Ein Frühjahrsputz ist angesagt:
Beziehungen zwischen Deutschland und den USA entrümpeln!
Relikte der Besatzung und des Kalten Krieges aufkündigen
Selbstverständlich, Deutschland ist und bleibt den USA, ebenso wie allen anderen Alliierten, für die Befreiung von den Nazis zu Dank verpflichtet. Gleichzeitig müssen jedoch Relikte aus der Besatzungszeit und der Zeit des Kalten Krieges überwunden werden, die nach wie vor die deutsch-US-amerikanischen Beziehungen prägen. Die USA sind in Deutschland keine Besatzungsmacht mehr. Deutschland ist nicht mehr ein geteilter Frontstaat, dessen Westteil Teile seiner staatlichen Souveränität an die USA und die NATO abgegeben hat. Relikte aus dieser Zeit, wie zum Beispiel die Sonderrechte der ehemaligen Alliierten, müssen aufgekündigt werden.
Partnerschaft auf Augenhöhe
Je mehr die Affäre um das Kanzlerinnen-Handy die Gemüter erregt, desto häufiger fällt – diesseits und jenseits des Atlantik – das Wort „Partnerschaft“. Ein Fortschritt ist immerhin, dass der Begriff „Freundschaft“ dabei gemieden wird; er hat im Verhältnis zwischen Staaten nichts zu suchen. Partnerschaft basiert auf Gleichberechtigung, übrigens im Interesse beider Partner. Durch die Abschaffung der Sonderrechte der USA in Deutschland wird die Dominanz der USA aufgrund ihrer ökonomischen und militärischen Potenz sicher nicht beseitigen. Aber die Neuordnung der Beziehungen zwischen Deutschland beziehungsweise Europa und den USA kann als Korrektiv gegen folgenschwere Irrtümer wirken, in die sich die USA – auch unter Obama – verrannt haben. Denn gleichberechtigte Partner sagen sich offen ihre Meinung und, noch wichtiger, sie hören sich gegenseitig zu.
Im Namen des „Kampfs gegen den Terrorismus“: Verstöße gegen Menschen- und Völkerrecht
Auch die Spionagetätigkeit der NSA und anderer US-Geheimdienste in Deutschland und Europa wurde mit dem Kampf gegen den Terrorismus begründet. Diese Begründung wurde auch von CDU und FDP herangezogen, um die Ausspähung deutscher Telekommunikation durch die USA zu bagatellisieren. Seit Angela Merkel betroffen ist, ist davon nichts mehr zu hören. Die nicht mehr abzuwehrende Erkenntnis, dass die Ausspähung von „Freund und Feind“ eben nicht der Terrorismusbekämpfung, sondern vor allem dem Machtanspruch einer Supermacht dient, sollte Anlass sein, den USA unmissverständlich klar zu machen: Kampf gegen Terrorismus kann nie den Abbau demokratischer Rechte begründen, denn dies führt zur Zerstörung der eigenen moralischen Integrität. Die Missachtung von Menschenrechten, die Beugung des Völkerrechts oder gar der Verstoß dagegen dienen nicht dem Kampf gegen den Terrorismus. Im Gegenteil, sie führen zu einer Verrohung der internationalen Beziehungen, und zwar auf allen Seiten.
Mehr als der Umstand, dass die USA das Handy der Bundekanzlerin abgehört haben, verwundert mich die öffentliche Reaktion. Während die millionenfache Abschöpfung von deutschen Kommunikationsdaten durch den US-Geheimdienst NSA vor kurzem noch mit dem Hinweis auf Zusicherungen eben dieses Geheimdienstes und der US-Regierung abgetan wurde, sorgt das Abhören des Kanzlerinnen-Handys nun für rege diplomatische Tätigkeit. Klar, wenn es einen persönlich trifft, regt das mehr auf. Aber dass die mediale und politische Aufregung über das Abhören eines einzigen Handys die Aufregung über die Ausspähung der Bevölkerung eines ganzen Landes derart übersteigt, offenbart viel über den kläglichen Stand der im Grundgesetz garantierten Gleichheit.
Merkel: ein spätes Opfer des Kalten Krieges
Ich verstehe die persönliche Betroffenheit der Kanzlerin. Immerhin hat sie an der Vasallen-Treue ihrer Vorbilder Adenauer und Kohl zu den USA bedingungslos festgehalten. Merkel gehört zu den Gewinnerinnen und Gewinnern der deutschen Wiedervereinigung. Man kann nicht gerade behaupten, sie hätte ihren beispiellosen Aufstieg genutzt, um die Lebensverhältnisse im Osten zu verbessern. Im Gegenteil, ohne mit der Wimper zu zucken wurde Angela Merkel von der FDJ-Funktionärin zur Vorsitzenden einer Partei, die soziale Interessen in – Ost wie West – den „Märkten“ ausliefert und diesen Sozialabbau nach ganz Europa exportiert. Angesichts ihrer durchaus glaubhaften marktradikalen Wendung kann ich Merkels Betroffenheit über das Misstrauen der USA ihr gegenüber, als einer Politikerin, die aus dem Osten Deutschlands stammt, schon nachvollziehen. Aber wundern kann ich mich über dieses Misstrauen nicht.
Das hat sicher damit zu tun, dass ich selbst von 1961 bis vor kurzem vom deutschen Inlandsgeheimdienst überwacht wurde. Beides, die Überwachung von Linken und das Abhören der Kanzlerin hat nämlich ihren Ursprung im Kalten Krieg. Und das ist es, was die Affäre um das Kanzlerinnen-Handy eigentlich offenbart: Die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA entsprechen nicht den Beziehungen zwischen völkerrechtlich gleichberechtigten souveränen Staaten, sondern sind nach wie vor geprägt von der Nachkriegs-Ära und der Block-Konfrontation während des Kalten Krieges. Dieses verstaubte Verhältnis bedarf einer grundlegenden Entrümpelung, ein Frühjahrsputz ist angesagt!
Bevormundung Deutschlands beenden
Es ist höchste Zeit, dass die Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen in Deutschland beendet wird, ebenso die Unterstützung oder Duldung völkerrechtswidriger Gefangenentransporte oder der gezielten Ermordung von Menschen durch Kampfdrohen durch die deutsche Bundesregierung. Wenn dies auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann, müssen die Hauptquartiere der US-Army in Deutschland eben geschlossen werden.
Aus der bipolaren Welt nach dem Zweiten Weltkrieg, ist eine unipolare Welt geworden, dominiert von den USA. Das Recht des Stärkeren bedrängt oder verdrängt gar die Stärke des Rechts. Seit über zehn Jahren führt diese unipolare Welt Krieg. Die USA sind in der Lage Kriege zu beginnen, mit den Folgen jedoch werden sie allein nicht mehr fertig. Ihre Macht hat keine Strahlkraft mehr, ist moralisch verschlissen und nicht mehr in der Lage, globale Prozesse regulierend zu beeinflussen. Von einer Neuordnung der Beziehungen zwischen Europa und den USA könnten auch Obama und die USA profitieren. Der verfrühte Nobelpreisträger Obama könnte aus einer gleichberechtigten Partnerschaft eine Stärkung seiner moralischen Autorität und seiner Bemühung um eine Lösung des Nahost-Konflikts gewinnen. Auch innenpolitisch, für die Durchsetzung seiner Gesundheitsreform, die in Richtung des europäischen Sozialstaatsmodells zielt, könnte er aus einer gleichberechtigten Partnerschaft Rückenwind erhalten.
„Für eine Telekommunikationsüberwachung durch ausländische Stellen bietet weder das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut noch sonstige Vorschriften des deutschen Rechts eine Grundlage“, antwortet die Bundes