Ilse Stöbe als Widerstandskämpferin im Auswärtigen Amt anerkennen

10.05.2012
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Ilse Stöbe versuchte, die sowjetische Führung zu warnen. Sie tat dies aus der inneren Überzeugung heraus, dass es die einzige Möglichkeit sei, dem faschistischen Deutschland Einhalt zu gebieten und bezahlte dies, wie so viele andere, mit ihrem Leben.


Rede des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke zum TOP 30 - Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. „Ilse Stöbe als Widerstandskämpferin im Auswärtigen Amt anerkennen“ > Drucksache 17/7488 <


Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der im Antrag von meiner Fraktion beschriebene Wunsch, dass Ilse Stöbe als Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus nun endlich Anerkennung findet, ist mir ein sehr wichtiges Anliegen. Deswegen hat es mich auch besonders gefreut, dass das Auswärtige Amt bereits zugesagt hat, eine Aufnahme Stöbes in die berühmte Galerie der Widerstandskämpfer zu prüfen.

Die Notwendigkeit sich dieser Angelegenheit endlich anzunehmen, wurde mir erneut bewusst, als ich den Bericht der Historiker-Kommission zur Geschichte des Auswärtigen Amtes las. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich – bei allen möglichen Differenzen in Reihen der Historiker – den Bericht der Autoren Conze, Frei, Hyes und Zimmermann für eine große und notwendige Leistung halte.

Am Ende der Abhandlung über den langen juristischen Kampf der Familie Scheliha für dessen Anerkennung als Widerstandskämpfer heißt es auf S. 569

„Ilse Stöbe, Schelihas Mitarbeiterin in der Informationsabteilung, die am gleichen Tag mit ihm verurteilt und in Plötzensee hingerichtet wurde, fehlt nach wie vor auf der Tafel. Sie hatte keine Verwandten mehr, die sich für sie einsetzen konnten, ihre Mutter war in Ravensbrück ermordet, ihr Halbruder in Brandenburg Görden hingerichtet worden.“

Dazu muss man erwähnen, dass beide sich sowohl politisch gegen die Nazis im Widerstand engagierten als auch untergetauchten Juden halfen.

Den Beitrag Ilse Stöbes für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus und ihr Leben haben wir in unserem Antrag kurz skizziert. Angeregt durch Rudolf Herrnstadt gab Ilse Stöbe Informationen an den sowjetischen Geheimdienst GRU weiter. In den Jahren 1940 und 1941 auch aus dem Auswärtigen Amt heraus, wo sie, auch das ist inzwischen nachgewiesen, ordentlich angestellt gewesen ist. Im September 1942 wurde sie im Rahmen der Gestapo-Aktionen gegen die von der Gestapo so genannte „Rote Kapelle“ verhaftet. Der einzige Zusammenhang zwischen Stöbe, Herrnstadt, Scheliha und der Roten Kapelle war jedoch, dass sie zum gleichen Funker Kontakt hatten. Die Hinrichtung Ilse Stöbes erfolgte am 22.12.1942 durch das Fallbeil in Plötzensee.

Wir haben das vergangene Jahr genutzt, um alle vorhandenen Informationen zu Ilse Stöbe zusammenzutragen. In dem Artikel „Rote Nelken für Alta“, das war Ilse Stöbes Deckname beim sowjetischen Geheimdienst GRU, steht, was Ilse Stöbe Ende Februar 1941 an die Zentrale des GRU mitteilte:

„Die Vorbereitungen zu einem Krieg gegen die UdSSR sind schon weit gediehen. […] Es werden drei Armeegruppen unter der Führung der Feldmarschälle Bock, Rundstedt und Leeb gebildet. […] Als Termin für den Angriff muss man mit dem 20.Mai rechnen.“

Auch wenn der schreckliche Angriff, der als Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion in die Geschichte einging, dann erst am 22.Juni begann, zeigt sich, mit welchen präzisen Informationen Ilse Stöbe versuchte, die sowjetische Führung zu warnen.

Sie tat dies aus der inneren Überzeugung heraus, dass es die einzige Möglichkeit sei, dem faschistischen Deutschland Einhalt zu gebieten und bezahlte dies, wie so viele andere, mit ihrem Leben. Ilse Stöbe hat keine Familie mehr, die für ihre Anerkennung kämpfen kann. Deswegen haben wir diesen Antrag hier im Parlament eingereicht.

Dazu kommt: Ilse Stöbe entstammte einer Arbeiterfamilie aus Lichtenberg und sie ist eine Frau, die ihre Widerstandstätigkeit zwar in Zusammenarbeit mit Männern, aber doch eigenständig organisierte.

Alle drei Umstände mögen dazu beigetragen haben, dass sie bisher nicht geehrt wurde. Die Autorin Sabine Kebir konstatiert außerdem einen Zusammenhang zu den dominanten Deutungsmustern im Bezug auf die eigene Geschichte in beiden deutschen Staaten. Sie meint, dass es nie zu einer Anerkennung des Lebenswerkes von Ilse Stöbe kam, weil sie in der Bundesrepublik als Kommunistin diskreditiert war. Dabei bestand ihr Widerstandsnetzwerk keinesfalls nur aus Kommunisten, wie die enge Zusammenarbeit mit Scheliha zeigt.

In der DDR erfuhr Ilse Stöbe zwar Ehrungen, eine Zeit lang war eine Schule in Berlin-Lichtenberg nach ihr benannt. Aber man scheute sich doch, ihr Lebensbild in die Öffentlichkeit zu bringen. Gewichtiger Grund hierfür war ihre Verbindung zu Rudolf Herrnstadt, der nach seinem Sturz als Chefredakteur des Neuen Deutschlands am 17. Juni 1953 zur Unperson wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es scheint als sei der Moment gekommen, in dem all die genannten Widerstände überwunden werden könnten. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag, um der überfälligen Ehrung Ilse Stöbes durch den Deutschen Bundestag Nachdruck zu verleihen.