Die Zwei-Staaten-Lösung erhalten (Wolfgang Gehrcke)
Hören Sie sich nur die Reden von Netanjahu an. Er spricht zwar von einer Zwei-Staaten-Lösung. Aber schon in seinen Reden wird deutlich, dass er politisch das Gegenteil betreibt; in der politischen Praxis wird das erst recht deutlich. Was Netanjahu vorschlägt, ist ein Israel bis an die Grenzen des Jordans, das mithilfe von Siedlungen durchgesetzt werden soll. Es reicht aber nicht, nur verbal gegen diese Siedlungen zu protestieren, sondern man muss auch klarmachen, dass diese Siedlungen das Ende der Zwei-Staaten-Lösung bedeuten.
195. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am Donnerstag, 27. September 2012
TOP 16 a und b – Anträge der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zum Nahostkonflikt
(Auszug aus dem Protokoll)
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Schönen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um das auszugleichen, was Kollege Stinner eben gesagt hat, möchte ich am Anfang ankündigen, dass wir den beiden Anträgen zustimmen werden, weil sie politisch richtig und vernünftig sind.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Darüber sollte man auch nicht entlang von Parteigrenzen debattieren.
Ich muss Ihnen sagen: Es hat mich unendlich traurig gestimmt, einen völlig resignierten und verzweifelten Präsidenten Abbas vor den Vereinten Nationen zu sehen. Es ist mir zu Herzen gegangen, diesen Mann, der – auch in den eigenen Reihen – so lange für einen Ausgleich zwischen Palästinensern und Israelis gekämpft hat, in dieser Verfassung zu sehen. Am Ende bleibt ihm eigentlich nur noch die Botschaft: Wir schmeißen alles hin. – Das darf man so nicht weitertreiben.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])
Ich war gerade wieder einmal in Israel und Palästina. Ich rede mir ja selber Mut zu: Meine Erfahrung ist, dass auch die Menschen in Israel einem zu Recht erklären: Die Zwei-Staaten-Lösung ist die beste Lösung, die man erhalten kann. Alle Eckpunkte der Zwei-Staaten-Lösung liegen vor, aber niemand glaubt mehr an ihre Umsetzung. Das ist das eigentliche Problem. Ich möchte, dass wir den Glauben an die Zwei-Staaten-Lösung erneuern und politisch untermauern; denn wir brauchen sie, um Stabilität zu erhalten.
Deswegen nenne ich Ihnen zuerst ein positives Beispiel, das mich sehr glücklich gestimmt hat. Ich habe zwei Jahre lang mit jüdischen Freunden aus Israel und mit Palästinensern an einer Ausstellung von jungen Künstlerinnen und Künstlern gearbeitet, die unter dem Namen „Wonderland“, Wunderland, in Haifa eröffnet worden ist. Sie wird im Februar 2013 im Bundestag gezeigt. Das ist für mich ein Projekt, mit dem man praktisch nachweisen kann, dass Palästinenserinnen und Palästinenser sowie Jüdinnen und Juden an einer gemeinsamen Sache arbeiten können und dass dadurch alle reicher und klüger werden.
Ich möchte dieses Beispiel auf die staatliche Ebene übertragen. Durch die Zwei-Staaten-Lösung gewinnen in einem solchen Prozess alle, wenn man sie ernsthaft will und nicht nur darüber redet. Hören Sie sich nur die Reden von Netanjahu an. Er spricht zwar von einer Zwei-Staaten-Lösung. Aber schon in seinen Reden wird deutlich, dass er politisch das Gegenteil betreibt; in der politischen Praxis wird das erst recht deutlich. Was Netanjahu vorschlägt, ist ein Israel bis an die Grenzen des Jordans, das mithilfe von Siedlungen durchgesetzt werden soll. Es reicht aber nicht, nur verbal gegen diese Siedlungen zu protestieren, sondern man muss auch klarmachen, dass diese Siedlungen das Ende der Zwei-Staaten-Lösung bedeuten.
Die Palästinenser haben angeboten, dass sie, was die Siedlerinnen und Siedler betrifft, eine Zweistaatlichkeit für möglich halten, dass sie also die israelische und die palästinensische Staatsbürgerschaft haben könnten. Hier passiert also sehr viel. Ich bin glücklich, dass die Palästinenser nicht zu einer neuen Intifada aufrufen, sondern versuchen, das Prinzip der Gewaltfreiheit in der Politik durchzusetzen. Wäre es nicht notwendig, dass dieses Parlament endlich einmal sagt: „Das ist eine richtige Entscheidung, und wir helfen euch dabei, eure Rechte zu verteidigen“? Solche Signale brauchen wir.
(Beifall der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])
Das Grundproblem ist die Besatzung. Die Besatzung muss beendet werden. Kerstin Müller und ich waren im gleichen Ort; Susa heißt die kleine Stadt. Wer in Hebron an der Grenze gestanden hat, versteht, dass es so nicht weitergehen kann. Ich finde, das müssen auch wir als Mitglieder des Deutschen Bundestages Israel sehr deutlich sagen.
Ich erwarte von der Bundesregierung – es ist übrigens interessant, dass niemand hierzu etwas gesagt hat –, dass man in der Vollversammlung der Vereinten Nationen dem minimalen Vorschlag, den Palästinensern einen Beobachterstatus zu verleihen – das ist der sogenannte Vatikan-Status –, zustimmen wird und dass man in Europa dafür wirbt, damit man endlich einen Schritt vorankommt.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Was wollen Sie Präsident Abbas denn anbieten? Was soll er seinen Leuten sagen, wenn es um die Gewaltfreiheit geht? Er hat doch nichts in der Tasche, und ihm ist nichts in die Tasche gesteckt worden. Das sind die Dinge, die geändert werden müssen. Ich möchte, dass wir diesen Mut zusammen aufbringen.
Ich freue mich über die Ausstellung im Willy-Brandt-Haus mit dem Titel „Das Schweigen brechen“. Ich war da und muss sagen: Das ist eine sehr beeindruckende Ausstellung. Ich finde es toll, dass das Willy-Brandt-Haus der Gastgeber ist. Im Bundestag werden wir im Rahmen der Ausstellung „Wonderland“ sehen können, wie ein politischer Konflikt kulturell verarbeitet wird. Ich lade Sie dazu ein und bitte Sie, solche gemeinsamen Projekte zu unterstützen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)