Ça ira Nr. 146: Sozialstaat oder Rüstungsstaat? (19.6.2017)

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Editorial


Wovon kann man träumen?

Deutschland muss abrüsten. Die LINKE ist eine Partei der Abrüstung. Das steht zweifelslos fest. Die konkurrierenden Parteien SPD, Grüne und CDU/CSU verweigern sich im Kern einer tatsächlichen Abrüstungspolitik. In ihrem Wahlprogramm spricht die SPD von Abrüstung, um im Allgemeinen und Belanglosen stehen zu bleiben. Schade, mehr wäre drin gewesen.

Die LINKE will Abrüstung zu einer wahlentscheidenden Frage machen, das kann auch gelingen, weil die Mehrheit, teilweise die große Mehrheit der Bevölkerung in unserem Land gegen deutsche Kriegseinsätze, gegen Russlandhetze und gegen Aufrüstung eingestellt ist. Das ist ein großer Fortschritt. Die Bevölkerung ist reifer, klüger, vorausschauender als die Mehrheiten im Bundestag. Hoffentlich bleibt es so. Bleibt die Frage: Wie ist eine solche Politik durchzusetzen?

Die längst fällige Initiative, ob gleichgeschlechtlich lebende Paare heiraten können oder nicht, ist unter wahltaktischem Druck vom Bundestag in letzter Minute mit einem neuen Gesetz beantwortet worden. Die Ehe für Alle ist möglich.

Gleichheit, Freiheit und Frieden:  auf allen diesen Feldern ist die LINKE engagiert. Die Geschichte des Kampfes gegen Diskriminierung auf Grundlage der sexuellen Orientierung hat auch in der Linken eine lange Vorgeschichte. Es sei nur daran erinnert, dass der Kampf gegen Diskriminierung und Unterdrückung der jeweiligen sexuellen Orientierung Teil des antifaschistischen Kampfes war. Viele Schwule sind von den Nazis hingemordet und in die KZ´s gebracht worden, eben weil sie schwul waren. Nach 1945 war dies nicht vorbei. Der unselige Paragraph 175 hat viele Männer in die Gefängnisse gebracht. Noch viel schlimmer – und gesellschaftlich als Hexen diskriminiert – ist mit Frauen umgegangen worden. Strafbarkeit von gleichgeschlechtlicher Orientierung gab es im Westen und im Osten. Allerdings hat der Osten früher damit Schluss gemacht, was aber als Entschuldigung nicht taugt.

So wünsche ich mir die LINKE. Klar und eindeutig in der Friedensfrage, hart im Kampf um globale soziale Gerechtigkeit und sensibel im Kampf um Gleichheit. Dass es in dieser Frage ein gemeinsames Vorgehen von Rot-Rot-Grün gegeben hat, ermuntert mich zum Träumen, dass dies auch bei anderen Fragen möglich ist. Lenin hat immer gefordert, dass Revolutionäre träumen können müssen. Es müssen ja nicht Albträume sein.

 

Ballade vom Edelweißpiraten Nevada-Kid


Franz Josef Degenhardt

Edelweißpiraten ? so nannten sich in den dreißiger, vierziger Jahren Gruppen von Jugendlichen, die gegen die Nazis standen. Einige von ihnen bekämpften das Terror-Regime mit der Waffe. Die meisten wurden von der Gestapo entdeckt, gefoltert und hingerichtet. Nur wenige entkamen. In meiner Gegend nannten sich die Edelweißpiraten Navajos. Sie trugen unter dem Hemdenkragen das aus Horn geschnitzte Edelweiß, gaben sich Namen von Indianern und alten Trappern und hatten als geheimes Erkennungszeichen einen Pfiff ? den Refrain eines Soldatenliedes, das damals gebrüllt wurde, und heute immer noch gebrüllt wird. Aber die letzten Töne wurden quer gepfiffen.

Ich pfeife Dir den alten Pfiff am Grab und nenn' Dich Kamerad.
Du nanntest Dich Nevada-Kid und warst ein Edelweißpirat.
Den Namen weiß heut' keiner mehr. Sie nennen Dich die schwule Sau,
den Säufer, der Verräter war und stehn am Tresen, fröhlich blau.
Die Stadt riecht immer noch nach Ruß. Die Mauersegler fliegen noch.
Du träumtest Dich mit ihnen weg Nevada - zu den Navajos.
Den abgestoppten Rumba-Schlag auf der Gitarre konntest Du.
Die Tresen-Clique weiß von nichts ist fröhlich, manchmal schlägt sie zu.
Es war ein Edelweiß ...

Im Trommler- und Fanfarenzug der Hitlerjugend zogst Du mit.
Und bei dem schrägen Heldenlärm trommeltest Du gegen den Tritt.
Und als man beim Geländespiel Dich nackt im Heu mit Dieter fand
da hat die Horde Euch mit Teer das Schwulenzeichen eingebrannt.
Den Hordenführer gibt es noch. Der leitet eine Klinik jetzt.
Als Ihr das Werkheim der SS gesprengt habt, blieb der unverletzt.
Deinen Steckbrief hast Du später oft gezeigt. Du trugst ihn immer mit:
Gesucht wird wegen Hochverrat ... sein Deckname: Nevada-Kid.
Es war ein Edelweiß ...

Dann ging der Munitionszug hoch, das Vorratslager voll Benzin.
Sie kriegten Euch und hängten fünf. Du konntest zu den Amis flieh'n.
Und als der Krieg zu Ende kam an einem Montagfrüh im Mai,
fuhrst Du in einem offenen Jeep in unsere Stadt und schlugst dabei
die Klampfe - Deinen Rumba-Schlag. Die Mauersegler schrien hell.
Für eine Zeitlang warst Du Held, dann warst Du wieder kriminell:
Zu warm Dein Freund, zu kalt der Krieg. Dann saß't Du wiedermal im Knast
und ein Gericht entschied, daß Du noch schlimmer wie die Nazis warst.
Es war ein Edelweiß ...

In dieser Stadt, in diesem Land macht der sein Glück, der schnell vergißt,
was früher war, und der in seiner Clique fröhlich weiterfrißt.
Dies Grundgesetz begriffst Du nicht. Das ist auch schwer, alleingestellt
und immer auf der Suche nach dem einen Freund, der Wärme hält.
Hast Du den Säufer-Traum geträumt, weil Du ihn nicht gefunden hast?
Die Mauersegler träumen nicht - stand auf der Zellenwand im Knast.
Hier wird jetzt wieder viel geträumt und manchmal bis der Morgen graut.
Die Träume sind aus anderem Stoff und so wie damals schräg und laut.
Es war ein Edelweiß ...

Ich pfeife Dir den alten Pfiff am Grab und nenn' Dich Kamerad.
Du nanntest Dich Nevada-Kid und warst ein Edelweißpirat ...

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Sozialstaat oder Rüstungsstaat - eins geht nur!


Rede von Wolfgang Gehrcke in der Bundestagsdebatte zum Thema Abrüstungspolitik am 29. Juni 2017

Wolfgang Gehrcke sprach am vorletzten Sitzungstag des Bundestages vor der Sommerpause. Er begründete nochmals den seit 21. Juni 2017 dem Bundestag vorliegenden Antrag DER LINKEN "Abrüstung jetzt und hier beginnen". 
Der ganze Redebeitrag ist im Wortlaut und als Video im untenstehenden Link zu finden. 

Hier zunächst Auszüge aus der Rede Wolfgang Gehrckes, seiner vermutlich letzten in dieser Legislaturperiode, mit der er sich vom 18. Deutschen Bundestag verabschiedet hat: 

" ... Die eigentliche Frage, die man sich stellen muss, lautet: Wollen wir einen Sozialstaat und alles, was wir leisten können, einbringen, um einen Sozialstaat aufzubauen, oder wollen wir einen Rüstungsstaat? Beides zusammen geht nicht. Kanonen und Butter hat es zusammen nie gegeben, man hat sich immer entscheiden müssen. Meine Entscheidung und die Entscheidung meiner Fraktion ist völlig klar: Wir wollen alle Kräfte im Sozialen verstärken, und deswegen wollen wir raus aus der Spirale der Rüstung.
...
Ein Wahlkampf, der sich um die Frage der Abrüstung dreht, ist für mich etwas Konstruktives in diesem Land.
Mein Wunsch war es immer, persönlich und in der Fraktion dazu beizutragen, dass um Frieden weltweit gekämpft wird - in den Parlamenten, aber auch auf den Straßen und Plätzen, auf internationalen Treffen. Es hat immer eine Chance gegeben, aus Gewalt und Krieg herauszukommen und eine Friedenspolitik zu entwickeln. Eine Friedenspolitik braucht unser Land. Da kann man sehr viel bewegen, wenn man anderen Ländern Ängste nimmt und Vertrauen aufbaut.
Man baut eben kein Vertrauen auf, wenn man dabei bleibt, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben ... Um es einmal deutlich zu sagen: Das wären ungefähr 70 Milliarden Euro im Jahr, die dafür herausgeschmissen würden, um Leben zu vernichten ...
Meine Hoffnung ist, dass man nicht mehr auf die Gewalt der Waffen setzt. Ich bin sehr froh, dass es in unserem Land eine große Mehrheit gibt, die ein vernünftiges Verhältnis zu Russland will, die keine Auslandseinsätze der Bundeswehr will, die auf Abrüstung setzt. Ich wäre sehr froh, wenn man endlich aus den Menschheitsverbrechen des Faschismus lernen würde. Das heißt für mich: 6 Millionen Jüdinnen und Juden sind unter deutscher Verantwortung ermordet worden und 27 Millionen Bürger der Sowjetunion, die heute ja auf mehrere Staaten aufgeteilt ist. Vor diesem Hintergrund muss man aber etwas solider, kameradschaftlicher, zugeneigter mit diesen Ländern umgehen, mit Russland ebenso, wie es mit Israel geschieht. ...
Ich habe die Bundesregierung immer wieder gebeten: Macht uns die Russen nicht zu Feinden! Ich bin dafür, dass die Bundeswehr sofort aus Litauen abgezogen wird. Bundeswehr an der Westgrenze Russlands war für mich immer unvorstellbar.
Ich bin auch dafür und bitte Sie, darüber nachzudenken, wie man es hinbekommt, die Atomwaffen der USA aus Deutschland abzuziehen. ... Diese Atomwaffen müssen jetzt raus aus unserem Land. Das wäre eine Antwort an Trump, und das wäre ein politisches Signal.
... Ich bin dafür, dass sich dieses Parlament entscheidet, dass generell keine Kampfdrohnen von der Bundeswehr angeschafft werden dürfen. Das ist die nichtmilitärische Antwort.
Ich würde sehr gerne über die Möglichkeit reden, gleiche Sicherheit in Europa herzustellen. Gleiche Sicherheit heißt: Man braucht kein Raketenabwehrsystem. Das schafft gespaltene Sicherheit.
Ich bin dafür, dass wir uns klarmachen, dass Abrüstung Vertrauen braucht. Vertrauen ist die Währung der Abrüstung. Wenn man Vertrauen aufbauen will, muss man erst einmal selbst vorangehen, bevor man es anderen abfordert. Das heißt: Die NATO-Osterweiterung und die Sanktionen haben aus meiner Sicht Vertrauen in Russland zerstört.
Über eine gemeinsame europäische Sicherheit ist eigentlich nie ernsthaft verhandelt worden. Ich möchte, dass ernsthaft über ein europäisches Sicherheitssystem, das nichtmilitärisch ist und Russland einschließt, verhandelt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da das wahrscheinlich ... meine letzte Rede im Bundestag ist, sage ich: Ich vertraue mehr auf die Bevölkerung unseres Landes, die sich weiser erwiesen hat als dieses Parlament.
Ich bin aber auch der Auffassung, dass im Parlament Veränderungen denkbar sind. ... Es wird eine Hinwendung zu einer besseren kollektiven Sicherheit in Europa geben, wenn wir es nichtmilitärisch machen. Wir hätten gern, dass die NATO aufgelöst wird und dass sich die Europäische Union nicht militarisiert. Darüber sind die Meinungen sicherlich gespalten. Eine vernünftige Debatte dazu wäre es mir allemal wert.
...
Ich hoffe, dass am Ende eine vernünftige Politik im Interesse unseres Landes und Europas in Form einer weltweiten Friedensbewegung, die wir brauchen, zustande kommt.

Herzlichen Dank.

Es gab (auch) am Ende Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, aber auch des Staatsministers im Auswärtigen Amt Michael Roth, der später noch im Plenum zu Wort kam und seine Zusammentreffen mit Wolfgang Gehrcke anerkennend würdigte.

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"Abrüstung jetzt und hier beginnen"


Antrag der Fraktion DIE LINKE im Bundestag

Hier nochmals die Forderungen des Antrags zusammengefasst, der vollständig (mit seiner ausführlichen inhaltlichen Begründung) als Drucksache mit einem untenstehenden Link erreichbar ist.

Die Fraktion DIE LINKE forderte den Bundestag auf zu beschließen:

Der Bundestag wolle beschließen:
...
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

  1. statt einer Agenda der Aufrüstung der NATO ein Programm der Abrüstung aufzulegen. Als großes Land in der Mitte Europas hat Deutschland die Verantwortung, Entspannung und Vertrauens-bildung voranzubringen;
  2. die auf verschiedenen NATO-Gipfeln debattierte Orientierung, 2 % des BIP für Rüstung einzusetzen, abzulehnen;
  3. jegliche Exporte von deutschen Rüstungsgütern, inklusive Kleinwaffen, in die Länder außerhalb Europas sofort zu verbieten;
  4. einen umfassenden Plan für die Industrie-Konversion  zu erarbeiten, um ohne Verlust von Arbeitsplätzen den Ausstieg aus der Rüstungsindustrie einzuleiten, und einen entsprechenden Strukturwandel in Gang zu setzen;
  5. die Initiative für eine ständige Abrüstungskonferenz zu konventionellen und nuklearen Waffen in Europa im Rahmen der OSZE zu ergreifen; auf der Verhandlungen zu Truppenstärken, Waffenobergrenzen, Abstandsregeln und taktischen Atomwaffen mit Russland aufgenommen werden;  
  6. die Stationierung von Bundeswehreinheiten an den Westgrenzen Russlands sofort zu beenden. Deutschland wird sich nicht weiter an militärischen Manövern an den Grenzen Russlands beteiligen;
  7. die Stationierung von US-Atomwaffen auf dem Boden der Bundesrepublik und die Nukleare Teilhabe umgehend aufzukündigen;
  8. eine weitere Mitarbeit Deutschlands am Raketenschirm in Osteuropa einzustellen: Die Übernahme des Kommandos durch AIRCOM in Ramstein wird gestoppt und der Betrieb der Überwachungszentrale untersagt. Die Zahlung von finanziellen Projekt-Beiträgen wird eingestellt;
  9. sich sofort im Rahmen der Vereinten Nationen an den Verhandlungen über ein Verbot von Atomwaffen zu beteiligen und den rechtsverbindlichen deutschen Verzicht auf Atomwaffen zu bekräftigen. Die Bundesregierung wird an der nächsten Verbots-Verhandlungsrunde im Juni 2017 in New York konstruktiv teilnehmen;
  10. eine Initiative für ein völkerrechtlich bindendes Verbot von bewaffneten Drohnen, autonomen Waffensystemen und von atomwaffenfähigen Marschflugkörpern auf den Weg zu bringen;
  11. desgleichen Initiativen zur Eindämmung von Cyber Warfare zu unternehmen;
  12. den Etat des Verteidigungsministeriums 2018 in einem ersten Schritt um sechs Milliarden Euro zu kürzen. Die Beschaffung u.a. der Waffensysteme Korvette 130, der bewaffnungsfähigen Drohne Heron TP, des Kampfpanzer Leopard 2 (Nachlieferung), Transportpanzer Boxer, Airbus A400M sowie Mehrzweckkampfschiff 180, European Drone und Taktisches Luftverteidigungs-system MEADS sind zu streichen bzw. zu stoppen. Über diese Entscheidung hinaus wird Deutschland ab 2018 seine jährlichen Rüstungsausgaben um zehn Prozent senken.

(Der vollständige Antrag ist online verfügbar als registrierte Drucksache 18/12799 des Deutschen Bundestages.)

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Rüstung tötet auch im Frieden


Pressemitteilung von Wolfgang Gehrcke zum Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel am 29. Juni 2017

Wenn der Euro im Kasten klingt, die Aktie in die Höhe springt. Das könnte im Lutherjahr ein Motto des Treffens der NATO-Verteidigungsminister sein.

Es geht um Geld, und zwar um viel Geld. Die Ausgaben für Rüstung werden für fast alle NATO-Mitgliedsstaaten in die Höhe getrieben. Für Deutschland bedeutet das eine Steigerung von aktuell 43 Milliarden auf bis zu 70 Milliarden Euro, wenn an dem Zwei-Prozent-Ziel festgehalten wird. Deutschland wird über die nukleare Planungsgruppe in die atomare Rüstung der NATO eingebunden und soll an der aggressiven NATO-Ukraine-Politik an vorderer Stelle agieren. NATO bringt keine Sicherheit, sondern produziert mehr und mehr Unsicherheit. Es geht nicht nur um die Gefahr künftig drohender Kriege - diese Kriege finden bereits tagtäglich statt. Die aggressive NATO-Politik befördert kriegerische Konflikte. Statt auf die NATO und auf Geld für Aufrüstung muss Deutschland auf Abrüstung, Diplomatie und globalen sozialen Ausgleich setzen. Würde man das durch das Verteidigungsministerium letzte Woche freigegebene Geld von 13 Milli arden Euro zur Bekämpfung der Hungerkatastrophe in Ostafrika einsetzen, würde das die Chance aggressiver islamistischer Gruppen minimieren und zehntausenden Menschen das Leben retten. Die Friedensbewegung hat recht: Rüstung tötet bereits im Frieden.

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