Ça ira Nr. 67 - Extra: 200. Geburtstag von Georg Büchner (15.11.2013)

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Friede den Hütten! Krieg den Palästen!

Georg Büchner zum 200. Geburtstag

Georg Büchner

Allgegenwärtig war in den letzten Wochen die Losung des Hessischen Landboten: "Friede den Hütten, Krieg den Palästen!". Sogar die Süddeutsche hat damit aufgemacht. Weil alle “irgendwie“ spüren, dass Büchner hoch aktuell ist? Gemeinsam mit der LINKEN in Hessen haben wir bei einer Veranstaltung Büchners Aktualität aufgeschlüsselt. Wir haben ihn aus den Feuilletons mitten in die Gesellschaft geholt und ihn befragt nach einer politischen Ästhetik und Strategie für eine Zeit, in der das Aufbegehren unter der Oberfläche des neoliberal entgrenzten Kapitalismus brodelt – und manchmal und mancherorts schon aufbricht.
Weil die Büchner-Veranstaltung am 31. Oktober in Frankfurt am Main so interessant war, widmen wir ihr diesen Ça ira - Extra und veröffentlichen die Beiträge.

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht

Wolfgang Gehrcke


Georg Büchner und Karl Marx:
Geistes- und Seelenverwandte

 

Georg Büchner und Karl Marx: Geistes- und Seelenverwandte

"Friede den Hütten - Krieg den Palästen", diese Losung des Landboten ist in unseren Tagen von brutaler Aktualität. Heute haben wenige Superreiche nicht der Armut den Kampf angesagt, sondern den Armen. In seinem Beitrag geht Wolfgang Gehrcke der Frage nach der Seelenverwandtschaft von Büchner und Marx nach: "Mit dem Profit in den Palästen wächst der Hunger in den Hütten, um im Bild Büchners zu bleiben. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren, 57 000 Menschen jeden Tag. Diesem Krieg der Paläste sagen wir den Kampf an. Dazu gehört Aufklärung, die Büchner im Landboten oder Marx in der Hegelschen Rechtsphilosophie betrieben haben: 'Man muss den wirklichen Druck noch drückender machen, indem man ihm das Bewußtsein des Drucks hinzufügt, die Schmach noch schmachvoller, indem man sie publiziert ... man muss diese versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zwingen, indem man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt.'" - Den Beitrag von Wolfgang Gehrcke lesen.

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Zwischen Niederlage und Befreiungshoffnung

 

David Salomon

"Wenn Büchner uns somit beinahe als Zeitgenosse erscheinen mag, so nicht zuletzt, weil wir mit dem Problem des Scheiterns selbst vertraut sind. Die Revolutionsgeschichte des 19. und 20. Jahrhundert muss auch uns Heutigen, die wir nicht bereit sind, ihren Erfahrungsschatz zur Gruselgeschichte aus ferner Zeit zu historisieren und die wir festzuhalten versuchen am mit ihr verbundenen Befreiungsversprechen, als unabgegolten erscheinen. Zugleich hat der neoliberale Kapitalismus, mit dem wir uns konfrontiert sehen, die Arbeiterklasse und ihre Bewegung erodieren lassen. Ist Woyzeck uns heutigen – angesichts einer zunehmenden Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen – nicht abermals vertraut?", fragt David Salomon in seinem Beitrag und stellt fest: "Die Klarheit und Schärfe, mit der Büchner das Unentschiedene jener Vormärz genannten Epoche in seiner Literatur gestaltete, kann noch immer als Maßstab für alle gelten, die die Verarbeitung des Vergangenen mit dem Kampf um die Zukunft zu verbinden suchen." - Den Beitrag von David Salomon lesen.

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Aufruf zur Auflehnung
Büchner adaptiert: Der Hessische Landbote 2013

Der Hessische Landbote 2013 von Bernd Heyl, Hagen Kopp, Martin van de Rakt, Edwin Schudlich, Franz Segbers, Edar Weick, Helmut Weick und Eva Zinke. Peter-Grohmann-Verlag, Stuttgart.

Eine Rezension für HLZ - Mitgliederzeitschrift der GEW Hessen von Christiane Reymann.

 

Christiane Reymann

"Wie in Büchners Schrift, bleibt auch Der Landbote 2013 nicht bei der Anklage stehen. Er wendet sich an Akteure gesellschaftlicher Veränderungen, hier: „Ihr Menschen in Hessen!“, das jeden Abschnitt einleitet, oder Occupy, Blockupy, Initiativen, Bewegungen, Gewerkschaften, und entwirft die Vision einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, „die auf einen staatlichen Herrschaftsapparat nicht mehr angewiesen“ ist. Diese Botschaft zu verstehen, setzt lediglich die Bereitschaft voraus, sich auf radikale Gesellschaftskritik einzulassen." - Die Rezension von Christiane Reymann lesen.

Der Hessische Landbote 2013 kann hier online gelesen werden!

 

Zum weiterlesen:

Aufgrund seines kurzen Lebens - Georg Büchner wurde nur 23 Jahre alt - konnte Büchner nur wenige Texte schreiben, die aber von umso größerer Bedeutung sind. Dazu zählen u.a. Der Hessische Landbote (Flugschrift, 1834), Dantons Tod (Drama 1835) und Woyzeck (Dramenfragment, 1837).
An dieser Stelle noch ein Hinweis auf zwei aktuelle und lesenswerte Publikationen, die sich mit Georg Büchner beschäftigen:

Frank Deppe: Frühsozialistische Themen im „Hessischen Landboten" von Georg Büchner, in „Z“-Zeitschrift marxistische Erneuerung, Nr. 95.

In der lange zurückreichenden Tradition revolutionärer Schriften verortet Frank Deppe in diesem Artikel Georg Büchners Hessischen Landboten und analysiert die in ihm enthaltene radikale Sozial- und Staatskritik. Die politischen Forderungen des Landboten, ein radikales Programm der Demokratie, werden im Umfeld des frühsozialistischen Denkens diskutiert und im Rahmen der großen politischen und sozialen Umwälzungen im Gefolge von Industrialisierung und französischer Revolution kontextualisiert. Abschließend wird die Frage nach der Aktualität des Landboten gestellt.

Brigitte Forßbohm: Von Hütten und Palästen. Georg Büchner und sein politisches Umfeld in Hessen, Wiesbaden: Edition 6065.

Louis Büchner nannte seinen älteren Bruder Georg „mehr Socialist als Republikaner“. Louis und Alexander, ein weiterer Bruder Georgs und Louis, gehörten, wie auch Wilhelm Liebknecht, späterer Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Weggefährte von Karl Marx und Friedrich Engels, zu den Aktivisten der 1848er Revolution in Hessen. Wilhelm Liebknechts Großonkel wiederum war Friedrich Ludwig Weidig, der mit Georg Büchner den Hessischen Landboten geschrieben und verbreitet hatte.
Im Buch von Brigitte Forßbohm werden Einflüsse und Impulse Georg Büchners auf die politischen Bewegungen im 19. Jahrhundert herausgearbeitet. Dabei werden Zusammenhänge zwischen den Oppositionsbewegungen des Vormärz, der Revolution von 1848 und der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts hergestellt.

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Termine

18. November 2013, Berlin

Sondersitzung Deutscher Bundestag wegen NSA-Spähaffäre

 

 

23./24. November 2013, Berlin

PV-Sitzung

25. November 2013, Berlin

Internationale Kommission der Partei DIE LINKE

25. bis 29. November 2013 – Sitzungswoche Bundestag