Griechenland und die kriminelle Politik des IWF
Solidarität auch im Bundestag
Der 20. Juni ist der Weltflüchtlingstag und in diesem Jahr zugleich der Auftakt der Griechenland-Solidaritätswoche, ausgerufen vom Weltsozialforum. Also: Raus auf die Straßen gegen die Verarmungs- und Abschottungspolitik in Europa!
Solidarität übt DIE LINKE auch im Parlament. Solidarität, auch mittels eines Entschließungsantrages zur Regierungserklärung der Kanzlerin vom 18. Juni. Neben scharfer Kritik an der von Deutschland mit forcierten Austeritätspolitik fordert sie: Bis zu einer generellen Einigung über neue und andere Kreditvereinbarungen, sei „über den 30. Juni 2015 hinaus ein zeitlich befristeter Brückenkredit ohne austeritätspolitische Auflagen zu gewähren...“ Und: „Notwendig ist jetzt ein Schuldenmoratorium für Griechenland.“
Gregor Gysi hielt eine viel beachtete Rede in der Debatte, in der übrigens nicht die Kanzlerin die Scharfmacherin war. Diese Rolle hat vielmehr die SPD übernommen, nachdem Siegmar Gabriel am Wochenende im BILD-Interview die krude Linie vorgegeben hatte. Danach wäre ein Erfolg der Syriza-geführten Regierung im Streit mit den Institutionen „kein Sieg der Linken, sondern der rechtsextremen Nationalisten... Geradezu ein Aufbruchssignal für die Rechtsradikalen wie Le Pen in Frankreich.“ Deshalb, so Gabriel, werden „wir“ (wer ist das wir?) „nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen“. Getreulich widerholte der SPD- Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann im Bundestag: „Wir lassen uns nicht erpressen. Das wäre nur ein Signal an rechtspopulistische Parteien in Europa nach dem Motto: Nationaler Egoismus ist erfolgreicher, je aggressiver er vorgetragen wird.“ Und er kritisierte Diether Dehm, der in einem Zwischenruf unterstrich: ja, der IWF verübe „finanzpolitischen Massenmord“. Das wiederum gab Diether die Möglichkeit zu einer tollen Kurzintervention und LINKEN Abgeordneten zu der eindrucksvollen Aktion, die auf obigem Foto zu sehen ist.
Nicht weiter so
Zum Parteitag der LINKEN
Die Idee klang verlockend: Endlich ein Parteitag ohne zeitaufwändige Wahlen zum Parteivorstand, zur Europa-Parlaments-Liste, noch nicht einmal ein Bundestagswahlprogramm musste verabschiedet werden. Ein Parteitag also, auf dem die LINKE ohne Druck ihr politisches Profil und ihre Strategie aktualisieren, ihre Wirkung in die Gesellschaft hinein überprüfen, verbessern und ihre Widersprüche miteinander hätte austragen können. Stattdessen zeigte er starke Tendenzen zur Entpolitisierung und Entdemokratisierung. Hinzu kommt, das Konzept des Parteitags war ohne zündende Idee, es glich eher einer Stopfgans.
Was ist knapp zwei Wochen nach Bielefeld hängen geblieben? Bei mir: Die Entscheidung von Gregor Gysi, im Oktober nicht mehr zum Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Nicht, weil sie mich überrascht hätte. Aber erst als sie ausgesprochen wurde, ist mir völlig bewusst geworden, damit ist eine Epoche für die Entwicklung der Linken in Deutschland zu Ende gegangen, für die Linke insgesamt, nicht nur für die gleichnamige Partei. Ich habe lange mit Gregor zusammen gearbeitet, seit 1989 in den Wirren der Wende (zu wenige) Linke aus Ost und West aufeinander zugingen. Bald war ich Bundesgeschäftsführer der PDS, er Vorsitzender, ich dann sein Stellvertreter, eine ähnliche Konstellation wie jetzt in der Bundestagsfraktion. Wie oft habe ich ihm widersprochen, mich von ihm überzeugen lassen, ihm Beifall geklatscht, mich über ihn geärgert – Leute, die mir gleichgültig sind, schaffen es nicht, mich zu ärgern. In all diesen Jahren hat er unendlich viel dazu beigetragen, dass der in Deutschland West so tief verankerte Antikommunismus ein stückweit zurückgedrängt worden ist. Ohne ihn, maßgeblich mit Oskar Lafontaine zusammen, ein geniales Duo, hätten wir heute nicht DIE LINKE. Bei aller Extrovertiertheit hat Gregor eine weiche, eine mitfühlende Seite: Er ist auch immer Anwalt der Ostdeutschen und in Gesamtdeutschland der Menschen, die sich nicht allein wehren können, ein Freund vieler linker Bewegungen und Regierungen in Lateinamerika, interessierter Kenner der Probleme in Nahen und Mittleren Osten, ein Mensch mit einem offenen Herzen für die Osteuropäer und für Russland.
Die Rede von Gregor Gysi mit, um ein großes Wort zu benutzen, seinem Vermächtnis, ist mir also in Erinnerung geblieben. Sie war wichtig und unbedingt der Auseinandersetzung wert. Leider bot dazu der Parteitag keine Gelegenheit, doch genau dort hätte sie hingehört.
Was war noch? Ach ja, es ist ein Leitantrag verabschiedet worden, der weder für die Partei noch für die Öffentlichkeit eine Rolle spielt, Kommunalpolitik wurde diskutiert, die bereits angelaufene Kampagne „Das muss drin sein“ beklatscht, das Grundeinkommen wurde hauptsächlich auf der Bühne besprochen...Überhaupt nahmen die „gesetzten Beiträge“ von als führend angesehenen Genossinnen und Genossen bald mehr Raum ein, als die Debatten der gewählten Delegierten. Für die eigenständigen Anträge der Parteibasis war kein Platz, sie wurden allesamt an den Parteivorstand überwiesen. Die Delegierten waren nicht der Souverän des Parteitags, ihnen wurde etwas mit- und zugeteilt. In dieser Art unter den Tisch gefallen ist auch der von mir und 110 Delegierten eingebrachte Antrag zur Ukraine und guten Nachbarschaft mit Russland. Es bleibt das schale Gefühl: Ein Parteitag vertaner Chancen.
Denn „unsere“ Themen prägten und prägen die öffentliche Debatte: Griechenland, Russland/Ukraine/Kriegsgefahr, Freihandelsabkommen, die Serie von Streiks in Kitas, Post, Bahn. Im Vorfeld von Bielefeld aber war von der Parteileitung die Losung durchgestellt: Dieses Mal machen wir einen Parteitag zu sozialen Fragen und nicht zur Außenpolitik. Indem alles „Außenpolitische“ angestrengt, krampfhaft, mit Verfahrentricks und unschönen Begleiterscheinungen außen vor gehalten wurde, hat dieser Parteitag zugleich eine Ab- und Ausgrenzung, eine Trennung vollzogen von der sozialen und der Friedensfrage oder: der sozialen Frage im Inneren und der Frage von Gerechtigkeit und Frieden nach außen. Strategisch wäre eine derartige Ab-Trennung verheerend, folgenschwer auch, wenn sie nur Kurzsichtigkeit geschuldet wäre. Denn in tatsächlichen Bewegungen ist die Möglichkeit angelegt, endlich soziale Kämpfe – die beginnende Streikbewegung in Deutschland, die Massenproteste für globale Gerechtigkeit, gegen TTIP, der Kampf gegen Privatisierung, auch um Commons und Gemeineigentum - und die Friedensfrage zusammenzubringen. Auch für den Klassenkampf gilt: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.
Wir brauchen dringen Re-Politisierung und Re-Demokratisierung. Ohne sie können wir nicht die Gesellschaft politisieren und demokratisieren und nicht uns selbst und andere mobilisieren.
Wolfgang Gehrcke
Hallo Sahra, hallo Dietmar
Nun ist es offiziell: Sahra und Dietmar sollen ab Oktober die Doppelspitze der Bundestagsfraktion bilden. Das finde ich nicht nur gut, es entspricht meinem Wunsch und etwas Neues deutet sich an jenseits der plakativen Stereotype, mit denen die zwei bedacht werden. Sahra Wagenknecht ist weder die Fundamentaloppositionelle noch Dietmar Bartsch der ostdeutsche Pragmatiker. Sahra ist Politikerin durch und durch, d.h. sie ist auch pragmatisch und steht für eine Praxis, die theoretisch begründet und durchdacht ist. Dietmar verliert sich nicht in Taktik, er denkt strategisch, er opponiert verlässlich gegen eine Kriegs-, Großmacht- und eine Politik, die im Inneren und Ausland die Reichen reicher und die Armen ärmer macht. Beide haben auf ihre je eigene Art einen guten Draht zur Partei und viele Fäden in die Gesellschaft. Die zwei sind schon jetzt über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Das Neue an dieser konkreten Doppelspitze könnte sein, den notwendigen Meinungsstreit miteinander und nicht gegeneinander zu führen als gute Grundlage für eine demokratische wie entschlossene Leitung der Bundestagsfraktion. Hallo Sahra, hallo Dietmar: Auf gute Zusammenarbeit!
Euer Wolfgang
Eine bemerkenswerte französische Stimme zur Ukrainefrage
Der Juni 2015 ist erst zur Hälfte vorbei, und doch scheint schon jetzt klar zu sein, dass dieser Monat als besonders kriegerisch ins Jahr 2015 eingehen wird. Die NATO führt in Osteuropa unter dem Namen „Allied Shield“ eine Serie von Übungen durch. Zu ihr gehört „Saber Strike“, deren aktive Phase in Polen begann. Hauptziel des Manövers sei es, so die Bundeswehrmitteilung, die Koordinierung der Kampfhandlungen im Rahmen von internationalen NATO-Einsätzen zu trainieren. Begonnen hat auch das Manöver „Noble Jump“ der neuen „Schnellen Eingreiftruppe“ unter Führung des deutschen Militärs. Diese „Speerspitze“ sei besonders scharf, lobt euphorisch die deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen. Zu den NATO-Kriegsübungen nahe Russland gehören weiterhin die Manöver „BALTOPS“ und „Trident Joust“. Insgesamt sind an dieser Manöverserie „Allied Shield“ mehr als 10.000 Soldaten beteiligt.
Während einer Waffenschau in Russland sagt Präsident Putin, Russland werde vierzig neue Interkontinentalraketen in Dienst stellen, Raketen, die jeden „Raketenschutzschirm“ überwinden könnten. Die EU-Staaten, so wurde gezielt mitgeteilt, seien sich einig, beim nächsten Gipfeltreffen die „Sanktionen“, also den Wirtschaftskrieg gegen Russland bis Januar 2016 zu verlängern. Und in der Ostukraine flammen wieder heftige Kämpfe auf. Minsk II droht zu scheitern.
Da verdient eine französische Stimme zur Ukrainefrage eine besondere Beachtung.
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Auf dem Wege
Zur bevorstehenden Reise des Außenministers Steinmeier nach Kuba
Mit Bundesaußenminister Steinmeier, den ich begleite, besucht erstmalig ein deutscher Außenminister Kuba. Dieser Besuch kommt spät, aber er kann neue und bessere Beziehungen zwischen der Republik Kuba und der Bundesrepublik Deutschland einleiten.
Die Linke fordert, dass eine neue Kubapolitik sich auf der Grundlage von gleichberechtigten Beziehungen und auf gleicher Augenhöhe gestaltet und sich im gegenseitigen Respekt entwickelt. Die Souveränität Kubas muss respektiert werden.
Eine deutliche Veränderung der bisherigen Kuba-Politik wäre die Verabschiedung einer seit langem zwischen Kuba und Deutschland verhandelten gemeinsamen Erklärung, die auf dem Prinzip der Anerkennung der Souveränität und der Nicht-Einmischung entsprechend des Völkerrechts fußt. Das wäre die prinzipielle Grundlage einer neuen Kuba-Politik.
Darüber hinaus sind handels- und wirtschaftspolitische Veränderungen unverzichtbar. Deutschland kann eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Stärkung der wirtschaftlichen Basis des sozialistischen Kubas spielen