Wolfgang Gehrcke: Ich sage Nein
Heute wird im Bundestag zum Marineeinsatz abgestimmt. Ich kann daran leider nicht teilnehmen, ich bin in Moskau. Ich hätte mit Nein gestimmt.
Ich war immer dafür, dass Deutschland auch einseitige Schritte geht, wenn damit Abrüstung befördert werden kann. Dass andere Länder sich mit Kriegsschiffen beteiligen, macht es nicht notwendig, dass Deutschland dies auch tut. Ich bin nach wie vor dafür, dass Deutschland den Kriegsdienst verweigert, das gilt auch in diesem Fall.
Für mich geht Abrüstung und Friedenspolitik zusammen und nicht gegeneinander. Es gibt genügend Vernünftiges, was Deutschland tun kann; Besseres, als ein Kriegsschiff zu entsenden. Ich war der Erste, der gefordert hatte, dass die Anlage in Munster – GEKA – zur Vernichtung der Chemiewaffen angeboten wird. Damals hatte sich die Bundesregierung noch strikt herausgehalten.
Ich kann die ganze Debatte von den unseligen Auftritten Gaucks, Steinmeiers oder von der Leyens in München nicht loslösen. Für die schwarz-rote Bundesregierung geht es um weltweiten Einfluss – und das in jeder Frage.
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LINKE Kontroverse um deutschen Marineeinsatz
Ist eine deutsche Fregatte sinnvoll und nötig, um die syrischen Chemiewaffen zu vernichten? Diese Frage beantworten LINKE Bundestagsabgeordnete unterschiedlich. Darin unterscheiden sie sich nicht von Aktiven der Friedensbewegung. Deshalb lohnt sich, auch nach der Bundestagsabstimmung das Pro und Contra weiter zu durchdenken.
„Herzlichen Dank für Deine erfreulich sachlichen Zeilen ... So stelle ich mir überhaupt den Meinungsstreit vor“, schreibt Paul Schäfer an Wolfgang Gehrcke (den ganzen Brief lesen). Der ehemalige verteidigungs- und abrüstungspolitische Sprecher der LINKEN Bundestagsfraktion hatte in einem offenen Brief für ein Ja zum deutschen Marineeinsatz im Mittelmeer zwecks Begleitschutz bei der Chemiewaffen-Entsorgung geworben (Paul Schäfers Brief an die Linksfraktion).
Wolfgang Gehrcke hat ihm widersprochen (Antwortbrief an Paul Schäfer), nicht ohne eingangs festzuhalten: Die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE seien sich „völlig einig, dass die syrischen Chemiewaffen entsorgt werden müssen und dass Deutschland sich an der Zerstörung der Kampfstoffe und der Entsorgung der Reststoffe beteiligen soll. Die Gesellschaft zur Entsorgung chemischer Kampfstoffe und Rüstungs-Altlasten (GEKA) in Munster ist dafür höchst geeignet“. Strittig ist der zusätzliche Einsatz eines deutschen Militärschiffes.
Einige Argumente aus dem Briefwechsel:
Paul Schäfer: "Nun soll zusätzlich die Fregatte Augsburg zum Schutz des US-Schiffes, auf dem die Zerstörung der chemischen Waffen stattfindet, in Marsch gesetzt werden. Was ist daran verwerflich? Wer A sagt, muss auch B sagen. Wenn wir die Abrüstung chemischer Waffen aus Syrien für richtig halten und sich Deutschland aktiv daran beteiligt – weil es dafür Kapazitäten hat – dann kann man sich kaum verweigern, wenn es um den Transport dieser tödlichen Substanzen oder die Absicherung dieses Prozesses geht. (...)" (lesen Sie Paul Schäfers Brief hier)
Wolfgang Gehrcke antwortet Paul Schäfer
Ich finde eine Unterscheidung zwischen den LINKEN Abgeordneten danach, dass die Einen mehr abrüstungsorientiert seien und deshalb für ein Ja zur Bereitstellung der Fregatte Augsburg tendieren würden, und die Anderen mehr friedensorientiert seien und dies eher ablehnen würden, schlichtweg falsch. Über die Dialektik von Frieden und Abrüstung, lieber Paul, hatten wir beide ganze Bücher geschrieben, darunter übrigens ein sehr schönes Schwarzbuch zur neuen Bundeswehr. (...) ... die Antwort weiterlesen
Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr. Damit kannst du in der Tat ein Nein zur Fregatte Augsburg begründen und dies prinzipiell. Das wäre eine stringente Position, die man erörtern müsste, ... Ich halte eine solche Position nicht für politisch gangbar und auch moralisch fragwürdig: Die Meinung, Blauhelmmissionen, die sinnvoll sein können (s. Rwanda), sollen gefälligst die Bangladeshis machen halte ich nicht für richtig ... (... weiterlesen)
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Liebe Freundinnen und Freunde,
diese Diskussion wird weiter gehen, nicht nur zwischen Wolfgang Gehrcke und Paul Schäfer. Wir laden ausdrücklich alle Interessierten dazu ein.
Als "Strafsache gegen Mulka u. a." begann Ende 1963 der erste Frankfurter Auschwitzprozess. 20 Monate Lang brachten 360 Zeugen, darunter über 200 ehemalige Häftlinge, die Verbrechen im Vernichtungslager Auschwitz ans Licht der Weltöffentlichkeit. Im bleiernen bundesdeutschen Schweigen über die Verbrechen des Faschismus waren die Frankfurter Auschwitzprozesse ein Lichtblick, sie wurden zu einem Lehrstück juristischer Geschichtsaufarbeitung. Doch 50 Jahre später gilt noch und wieder Bert Brechts Mahnung:
"Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch."
Am Samstag, 3. Mai 2014, in Kassel, Haus der Kirche - Wilhelmshöher Allee 330 - 16 bis 19 Uhr.
(detaillierte Informationen folgen hier ...)
Gruß von Lenin
In Moskau bin ich, schreibt Wolfgang Gehrcke, wie immer am Grab von Clara Zetkin an der Kremlmauer und bei Lenin im Mausoleum vorbei gegangen. Dieses Mal kamen mir Lenins Gedanken zum Kompromiss aus „Der ‚linke Radikalismus’, die Kinderkrankheit im Kommunismus“ in den Sinn. Dort geht Lenin davon aus, dass vor und auch nach ihrem politischen Sturz die Bourgeoisie stärker sei als das Proletariat.
„Einen mächtigeren Gegner kann man nur unter größter Anspannung der Kräfte und nur dann besiegen, wenn man unbedingt aufs angelegentlichste, sorgsamste, vorsichtigste, geschickteste sowohl jeden, selbst den kleinsten „Riß“ zwischen den Feinden, jeden Interessengegensatz zwischen der Bourgeoisie der verschiedenen Länder, zwischen den verschiedenen Gruppen oder Schichten der Bourgeoisie innerhalb der einzelnen Länder als auch jede, selbst die kleinste Möglichkeit ausnutzt, um einen Verbündeten unter den Massen zu gewinnen, mag das auch ein zeitweiliger, schwankender, unsicherer, unzuverlässiger, bedingter Verbündeter sein. Wer das nicht begriffen hat, der hat auch nicht einen Deut vom Marxismus und vom wissenschaftlichen, modernen, Sozialismus überhaupt begriffen.“
Lesen Sie hier aus dem "Reisetagebuch" - Auf Friedensmission in Moskau und Meinst Du, die Russen wollen Krieg?
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Es ist noch nicht lange her, da waren deutsche Medien voll des klatschenden Beifalls für Demonstranten, da gab es Bestnoten für Barrikaden und EU-Außenminister flogen nach Kiew um den revoltierenden Massen die Hände zu schütteln. Nun wird man EU-Außenminister in der Ostukraine nicht unbedingt vermissen, aber es wäre ein Gebot der Fairness wenn man die russisch sprechenden Ukrainer - die jetzt auch demonstrieren, bisher ohne Barrikaden und ganz sicher ohne Nazi-Begleitung - mit neutralem Interesse begleiten würde. Aber irgendwie ist das Gleiche nicht das Selbe.
Termine
14. April 2014 - Berlin,
Informations- und Diskussionsveranstaltung der Hellen Panke e.V.
"Brauchen wir eine neue Ostpolitik?" mit Wolfgang Gehrcke (MdB) und Erhard Crome (RLS)
17. April 2014 - Darmstadt,
Diskussionsveranstaltung "Die Ukraine, die Krim, Russland, Deutschland und Europa" mit Wolfgang Gehrcke