicht unterstützt – ISAF installiert. Sie sind handlungsfähig. Deswegen muss der Bündnisfall aufgehoben werden. Er ist rechtlich nicht mehr zu begründen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Dass der Bündnisfall im NATO-Vertrag zeitlich nicht befristet ist, liegt auch daran, dass er zum ersten Mal ausgerufen wurde. Sie können es drehen und wenden, wie Sie es wollen: Sie bewegen sich nicht auf der Basis des Völkerrechtes, sondern operieren gegen das Völkerrecht.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, wenn Sie uns das nicht abnehmen, dann schauen Sie sich das an, was Ihnen einmal nahe gewesen ist und heute so fern ist.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat kürzlich eine Denkschrift veröffentlicht. Darin kommt er – das geht aus den Thesen 101 und 106 hervor – zu dem gleichen Ergebnis wie wir als Linke. Auch von daher ist es völlig klar, dass der Zustand, den Sie beibehalten wollen, nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

In diesem Zusammenhang will ich mit zwei anderen Punkten aufräumen und Klarheit schaffen. In Ihrem Antrag haben Sie verquast und verharmlosend festgestellt, dass im Rahmen des Mandats auch Spezialkräfte eingesetzt werden sollen. Dabei geht es um KSK.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das heißt Kommando Spezialkräfte!)

– Ja, das weiß ich. Man kann es aber deutlicher ausdrücken, Herr von Klaeden. Sie wissen, dass ich meinen Kenntnisstand, inwiefern es sich um KSK handelt, nicht den Kollegen im Plenum mitteilen kann, weil das immer noch der Geheimhaltungspflicht unterliegt. Das bedaure ich sehr. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung den Mut hat, im Zusammenhang mit Afghanistan Klarheit zu schaffen. Die in Ihrem Antrag getroffene Feststellung, dass die Vorsitzenden aller Fraktionen diesen unwürdigen Informationsregelungen zugestimmt hätten, stimmt aber nicht. Die Vorsitzenden meiner Fraktion werden sich an der Vorgehensweise, dem Parlament häppchenweise und nach Entscheidung der Regierung Informationen zukommen zu lassen, nicht weiter beteiligen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Wir verlangen auch in diesem Punkt Öffentlichkeit. Die Bevölkerung muss wissen, worum es geht.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch zugestimmt!)

– Meine Fraktion nicht.

Abschließend fordere ich Sie auf: Ziehen Sie doch einmal Bilanz über das Ergebnis des Krieges gegen den Terror! Stellen Sie die Frage, ob mit diesem Krieg die Gefahr des Terrorismus kleiner geworden ist! Sie sagen doch selber, dass die Gefahr größer geworden ist. Stellen Sie die Frage, ob die Kriege, die mit dem Ziel der Abrüstung begründet worden sind, tatsächlich zur Abrüstung geführt haben! Im Gegenteil: Sie haben überall in der Welt zur Aufrüstung geführt.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege.

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Stellen Sie die Frage, ob die Demokratie befördert worden ist! Das ist nicht der Fall. Überall ist Demokratie abgebaut worden. Selbst wenn Sie ihrer eigenen Logik folgen würden, gäbe es keine Begründung, den Krieg gegen Terror fortzusetzen. Man kann gegen Terror kämpfen, aber der Krieg führt ins Elend.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])