Fließende Übergänge zum Faschismus - Nach den Wahlen in der Ukraine
Die Wahlen zum Kiewer Parlament und in Donezk und Lugansk zeigen vor allem eines: Die Ukraine ist tief gespalten. Sie hat ihre gut 50 Jahre währende staatliche Form schon jetzt verloren. Nur eine auf Ausgleich zielende Politik kann ein weiteres Auseinanderbrechen noch verhindern. Doch die Wahlgewinner in Kiew wollen über den Südosten des Landes siegen und die westlichen Regierungen wollen über Russland siegen. Das ist kriegerisches Denken. Und Krieg führt die Regierung der Ukraine bereits gegen Donezk und Lugansk.
Die Bewertung des Wahlergebnisses in der Westukraine als pro-europäisch ist im besten Falle blauäugig. In erster Linie sind sie nationalistisch, antirussisch – und sie haben die politische Achse noch weiter nach rechts verschoben. Demokratische und linke Parteien hatten kaum eine Chance. „Swoboda“ und der „Rechte Sektor“ konnten zwar "nur" Direktmandate (sechs bzw. zwei) erringen, doch ihre politische Richtung hat weiterhin maßgeblichen Einfluss im Parlament und im Staatsapparat, wie unten zu zeigen sein wird. Mit Ausnahme des „Oppositionsblocks“ (9,4 Prozent der Zweitstimmen), der ausdrücklich auch künftig die militärische Neutralität der Ukraine erhalten will, sind alle anderen in der Rada vertretenen Parteien in dem Sinn rechts, dass sie sich durch eine scharfe Gegnerschaft zu Russland auszeichnen, sich für die forcierte EU-Integration und die NATO-Mitgliedschaft einsetzen und den Konflikt mit dem Südosten auch mit Gewalt lösen wollen.
Für Wolfgang Gehrcke hat Reinhard Lauterbach, Osteuropa-Korrespondent der Tageszeitung Junge Welt und seit langem mit der Situation in der Ukraine vertraut, Informationen und Hintergründe zu Rechten und Faschisten im neugewählten ukrainischen Parlament recherchiert. Er kommt zu dem Ergebnis:
"Es ist ein Charakteristikum der ukrainischen Parlamentswahl vom 26.10.14, dass radikale Nationalisten mit zumindest fließenden Abgrenzungen zum Faschismus auch außerhalb der traditionellen faschistischen Parteien kandidiert haben. An dieser Stelle ist an erster Stelle an die „Radikale Partei“ von Oleg Ljaschko zu erinnern.
Ljaschkos Markenzeichen ist es, mit unmittelbarer Gewalt gegen politische Gegner vorzugehen. Im Internet existieren zahlreiche Videos mit Darstellungen, wie er diese Gegner physisch mißhandelt, beschimpft, erniedrigt und bedroht. Auch Amnesty International hat ihn deshalb im Sommer 2014 kritisiert . Ljaschko war bis 2010 im „block Julia Timoschenko“ (BJuT) aktiv, wurde aber dort wegen des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit der Partei der Regionen ausgeschlossen und gründete seine eigene Partei. Von Seiten des traditionellen ukrainischen Nationalismus wird ihm oft vorgeworfen, eine false-flag-Partei im Interesse prorussischer Oligarchen zu betreiben, um den „wahren“ ukrainischen Nationalismus zu diskreditieren. Selbst wenn es aber so wäre, dass er ein „falscher Faschist“ wäre, würde dies aber nichts daran ändern, dass er als „echter Faschist“ gewählt wurde."
Nazi-Apologeten bekleiden weiterhin hohe Positionen im ukrainischen Staatsapparat – und es kommen neue hinzu. Einer von ihnen ist der am meisten berüchtigte ehemalige Abgeordnete der Partei „Swoboda“, Juri Michalstschyschyn. Er hat jetzt die Partei verlassen, um Propagandachef des Sicherheitsdienstes zu werden. Über ihn schreibt die englischsprachige Homepage ukraineantifascistsolidarity.wordpress.com: „Michalstschyschyn ist ein offener Nazi-Apologet, der eine Ehrenmedallie der SS-Divison Galizien besitzt. Er hatte einige Zeit in einem Freikorps an der "Anti-Terror-Operation" im Donbass teilgenommen. (...) Im April dieses Jahres rannte er durch den Plenarsaal der Rada, um den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, Simonenko, während dessen Rede anzugreifen, und ihn von der Rednertribüne zu ziehen: 2013 erhielt Michaltschyschyn auf den Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung der SS-Division Galizien, die aus ukrainischen Freiwilligen gebildet wurde, eine Gedächtnismedaille. Jene SS-Division Galizien, die im zweiten Weltkrieg, gemeinsam mit der Ukrainischen Aufstandsarmee, den Völkermord an den Juden beging und die brutale Vertreibung der örtlichen polnischen Bevölkerung zu verantworten hatte.
Michaltschyschyn, der aus Lwiw stammt und sich selbst entweder als ‚autonomer Nationalist’, als ‚Sozialrevolutionär’, ‚Sozialnationalist’ oder ‚revolutionärer Nationalsozialist’ beschreibt, ist einer der Hauptideologen der Swoboda.“(Hier der ganze Artikel auf englisch im Original) Für das Abgleiten in den ukrainischen Nationalismus tragen die USA, die EU, dabei insbesondere Deutschland, Frankreich und Polen eine hohe Mitverantwortung. Die Parteien der Großen Koalition und die Grünen haben immer wieder den ukrainischen Nationalismus bis hin zum Faschismus verharmlost. Dagegen werden wir weiter zu den Rechten wie zu Faschisten in der Ukraine nachforschen und aufklären.
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Faschisten außerhalb der traditionellen faschistischen Parteien
Auszug aus den vorläufigen Informationen von Reinhard Lauterbach vom 04.11.2014 für Wolfgang Gehrcke zum Thema: Rechte und Faschisten im neuen ukrainischen Parlament.
Die von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk, Parlamentspräsident Oleksander Turtschynow und dem ehemaligen Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Andryj Parubij, geleitete Partei „Volksfront“ hat ihre Kandidatenlisten mit etlichen Feldkommandeuren von Freiwilligenbataillonen und Maidan-Aktivisten besetzt.
Als Faschisten oder zumindest Personen im Grenzbereich zum Faschismus sind einzustufen:
- Andrej Parubij. Der langjährige nationalistische Aktivist war lange Jahre Funktionär der „Sozial-nationalen Partei der Ukraine“, aus der 2004 die „Swoboda“ hervorging. Parubij machte dieses Rebranding seinerzeit nicht mit und setzte seine Karriere in der Partei von Julia Timoschenko fort.
- Tetjana Tschornowol (Platz 2). Die Vertreterin der dritten Generation einer „Dynastie“ von ukrainischen Nationalisten war verheiratet mit einem Mann, der im faschistischen (Bataillonsemblem: die Wolfsangel) Bataillon „Asow“ kämpfte und im August 2014 fiel. Im Anschluss hieran schloss sie sich selbst dem Bataillon Asow an. Ihre Bezeichnung als „Journalistin“ und „Antikorruptionskämpferin“ in der bürgerlichen Presse ist zumindest irreführend.
- Andrej Bilezkij, Kommandeur des Freiwilligenbataillons „Asow“ und Mitglied im „Militärrat“ der Partei. Der studierte Historiker Bilezkij saß unter Janukowitsch wegen „Terrorismus“ ein, da er Sprengstoffanschläge auf Lenindenkmäler ausgeführt hatte. Nach dem Sieg des Euromaidans freigelassen, rühmte er sich im Frühjahr 2014, die Skinhead- und Fußballfanszene von Charkiw vom russischen auf den ukrainischen Nationalismus umgepolt zu haben. Solche Charkower Ultras waren wesentlich am Pogrom in Odessa am 2.5.14 beteiligt. Dem Militärrat gehören noch mindestens vier weitere Bataillonskommandeure an .
Ein weiterer Feldkommandeur ist Semjon Semjontschenko (Kampfname) vom Bataillon Donbass. Er kandidierte auf Platz zwei der neu ins Parlament gekommenen Partei „Samopomitsch“ (Selbsthilfe) des Bürgermeisters von Lwiw, Andryj Sadowyj. Diese Partei ist bemüht, einen „modernen“ Konservatismus europäischen Typs zu vertreten.
Semjontschenko muss als einer der gegenwärtig intelligentesten und gefährlichsten Vertreter der ukrainischen Rechten betrachtet werden. Er vertritt einen modernen ukrainischen Staatsnationalismus jenseits der ethnischen Borniertheit der Swoboda. Semjontschenko ist nach dem, was er selbst über sich preisgegeben hat , selbst ethnischer Russe, aus Donezk gebürtig, und ist offenbar pensionierter Offizier der ukrainischen Armee. Sein Bataillon hat sich in den Kämpfen durch eine relativ hohe Effizienz ausgezeichnet und ist offenbar so gut diszipliniert, dass ihm bisher keine Kriegsverbrechen nachgewiesen wurden. Im Gegenteil hat Semjontschenko sich gelegentlich nicht gescheut, Kriegsverbrechen anderer ukrainischer Einheiten publik zu machen. Sein Bataillon erhielt bei der Aufstellung offenbar Unterstützung von israelischen Ausbildern und soll den Reserveeinheiten der israelischen Armee nachgebildet sein . Im September 2014 war Semjontschenko etwa zehn Tage lang in Washington und führte Verhandlungen mit der US-Militärführung und den Geheimdiensten. Ergebnis war, dass die Kämpfer seines Bataillons von „pensionierten“ Angehörigen amerikanischer Spezialeinheiten ausgebildet werden sollen, u.a. im Partisanenkampf.
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Pampige Kanzlerin – Unsouveräner Außenminister
Einreiseverbote für russische Politiker
Den „Dialog mit Russland“ führen alle bundesdeutschen Politiker im Munde. Doch wie miteinander reden, ohne sich treffen zu können? Die EU hat alle Abgeordneten der Duma gelistet, die nicht gegen die Aufnahme Kiews in die Russische Föderation gestimmt haben. Gregor Gysi und Wolfgang Gehrcke haben Außenminister Steinmeier nun gebeten, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, dass die Bundesregierung ausnahmsweise einzelne Gelistete nach Deutschland einreisen lässt; sie wollten, dass der stellvertretende Duma-Vorsitzende, Iwan Melnikow, und der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Leonid Kalaschnikow, in Berlin mit MdBs Gespräche führen können. Die Antwort des Außenministers: Das Auswärtige Amt sähe keine Möglichkeit, Ausnahmekriterien anzuwenden. Wer macht egentlich deutsche Außenpolitik? Der Rat der EU oder Frank-Walter Steinmeier? Und die Kanzlerin, kürzlich im Auswärtigen Ausschuss auf die Listungen angesprochen, hielt Wolfgang Gehrcke entgegen: „Sie haben doch kein Problem damit, sie können doch jederzeit nach Moskau reisen.“
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Todenhöfer: Gauck spaltet
Auf facebook schreibt der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete, Autor und Manager Jürgen Todenhöfer zu den Entgleisungen des Bundespräsidenten im gegenüber dem Thüringer Wahlergebnis und Bodo Ramelow:
„Das ist mir ein Demokrat! Ich hätte Ramelow zwar auch nicht gewählt. Aber er ist nun mal vom Volk gewählt, Gauck nicht. Nicht nur das macht es manchmal schwer, Gauck als Bundespräsident zu akzeptieren.(...) Gauck scheint recht gut mit dem SED-Regime ausgekommen zu sein. Widerstandskämpfer gegen die SED war er nie. Eher Mitläufer. Seine Kritik an dem linken Ramelow ist daher bemerkenswert scheinheilig.
Gauck ist leider kein Mann des Ausgleichs. Kein Václav Havel. Er spaltet. In Fragen Krieg und Frieden, wo er alles tut, um den Krieg wieder salonfähig zu machen. In der Frage der Menschenrechte, wo er die Kriegsverbrechen wichtiger Verbündeter unseres Landes unter den Teppich kehrt. Und in der Frage, welch Bedeutung der Islam für unser Land hat.“ Hier zum vollständigen Beitrag
25 Jahre Mauerfall - Veranstaltung der „Sieger“
Nicht nur, weil Wolf Biermann erneut die LINKE beschimpfte, das kenne ich von ihm in vielen Varianten. Nicht nur, weil die Unrechtsstaatstheorie erneut belebt wurde, nicht nur, weil der Osten real nicht stattfand – nicht einmal die Volkskammer oder der Ministerpräsident dieses untergegangenen Landes, Hans Modrow. Nicht nur, weil man ernsthaft den Gedanken, dass der, der 1989 sagt, an 1945 denken muss, und wer an 1945 denkt, muss an 1933 erinnern. Es war eine Veranstaltung der „Sieger“, der beizuwohnen war. Wolf Biermann durfte reden, hetzen und singen. Sein Liedes „Ermutigung“ ist besser, als die Moral der Person, die dieses Lied sang. In seinem Lied heißt es unter anderem:
Du, laß dich nicht verhärten
in dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen,
die allzu spitz sind, stechen
und brechen ab sogleich.
Du, laß dich nicht verbrauchen,
gebrauche deine Zeit.
Du kannst nicht untertauchen,
du brauchst uns und wir brauchen grad deine Heiterkeit.
Ich stelle einen zweiten Text daneben: Eine Passage aus Trotz alledem! vom Karl Liebknecht aus dem Jahr 1919
Jawohl, sie wurden geschlagen. Und es war historisches Gebot, daß sie geschlagen wurden. Denn die Zeit war noch nicht reif. Und dennoch – der Kampf war unvermeidlich.
Aber es gibt Niederlagen, die Siege sind; und Siege, verhängnisvoller als Niederlagen.
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Dokumentiert:
Auszug aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 05.11.2014 zur US-Amerikanischen Blockade-Politik gegen Kuba:
Vizepräsident Peter Hintze:
Dann kommen wir zur Frage 6 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke:
Welche Argumente haben die Bundesregierung dazu bewogen, auf der diesjährigen UN-Vollversammlung, wie schon in den Vorjahren, gemeinsam mit der überwältigenden Mehrheit
der UN-Mitgliedsländer gegen die Stimmen der USA und
Israels für eine sofortige Aufhebung der US-amerikanischen Blockade gegen Kuba zu stimmen?
Herr Staatsminister.
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Vielen Dank, lieber Kollege Wolfgang Gehrcke. Das ist keine neue Entscheidung gewesen. Die EU hat wie in den vielen Jahren zuvor geschlossen für eine sofortige
Aufhebung des US-amerikanischen Embargos
gegen Kuba votiert. Da gibt es großen Konsens in der
Europäischen Union. Es gibt nur wenige Partner auf der
internationalen Ebene, die den Vereinigten Staaten da
zugestimmt haben. Sie haben nach dem Grund gefragt, warum die Bundesregierung
so votiert hat. Die Bundesregierung ist der
Auffassung, dass die US-amerikanischen Maßnahmen
wegen ihrer Drittwirkung rechtswidrig sind. Sie berühren
unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands
und der Europäischen Union. Deshalb können wir ihnen nicht zustimmen. Wir haben ihnen auch in den
vergangenen Jahren nicht zugestimmt.
Wolfgang Gehrcke:
Lieber Herr Staatsminister, ich habe lange nachgedacht,
ob ich eine Frage finde, bei der ich die Bundesregierung
einmal loben kann. Jetzt habe ich eine gefunden: Würden Sie das Lob denn annehmen, dass es sehr vernünftig war, wie in den letzten Jahren für die Aufhebung der bürgerrechtswidrigen Blockade Kubas zu stimmen
und Aktivitäten in diese Richtung in Gang zu setzen?
Michael Roth:
Ich habe Ihnen die Begründung dargelegt, die die
Bundesregierung dazu veranlasst hat, gegen dieses Embargo zu stimmen. Das ist keine neue Entscheidung.
Ich persönlich freue mich natürlich sehr darüber, von
das darf ich jetzt mal so sagen dir ein Lob zu empfangen.
Das ist, glaube ich, das erste Mal, seitdem ich im Amt bin. Das empfinde ich als eine große Genugtuung.
Wolfgang Gehrcke:
Wenn ich schon lobe, dann will ich dafür auch noch etwas haben. Ich möchte natürlich nicht nur wissen, was die Bundesregierung wie in den vergangenen Jahren zu dieser Entscheidung bewogen hat das finde ich alles ganz toll , sondern ich möchte wissen,
was die Bundesregierung jetzt macht, um ihre Entscheidung
zur Aufhebung der Blockade durchzusetzen und
zusammen mit anderen EU-Partnern in die Praxis umzusetzen. Sie könnte etwa in der EU vorstellig werden, um den sogenannten Gemeinsamen Standpunkt gegenüber Kuba aufzuheben.