Ça ira Nr. 180: 75. Jahrestag der Befreiung – Wir sagen: Danke! (8. Mai 2020)

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Flagge der Befreier auf dem Reichstag am 2. Mai 1945
Das Hissen der Flagge der Befreier auf dem Reichstag in Berlin am 2. Mai 1945

von Wolfgang Gehrcke und Christiane Reymann

Nun sagen sie wieder laut und ungeschminkt, was sie denken, die alten Revanchisten wie Gauland und Co. Das ist widerlich. Es erinnert uns an unsere frühe Jugend, als am Stammtisch die Schlachten im Osten wie im Westen und besonders gern in Afrika noch einmal geschlagen – und endlich gewonnen wurden.

Nach der bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlands mussten in Westdeutschland 25 Jahre vergehen, ehe sich der Bundestag erstmals 1970 mit einer Erklärung des Bundeskanzlers Willy Brandt überhaupt mit diesem Ereignis befasste. Und noch einmal 15 Jahre verstrichen, bis der Bundespräsident Richard von Weizsäcker endlich, endlich vom 8. Mai als dem "Tag der Befreiung" sprach. Diese Einsicht ist heute wieder gefährdet.

Vor diesem Hintergrund hat es uns besonders bedrückt, dass wir am diesjährigen 75. Jahrestag dieser Befreiung nicht massenhaft Gesicht zeigen können. Natürlich legen wir am 8. Mai an Sowjetischen Ehrenmalen Blumen nieder, am 9. Mai nehmen wir an einer Mahnwache und kleinen Demonstration in Bergen-Belsen teil. Wir alle können die Petition von Esther Bejarano unterstützen, den 8. Mai zum Feiertag zu machen.

Doch wir wollten auch unseren Befreierinnen und Befreiern danken und herausgekommen ist das:

„Zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus: Wir sagen danke!“ unter diesem Titel haben über 50 Politiker*innen, darunter drei ehemalige Ministerpräsidenten (Hans Modrow, Oskar Lafontaine, Matthias Platzeck), Bundestagsabgeordnete, internationale, nationale und regionale Friedensnetzwerke und -organisationen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Menschen, die sich für ein gutnachbarschaftliches Verhältnis zu Russland einsetzen eine Anzeige in den Zeitungen Wolgograds/Stalingrads veröffentlicht. Darin heißt es: „Der Raub- und Vernichtungskrieg war von Deutschland ausgegangen; dass danach so viele Menschen in der Sowjetunion, in Russland bereit waren und sind, Deutschen Vertrauen entgegenzubringen und gute Beziehungen aufzubauen, berührt uns tief.“ Doch die NATO sehe in Russland „wieder einen Feind, gegen den sie militärisch und propagandistisch aufrüstet. Das ist geschichtsvergessen und gefährlich.“

Doch lest selbst den ganzen Text und die Liste der Unterstützerinnen und Unterstützer:

Zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus: Wir sagen Danke!

Unter unfassbaren Opfern haben Ihre Familien, Ihre Eltern, Großeltern, Urgroßeltern die Hauptlast in der Anti-Hitler-Koalition daran getragen, Deutschland und Europa vom Faschismus zu befreien – mit der Roten Armee, als Partisanen, als Arbeitende im Hinterland. Dafür möchten wir Ihnen heute von ganzem Herzen danken.

Der Raub- und Vernichtungskrieg war von Deutschland ausgegangen; dass danach so viele Menschen in der Sowjetunion, in Russland bereit waren und sind, Deutschen Vertrauen entgegenzubringen und gute Beziehungen aufzubauen, berührt uns tief.

Nach der deutschen Vereinigung gab es ein kurzes Zeitfenster für einen Raum des Friedens und der Zusammenarbeit von Lissabon bis Wladiwostok. Leider wurde es nicht genutzt, stattdessen dehnt sich die NATO bis an die Westgrenze Russlands aus. Sie sieht in Russland wieder einen Feind, gegen den sie militärisch und propagandistisch aufrüstet. Das ist geschichtsvergessen und gefährlich.

Wir verneigen uns vor den Opfern, die dieser barbarische Krieg die Völker der Sowjetunion gekostet hat. Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! Dafür setzen wir uns ein.

Esther Bejarano, Vorsitzende des Internationalen Auschwitz-Komitees, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück; Dr. Gerd Belkius, Musikwissenschaftler; Reiner Braun, International Peace Bureau (IPB); Ellen Brombacher, Teilnehmerin am deutsch-sowjetischen Jugendfestival 1977 in Wolgograd; Daniela Dahn, Schriftstellerin; Deutsch-russische Friedenstage Bremen e.V.; Prof. Edeltraut Felfe, Rechtswissenschaftlerin; Wolfgang Gehrcke, ehem. MdB Die Linke; Doris Gercke, Schriftstellerin; Heidrun Hegewald, bildende Künstlerin, Autorin; Jelena Hofmann, Vorstandvorsitzende der Stiftung west-östliche Begegnungen; Otto Jäckel, Rechtsanwalt, Vorsitzender Deutsche Sektion IALANA Deutschland, Vereinigung für Friedensrecht, der Internationalen Vereinigung von Juristen gegen Atomwaffen; Kerstin Kaiser, Leiterin Regionalbüro Osteuropa der Rosa-Luxemburg-Stiftung; Kristine Karch, Co-Vorsitzende No to war- No to NATO; Sima Kassaie-van Ooyen, Friedens- und Zukunftswerkstatt Frankfurt; Prof. Hermann Klenner, Rechtswissenschaftler; Florian Kirner alias Prinz Chaos II, Liedermacher und Journalist; Wolfgang Krieger, Ingenieur; Oskar Lafontaine, ehem. Ministerpräsident Saarland, Politiker und Publizist; Ekkehard Lentz, Sprecher Bremer Friedensforum; Pascal Luig, Kampagne Stopp Air Base Ramstein; Frank Mangelsdorf, langjähriger Chefredakteur der Märkischen Oderzeitung;  Prof. Moritz Mebel, Mediziner, der deutsche Emigrant kam, in der Roten Armee kämpfend, als Gardeoberleutnant 1945 zurück nach Deutschland; Mitglieder des Bundestages der Fraktion DIE LINKE: Dr. Dietmar Bartsch und Amira Mohammed Ali, Fraktionsvorsitzende; Sevim Dağdelen, Dr. Diether Dehm, Dr. Gregor Gysi, Heike Hänsel, Andre Hahn, Andrej Hunko, Żaklin Nastić, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Sahra Wagenknecht; Hans Modrow, ehem. Ministerpräsident der DDR; Mike Nagler, Koordinationskreis Stopp Defender 2020 – Kein Militärmanöver; Sonja und Frithjof Newiak, Cottbuser Friedensbündnis; Willi van Ooyen, Ostermarsch Hessen; Dr. Christof Ostheimer, Friedensforum Schleswig-Holstein; Karl-Heinz Peil, Bundesausschuss Friedensratschlag; Gina Pietsch, Sängerin und Schauspielerin; Matthias Platzeck, ehemaliger Ministerpräsident Brandenburg, Vorstandsvorsitzender des deutsch-russischen Forums; Prof. Michael Schneider, Schriftsteller; Dr. Andrej Reder, Diplomat der DDR, als Kind deutscher Antifaschisten in der Sowjetunion aufgewachsen; Christiane Reymann, Autorin und Aktivistin; Gottfried Reymann, Lehrer; Jürgen Roters, ehem. Oberbürgermeister von Köln; Torsten Schleip, Bundessprecher Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigung der Kriegsdienstgegner DFG-VK; Michael Schlick, Pressesprecher Bundestagsfraktion Die Linke; Horst Trapp, Friedens- und Zukunftswerkstatt; Bernhard Trautvetter, Ostermarsch Ruhr, Friedensforum Essen; Lucas Wirl, Geschäftsführer IALANA.