‚Was gesagt werden muss‘
Fast könnte man aufatmen – es gibt sie noch, kritische Intellektuelle, die ihre Stimme erheben, wenn Krieg droht. Für seine Warnung vor einem Krieg ist Günter Grass zu danken. Beim Schreiben dieser Zeilen, wird Grass geahnt haben, was er auslöst und was ihm erwidert wird. Grass fordert vom Iran, keine Atomwaffen anzustreben. Er warnt Israel vor einem Krieg gegen den Iran. Und er kritisiert die Bundesregierung, dass sie in genau dieser Situation U-Boote an Israel liefert, die mit atomaren Waffen bestückt werden können.
Keine Frage, das Regime im Iran ist höchst verachtenswert. Äußere Drohungen aber festigen eher Ahmadinedschads Macht.
Die Grass-Kritiker Mißfelder, Broder, Robbe und andere können keine wirklichen Freunde Israels sein, da sie Israel Wichtiges vorenthalten: kritische Solidarität!
Ich hoffe, dass Günter Grass weitere Debatten auslöst. Er ist mit seiner eigenen Vergangenheit nachdenklich umgegangen. Grass will eine politische Lösung, da Krieg niemals eine Lösung sein kann. DIE UNO hat beschlossen, noch in diesem Jahr in Kairo eine Konferenz für einen Nahen Osten frei von Atomwaffen und Massenvernichtungsmitteln durchzuführen. Der Nahe Osten ohne Atomwaffen, das erfordert den kontrollierbaren Verzicht des Iran auf ein atomares Militärprogramm und die Bereitschaft Israels, sein atomares Potenzial offen zu legen und abzurüsten. Der deutsche Beitrag für eine solche Konferenz kann der verbindliche Verzicht auf Waffenexporte in den Nahen Osten einschließlich der U-Boote an Israel sein.
Für einen atomwaffenfreien Nahen Osten hat Günter Grass einen guten Vorschlag unterbreitet: der Iran und Israel sollen ihre Atomanlagen für internationale Kontrollen öffnen. Genau das ist nötig!
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Günter Grass hat Recht.
Er warnt in Verbundenheit mit dem Land Israel vor einem israelischen Erstschlag, „der das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte“.
Er warnt Deutschland davor, mit der Lieferung eines weiteren U-Bootes nach Israel, „dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe dorthin lenken zu können, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist“, „Zulieferer eines Verbrechens“ zu werden.
Er warnt, „die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden“.
Er fordert den „Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt aufzufordern“.
Er fordert „eine ungehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz“.
Günter Grass hat den Mut auszusprechen, was weithin verschwiegen wurde.
Günter Grass beschämt die deutsche Politik, die weithin damit beschäftigt ist, die diplomatischen Folgen eines israelischen Angriffs auf den Iran zu kalkulieren, statt alles zu tun, um diesen Krieg zu verhindern und damit „allen, den Israelis und Palästinensern, mehr noch, allen Menschen, die in dieser vom Wahn okkupierten Region dicht bei dicht verfeindet leben, und letztlich auch uns zu helfen“.
Wolfgang Gehrcke
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hier eine Information aus der Tagesschau von heute, 17 Uhr
Günter Grass im Feuilleton der Süddeutschen, 4.4.2012:
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... und was andere dazu zu sagen haben:
"Das Gedicht ist geschmacklos, unhistorisch und zeugt von Unkenntnis der Situation im Nahen Osten." - Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag
"Graß hat schon immer zu Größenwahn geneigt, nun aber ist er vollkommen durchgeknallt." - Henryk M. Broder in der Welt, 4.4.12
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles teilt mit, dass sie das Gedicht angesichts der Lage im Nahen Osten als "irritierend und unangemessen" empfinde.
"Überflüssig und eitel" nennt Reinhold Robbe (SPD), Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft das Gedicht von Grass.
Johano Strasser, Vorsitzender des deutschen PEN-Zentrums teilt die Meinung Günter Grass'. Er warnt dringend davor, Waffen an eine israelische Regierung zu liefern, die den Anschein erweckt, ein Krieg gegen den Iran sei unausweichlich.