Ça ira Nr. 133: US-Wahlen: Genau hinsehen – analysieren – schlussfolgern (9.11.2016)

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US-Wahlen: Genau hinsehen – analysieren – schlussfolgern


rät Wolfgang Gehrcke

Trump hat die Präsidentschaftswahlen in den USA gewonnen, mit einer deutlichen Mehrheit der Wahlmänner am Ende. Die Reaktion des politischen Establishments in Europa ist verwundert, entsetzt und verharmlosend. Auf der linken Seite sind aber Analyse und Nachdenken angesagt.

Wie kommt es, dass ein mehrfacher Milliardär bei vielen Wählerinnen und Wählern als Vertreter der Unterschichten wahrgenommen und akzeptiert wird? Seine „Wahlkontrahentin“ hingegen, – zu Recht verhasst bei vielen Wählerinnen und Wählern – war nicht das „kleinere Übel“, sondern der Ausdruck des korrupten Establishment.

Was sagt die Dialektik: ‚Jedes Ding geht mit seinem Gegenteil schwanger.‘
Die Ergebnisse der Wahlen (auch im Abgeordnetenhaus und im Senat gibt es eine republikanische Mehrheit) sind erschreckend, die Motive der Wählerinnen und Wähler sind es nicht. Aber gerade die deutschen Erfahrungen zeigen nachdrücklich, dass man auch aus Protest gegen Ungerechtigkeit und Benachteiligung Furchtbares anrichten kann. Trump ist kein Nazi, um das deutlich zu sagen, aber seine Politik ist rassistisch, sexistisch und im Widerspruch zu seiner Wahrnehmung ist er ein Mann des großen Geldes. ...

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Was ist denn da passiert?


fragt Harri Grünberg

Es war in den USA eine Wahl des platten Landes gegen die Wallstreet und gegen die Globalisierung. Trotz seiner rassistischen und sexistischen Aussagen wurde Trump gewählt, und zwar von einer breiten Bewegung, die aus Prekariat und der Arbeiterklasse, aus den industriell abgehängten Regionen und den mittleren und kleineren Unternehmern bestand. Die Huffington Post kam mit einem interessanten Artikel „ Why Small Business Owners Are Backing Donald Trump“ zum Kern des Programms von Trump, das auf die Stärkung der kleineren und mittleren Unternehmen sowie der noch existierenden Industriestandorte ziele. Keine industrielle Arbeitsplätze sollen mehr ins Ausland verlegt werden. Er fordert eine drastische Steuersenkung von 35 auf 15 %, was seinen Bekundungen zufolge ermöglichen soll, in den kleineren und mittleren Betrieben den Mindestlohn anzuheben - 7,50 US$ wie gegenwärtig bedeutet Armut. Aus marxistischer Sicht ist Trump Vertreter einer anderen Fraktion des Kapitals, die unter der Macht der Wallstreet stöhnt.

Eine solche klassenübergreifende Bewegung, die auch noch die kleinen Farmer mit einschließt, hat einen Triumpf über die Kandidatin Wallstreet Kandidatin errungen. So wird dies auch von den Trump-Anhängern gefühlt. Ob aus seinen sexistischen und rassistischen Äußerungen im Wahlkampf auch Regierungshandeln erwächst, bleibt abzuwarten. Bei seiner Siegesrede hat er zumindest gesagt, er wolle der Präsident aller Amerikaner aller Rassen und Ethnien sein, aus denen sich die Nation zusammensetzt. Er hat erklärt, dass für ihn die Wiederherstellung der Infrastruktur und des produzierenden Amerikas im Mittelpunkt steht. Sollte er solche Linie konsequent durchsetzen, brächte ihn das zwangläufig in einen Konflikt mit der Wall Street. Tut er es nicht, kommt er in Konflikt mit der breiten Bewegung, die ihn getragen hat und auf die er sich in seiner Siegesrede als das Fundament seiner Handlungen berief.

Die Elite der republikanischen Partei und die Republikaner als Ganzes kamen kaum in seiner Rede vor. Er will sich auch künftig hauptsächlich auf die Bewegung stützen, die ihn gewählt hat.  Daher müssen auch wir uns fragen: kann es eine solche Option geben, dass sich die USA selbst von der Globalisierung abwenden? Was hätte dies dann für Auswirkungen auf die Debatten über Nationalstaatlichkeit oder Stärkung der EU. Welche Herausforderungen sehen die Linken für die eigene Politik in Deutschland? Müssen nicht auch wir uns im Wahlkampf  stärker an all jene wenden, die Träger eines antimonopolistischen Bündnisses sein könnten, damit wir den Unmut, der diesen Sieg von Trump auslöste, nicht rechten, reaktionären, nationalistischen Kräften überlassen.

 

Hysterie der Kriegstreiber


Reiner Braun über das brutalere Original

Was war das für eine Wahl: eine kriegstreibende Frau der Wall Street gegen einen neoliberalen Hetzer der Verantwortungslosigkeit. Die Enttäuschten und Getäuschten, die verunsicherten und „weißen“ Verlierer haben das brutalere Original gegenüber der Frau der Eliten und des Establishments gewählt.

Für alle friedliebenden und der Gerechtigkeit verbundenen Menschen kein Anlass, in die Hysterie derjenigen Massenmedien einzustimmen, die lieber ihr neoliberales Original hätten. Vielmehr eine Aufforderung zu überlegen, wie der weltweite Protest für Frieden, Umwelt und Gerechtigkeit jetzt erst recht und gemeinsam mit der Unterstützung vieler Freundinnen und Freunde in den USA weiter entwickelt werden kann. Wir können nur auf uns selbst und unsere Fähigkeiten zur Überzeugung und Begeisterung bauen. Frieden und Linke stehen vor einer riesigen Herausforderung, die nur gemeinsam bewältigt werden kann.

 

Worüber wurde in den USA sonst noch so abgestimmt?


Todesstrafe, Waffen, Marihuana

In Volksabstimmungen parallel zu den Präsidenten- und Kongresswahlen in den USA stimmten die Wähler am Dienstag über weitere, innenpolitisch wichtige Neuregelungen ab. Laut AFP hatten die US-Bürger insgesamt in mehr als 150 Referenden über Gesetzesinitiativen zu den unterschiedlichsten Themen zu entscheiden. Besonders bemerkenswert sind die Voten zur Todesstrafe, neben der Legalisierung von Marihuana «für den Freizeitgebrauch» in den US-Staaten Arizona, Kalifornien, Nevada und Massachusetts, also in künftig mindestens acht der 50 US-Staaten.

So wurde in Kalifornien aktuell ein Antrag auf Abschaffung der Todesstrafe abgelehnt. Dagegen wurde dort eine andere Initiative von den Wählern gebilligt, die darauf abzielt, den Vollzug der Todesstrafe zu beschleunigen. Die Todesstrafe ist in diesem bevölkerungsreichsten US-Staat seit zehn Jahren nicht mehr vollstreckt worden. Doch sitzen dort 740 verurteilte Häftlinge in den Todestrakten - mehr als in jedem anderen Bundesstaat. 
Auch in Nebraska und Oklahoma wurde über die Todesstrafe abgestimmt. In Nebraska stimmten die Wähler dafür, die dort im vergangenen Jahr abgeschaffte Todesstrafe wieder einzuführen. In Oklahoma votierten sie dafür, die Todesstrafe verschärft anzuwenden, indem sie in der Verfassung des Bundesstaates verankert wird.

In Colorado wiederum wurde eine Gesetzesinitiative gebilligt, wonach künftig die medizinische Sterbehilfe bei tödlich erkrankten Patienten in der Endphase ihres Lebens erlaubt sein wird. Ähnliche Gesetze sind bereits in den Staaten Kalifornien, Montana, Oregon, Vermont und Washington in Kraft.

In weiteren Referenden ging es um das Waffenrecht. In Kalifornien, bislang schon mit einem der striktesten Waffenrechte der USA ausgestattet, stimmten die Wähler dafür, dass künftig auch für den Erwerb von Munition eine Überprüfung des Käufers auf mögliche Vorstrafen erforderlich ist. In Nevada wurde eine Gesetzesinitiative gebilligt, die eine solche Prüfung vor dem Kauf von Waffen vorschreibt.