DIE LINKE wird keinem Konzept zustimmen, das Krieg einschließt

28.06.2012
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Um den Kampf um Menschenrechte geht es auch in den vorliegenden Anträgen. Ich finde vieles, was in diesen Anträgen steht, vernünftig. Ich würde gern in den Ausschüssen, wo wir darüber noch reden werden, einiges vertiefen wollen. Aber ich will auch gleich auf die Pferdefüße zu sprechen kommen, die für mich eine Zustimmung zu diesen Anträgen ausschließen.
Beide Anträge beinhalten die Möglichkeit eines Krieges.

187. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages, 28. Juni 2012
TOP 19 – Anträge von Bündnis 90 / Die Grünen und SPD zur „Internationalen Schutzverantwortung“
- Rede des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke – Auszug aus dem Protokoll

 

 

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich denke, dass es wirklich gut ist, sich am Beginn der Debatte doch einmal an die Charta der Vereinten Nationen und an den Gründungsgeist der Vereinten Nationen zurückzuerinnern und davon auszugehen. Es waren zwei große Gedanken, die die Vereinten Nationen bewegt haben: Krieg sollte als Mittel der Politik ausgeschlossen werden, und man wollte nie wieder Faschismus, Diktaturen und Gewalt dulden. – Das sind die Leitlinien der Vereinten Nationen.

Deswegen haben sich die Vereinten Nationen sehr früh darauf festgelegt, Gewalt und bereits die Androhung von Gewalt aus dem Zusammenleben der Völker auszuschließen. Stattdessen sind mehr und mehr Überlegungen zu Konfliktvermeidung und friedlicher Konfliktlösung entwickelt worden. Die Vereinten Nationen haben einen großen Anteil daran, dass das Kolonialsystem zusammengebrochen ist. Ich glaube, dass man sich, von den Positionen der Vereinten Nationen herkommend, besser die Frage stellen sollte: Gehören Menschenrechte zum Völkerrecht, oder stehen sie außerhalb des Völkerrechts? Das ist die rechtliche Frage. Ich möchte aus meiner Sicht ganz deutlich sagen: Menschenrechte gehören zum Völkerrecht und sind Teil des Völkerrechts. Das sollte unbestritten sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die großen beiden Dokumente der Vereinten Nationen sind für mich die Charta der Vereinten Nationen und die Charta der Menschenrechte. Beides muss umgesetzt werden. Daraus ziehe ich für mich die Schlussfolgerung, dass die Vereinten Nationen nicht nur für Menschenrechte kämpfen dürfen, sondern sie sind verpflichtet, für Menschenrechte zu kämpfen und in diesem Bereich möglichst noch mehr zu tun.

Um den Kampf um Menschenrechte geht es auch in den vorliegenden Anträgen. Ich finde vieles, was in diesen Anträgen steht, vernünftig. Ich würde gern in den Ausschüssen, wo wir darüber noch reden werden, einiges vertiefen wollen. Aber ich will auch gleich auf die Pferdefüße zu sprechen kommen, die für mich eine Zustimmung zu diesen Anträgen ausschließen.

Beide Anträge beinhalten die Möglichkeit eines Krieges. Es ist allerdings anders formuliert: Die SPD spricht in ihrem Antrag von militärischem Eingreifen oder militärischer Intervention. Die Grünen sprechen von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta. Beide Anträge beziehen militärische Gewalt ein und schließen sie nicht aus.

(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht die UN-Charta auch, die Sie gerade gelobt haben!)

Dem stimme ich nicht zu. Wir werden nicht unsere Stimmen für den Einsatz militärischer Gewalt geben.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Ich behaupte ja nicht, dass die Anträge damit enden. Das ist erst der Anfang. Ich habe Ihre Anträge gelesen.

Es gab einmal eine Zeit, wo für die Sozialdemokratie militärische Gewalt nicht Ultima Ratio, sondern Ultima Irratio war. Das war zur Zeit von Willy Brandt. Für die Grünen galt dasselbe. Hier müssen Sie sich entscheiden: Wird militärische Gewalt für Sie wieder Ultima Ratio? Dann landet man schnell bei militärischer Gewalt. Oder bleibt es dabei, dass Krieg die Ultima Irratio ist? Dann müssen wir sie ausschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen Sie sich einmal die Opfer der Kriege an: in Jugoslawien – bei diesem Krieg wurde immer mit den Menschenrechten argumentiert –, im Irak, in Afghanistan und Libyen. Wenn Sie die Zahl der Opfer zusammenrechnen, kommen Sie auf das furchtbare Ergebnis, dass wahrscheinlich über 900 000 Menschen in diesen Kriegen ihr Leben verloren haben. Das ist eine gewaltige Opferzahl. Kann es wirklich sein, dass wir akzeptieren, dass aufgrund des Einsatzes von militärischer Gewalt und ihrer Folgen Menschen Leben und Gesundheit verlieren? Das entspricht nicht meiner Vorstellung. Ich glaube nicht, dass man über den Krieg Menschenrechte erkämpfen kann. Deswegen will ich militärische Gewalt ausschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich schlage Ihnen gerne ein anderes Herangehen vor. Man kann über Schutzmaßnahmen in Form eines Pakts im Parlament diskutieren. Ich möchte gerne verhindern, dass Menschen weiter im Mittelmeer ertrinken, weil sie nach Europa kommen wollen. 14 000 Menschen sind im Mittelmeer umgekommen. Ist das nicht eine Herausforderung? Ich möchte die Flüchtlingsströme mit ihren Hunderttausenden von Menschen beenden. Ich möchte, dass wir eine Sprache finden, in der wir die Dinge wieder beim Namen nennen und in der Krieg wieder Krieg heißt statt militärische Einmischung, Schutzverantwortung oder Zwangsmaßnahmen. Ich möchte, dass wir eine Art und Weise der Menschenrechtspolitik entwickeln, die gradlinig ist. Man kann nicht auf der einen Seite hinschauen und auf der anderen Seite wegschauen.

Bei Libyen hatte sich Deutschland – das war das einzig Vernünftige dieser Bundesregierung – seiner Stimme enthalten. Wir hätten, wenn wir es zu entscheiden gehabt hätten, dagegen gestimmt. Der Libyen-Krieg hat das Leben von 40 000 Menschen gekostet. Da können Sie doch nicht sagen, dass er vernünftig war.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)