Verantwortung heißt
"Nein zum Krieg"
Aufruf zur Demonstration "Nein zu Krieg und Konfrontation" am 13.12.2014 am Amtssitz des Bundespräsidenten in Berlin
Verantwortung für unser Land heißt: Nein zu Krieg und Konfrontation. Unsere Verantwortung heißt: Ja zu Frieden, Abrüstung, ziviler Konfliktlösung und humanitärer Hilfe.
Wir sind besorgt über die wiederholten und sich verstärkenden Äußerungen des Bundespräsidenten, der Bundesregierung sowie von Teilen der Opposition, Deutschland müsse sich mit mehr Truppen, dem Ausbau der Rüstungsproduktion und des Exports von Waffen weltweit verstärkt engagieren.
Diese Stimmen sehen die NATO als nicht zu hinterfragendes Bündnis. Jene NATO, die seit 1991 durch ihre Politik der Ostausdehnung und durch die Stationierung der Raketenabwehr entgegen dem Gedanken eines “gemeinsamen Hauses Europa” den Frieden bedroht – nicht nur in Europa. Der „Krieg gegen den Terror“ und die erklärten geostrategischen und ökonomischen Interessen des Westens tragen maßgeblich bei zu einer Welt, die zunehmend aus den Fugen gerät. Dafür fordern die Protagonisten mehr Waffen, mehr Truppen und mehr Interventionen mit globalen Dimensionen. Jeder dieser Schritte verschärft die Krisen- und Kriegssituationen. Verantwortungsvoll handeln 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges und fast 70 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus heißt, alles dafür zu tun, dass vom deutschen Boden nur Frieden ausgeht.
Den vollständigen Aufruf lesen Sie hier
* * *
Der Ukraine-Konflikt – Erfahrungen und Wertungen
Auszüge aus dem Reisebericht von Wolfgang Gehrcke und Andrej Hunko nach ihrem mehrtägigen Besuch in der Ukraine und im russischen Rostow am Don vom 16. bis 21. November 2014
„Ein Zusammenleben ist nicht mehr möglich“
In der Ukraine herrscht Krieg, Bürgerkrieg, der allerdings von außen befeuert wird. Offener Bürgerkrieg in der Ostukraine, vor allem in den Gebieten Donezk und Lugansk mit einer hohen
Anzahl von Toten und Verletzten sowie weitgehender Zerstörung der Infrastruktur. Die Bevölkerung leidet und hungert. Die Anzahl der Toten liegt offensichtlich höher als bisher in der Öffentlichkeit bekannt. Die Zahlen werden von beiden Seiten als Teil der Propaganda eingesetzt. Nach Aussagen der Vertreter aus Donezk haben durch die Angriffe der ukrainischen Armee inklusive der sogenannten Freiwilligenbataillone um die 5.000 Zivilisten in den Volksrepubliken ihr Leben verloren und seien bis zu 30.000 (?) Armeeangehörige umgekommen. Das Gebiet zwischen Donezk und Lugansk wird von unterschiedlichen Rebellengruppierungen gehalten, während in Donezk und Lugansk jeweils zentrale Kommandostrukturen entstanden
sind. „Ein Zusammenleben ist nicht mehr möglich“, hörten wir vielfach als Konsequenz aus den Ereignissen.
Der Krieg ist überall
Krieg herrscht auch dort, wo er nicht im Krieg der Armee gegen Aufständische und Bevölkerung stattfindet und sich in den Köpfen und in einem aggressiven politischen Klima niederschlägt. Die Aussage des ukrainischen Präsidenten Poroschenko über den „totalen Krieg“, auf den man sich vorbereiten müsse. schafft ein Klima des Krieges auch in anderen Gebieten, in denen nicht gekämpft wird, zum Beispiel in Odessa. Mit „Krieg“ wird das Massaker im Gewerkschaftshaus
von Odessa am 2. Mai 2014, die Bekämpfung linker Ideen, die antirussische Hysterie erklärt und gerechtfertigt. Der Kriegszustand im umfassenden Sinne ist die aktuelle
zusätzliche Spaltung des Landes. Spaltung bedeutet dabei Teilung in Ost und West, vertiefte soziale Spaltungen sowie kulturelle und ideologische Gräben. Die Spaltungen vertiefen sich in einer Dramatik, dass die Frage, ob der staatliche Zusammenhalt der Ukraine aufrechterhalten werden kann, nur auf der Basis von weitgehenden föderalen
Regelungen und Versöhnungsprozessen beantwortet werden kann. Diese gehen über das Minsker Protokoll hinaus und über sie muss rasch verhandelt werden.
Den Realitäten ins Auge sehen
Die westliche Ukraine-Politik weigert sich beharrlich, Realitäten wahrzunehmen. Es ist eine Realität, dass sich im Donbass, auch mit Hilfe aus Russland, eine neue politische Macht etabliert hat. Die Weigerung, diese Macht zur Kenntnis zu nehmen und mit ihr zu verhandeln, führt einerseits zur Radikalisierung auf Seiten der „Rebellen“ und ermuntert andererseits die Kiewer Führung, weiter und verstärkt auf die militärische Karte zu setzen. Die LINKE sollte diesen Zirkel der Blindheit durchbrechen. Realitätsverweigerung kommt auch in der ständigen Wiederholung der Phrase, dass das Problem des faschistischen Einflusses mit der Wahlniederlage von Svoboda geregelt wäre, zum Ausdruck. Wahr ist hingegen, dass der Ungeist des Faschismus und Rassismus bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist. Es hat zum Beispiel Wahlabsprachen zwischen Svoboda und der Jazeniuk-Partei gegeben. Nazi-Figuren üben wichtige Staatsfunktionen aus, zum Beispiel die des Polizeipräsidenten von Kiew. Das politische Klima ist aggressiv nationalistisch und antirussisch, auch in den Parteien von Poroschenko und Jazeniuk. Die USA schüren die Westbindung der Ukraine in aggressiver Form. In der Ukraine spricht man von der Partei des Krieges – Jazeniuk – und der Partei des Friedens – Poroschenko. Das ist falsch, aber es gibt gesellschaftlich eine Bewegung des Friedens und eine Bewegung des Krieges. Hier muss sich die Linke in Deutschland als eine Bewegung für Frieden einordnen.
Katastrophale humanitäre Situation
Dramatisch gestaltet sich die Lage in vielen Krankenhäusern der Ostukraine. Es fehlt am Nötigsten. „Ich kenne ein Kinderkrankenhaus in Donezk, in dem sich eine Katastrophe anbahnt. Es gibt kaum noch Medikamente, Kinder sterben, weil sie nicht richtig versorgt werden können", erzählt Ira vom Flüchtlingskomitee des Lagers. Was hier völlig fehlt, ist Hilfe aus Westeuropa, wir sind hier völlig auf uns allein gestellt, sagt ein Mitarbeiter der Rostower Bezirksregierung. Ein Hilfskonvoi aus Deutschland wäre eine große Sache.
Diesem Anliegen haben sich Wolfgang Gehrcke und Andrej Hunko angenommen und werden für dieses Kinderkrankenhaus noch vor Weihnachten eine Spendenaktion starten, um Geld für dringend benötigte Medikamente zu sammeln und sie dann nach Donezk zu bringen. Das Motto lautet:
"Wir wollen Frieden statt Krieg, Verständigung statt Gewalt, Aussöhnung statt Hass! Wir wollen den Kindern von Donezk helfen!"
Besuch einer Schule für Flüchtlingskinder in Taganrog
* * * * *
Syrien - Einschätzung und Perspektiven aus erster Hand
Auf Einladung und Initiative von Wolfgang Gehrcke fanden in Berlin zahlreiche Gespräch mit Haytham Manna, Mitglied des Nationalen Koordinierungskomitees für demokratischen Wandel in Syrien, statt.
Zusammenfassend sagte Haytham Manna, dass die Nationale Koalition, die vom Westen als legitime Vertretung des syrischen Volkes anerkannt wurde, bedeutungslos geworden sei. Insgesamt sei die Lage der demokratischen, nicht gewaltsamen Kräfte des Wandels sehr kompliziert. Assad habe keinen großen Rückhalt, werde aber im Kampf gegen die Gräueltaten der Islamisten als das kleinere Übel akzeptiert. Ohne Verhandlungen mit Assad könne es keine Lösung geben. Auch müsse er für eine Übergangszeit Präsident Syriens bleiben. Es gehe darum, den syrischen Staat zu verteidigen. Ein Zusammenbruch des syrischen Staates ähnlich wie im Irak wäre eine Katastrophe.
Ausführlich beschrieb er die militärische Lage in Syrien. Der Krieg ernähre den Krieg, sagte er. Auf allen Seiten gebe es Kriegsgewinnler, die an einem Ende des Krieges nicht interessiert seien. Gleichwohl sei der Krieg, solange Mittel aus dem Ausland und insbesondere aus der Türkei und Saudi-Arabien fließen, für keine Seite gewinnbar. Nur Verhandlungen können seiner Ansicht nach zu einer Lösung führen. Nur wenn Frieden herrsche, könnten die zivilgesellschaftlich orientierten Organisationen wieder handeln. Von der bewaffneten Opposition, so Haytham Manaa, sind maximal 2 Prozent gemäßigt. Auch der größte Teil der nur noch aus Resten bestehenden FSA (Freie Syrischen Armee) sei islamistisch.
Eine Machtübernahme durch die Islamisten wäre eine Katastrophe für die zahlreichen ethnischen und konfessionellen Minderheiten im Lande. Die Moskauer Konferenz begrüße er zwar im Allgemeinen, sei aber nicht vollends überzeugt, da erstens eine Einladung der demokratischen linken Opposition noch nicht erfolgt sei und zweitens die demokratische linke Opposition noch uneins darüber sei, wie es in Syrien weitergehen solle. Mitten durch die demokratische linke Opposition verlaufe die Debatte, wie man sich künftig gegenüber den Muslimbrüdern verhalten solle. Der Teil, den Haytham vertritt – und das dürfte die Mehrheit sein – stehe unter dem Eindruck negativer Erfahrungen, die sie mit der Muslimbruderschaft gemacht hätten. Würden die Muslimbrüder an die Macht kommen, sei dies identisch mit Erdogan an der Macht.
Sieben Fragen des Umgangs
Auszüge aus der Erklärung von Kerstin Kassner, Sigrid Hupach, Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Uli Maurer und Matthias W. Birkwald zu innerparteilichen Differenzen und der Notwendigkeit einer neuen Debattenkultur in der Linken, in der sie folgende Fragen stellen:
1. Sollen die Formen der Auseinandersetzung darauf schielen, was Spiegel online
oder die junge Welt dazu meinen? Oder lieber darauf, die eigene Meinung im
Widerspruch mit der anderen zum Nutzen der gemeinsamen Erkenntniskultur
weiterzuentwickeln?
2. Warum verschwenden wir große Teile unserer Kraft und Energie in Auseinandersetzungen über die viel wenigeren Inhalte, in denen wir uns nicht einig sind, anstatt uns darauf zu konzentrieren, die größere Menge an Gemeinsamkeiten offensiv in die Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern und Kontrahenten einzubringen?
3. Haben wir den früheren Widerspruch nicht doch gemildert (mit erheblich
diskursivem Aufwand), der zwischen „Opponieren“ und „Mitregieren“ bestand?
Denn: War, ist und besteht der Widerspruch nicht eher zwischen einfallsarm-
mechanischer Opposition und kreativer Eigenständigkeit, beziehungsweise zwischen
technokratischem Mitverwalten und kreativer Eigenständigkeit gegen die zwangsläufige Anpassungstendenz in einem Regierungsposten?
4. Warum lassen wir uns ständig wieder zu einem strömungsgeleiteten
Tunnelblick nebst Kurzbekenntnis bezüglich Militäreinsätzen verleiten? Müssen wir nicht, bevor wir uns zu einem „Ja“ oder „Nein“ im Rahmen unserer
programmatischen Beschlüsse äußern, erstmal stark genug werden, ein gesamtes
Lösungspaket (in dem Militäreinsätze nur einen untergeordnet resultanten Bezug haben) auch politisch durchsetzen zu können?
5. Ist es wirklich so überzogen, wenn einige von uns einen besonders starken Wert auf das Existenzrecht des Staates Israel legen? Und: Ist es wirklich so verwerflich, dass andere wiederum das leibliche Existenzrecht von Palästinensern besonders hart betonen, weil es von den Mächtigen dieses Landes wenig beachtet wird?
6. Sollte eine linke Kraft, die nach 1989 selbst als PDS – aber auch als
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Kommunistinnen und Kommunisten, widerständige SozialdemokratInnen – erlebt hat, wie Berichterstattung mit allem herrschenden Druck Biografien umzudefinieren und zu zerstören vermag, nicht selbst das Folgende wie Grundübungen beherzigen:
- dass die, die besonders unter Druck stehen und schwächer sind, auch wenn sie ein
berechtigtes Anliegen haben, die meisten Fehler machen und nicht immer eine gute
Figur abgeben
- dass wir demokratische Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und
Unschuldsvermutung neben dem Sozialstaat wie unseren Augapfel verteidigen, aber
eben auch gegen die Verwahrlosung der Sitten in Facebook, Twitter und anderen
netzförmigen shitstorms verdunkelten Ursprungs?
7. Warum lassen wir zu, dass inhaltliche Auseinandersetzung in persönliche und verletzende Herabsetzung verkommt, die uns alle nur Lebensfreude und Energie kostet, die uns dann beim Kampf um den Erfolg unserer Politik fehlen?
Wir UnterzeichnerInnen wünschen uns jedenfalls, dass unsere Fraktion diese
Fragestellungen in Zukunft beim Streiten mit berücksichtigen möge.
Termine
5. Dezember 2014
10:50 Uhr. Plenum - 1. Lesung Mandatsantrag Resolute Support Afghanistan mit Rede von Wolfgang Gehrcke
14:10 Uhr- Plenum - Vereinbarte Debatte "Menschenrechte global durchsetzen" mit Rede von Wolfgang Gehrcke
6. bis 7. Dezember 2014
21. Friedenspolitischer Ratschlag in Kassel