Ça ira Nr. 131: Jede Stunde Waffenruhe kann der Konfliktlösung dienen (19.10.2016)

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"Jede Stunde Waffenruhe kann der Konfliktlösung dienen!"


Wolfgang Gehrcke in der Debatte zur Aktuellen Stunde im Bundestag über die Lage in Syrien und im Irak am 19.10.2016

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte sehr gehofft, dass wir gerade bei diesem Thema darauf verzichten, kleinkarierten Parteienhickhack hier vorzuführen.

(Dr. Karamba Diaby (SPD): Wer hat angefangen?)

„Wer hat angefangen?“, ist immer die falsche Frage.

(Lachen bei der SPD - Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Die arme Frau Hänsel!)

Die Rede von Kauder war so etwas von kleinkariert, bezogen auf die Situation, wie sie real ist.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wer für sich die menschliche Gerechtigkeit so vereinnahmt, der tut anderen nicht nur Unrecht, sondern sich selber auch keinen Gefallen, Herr Kauder. Das war weder menschlich gerecht noch politisch weit gedacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Meiner Fraktion und mir geht es eigentlich im Moment nur um eine Frage: Ich will, dass das Töten und Morden in Syrien aufhört.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Sagen Sie das Putin!)

Wenn nur eine Stunde Waffenruhe ist, dann wird in einer Stunde nicht getötet und nicht ermordet. Dann möchte ich diese Stunde wertschätzen und verteidigen.
Ich bin froh, dass nach drei Jahren der russische Präsident in Berlin ist. Es war schon längst fällig, ihn hierher einzuladen. Ich bin unbedingt dafür, dass man mit ihm darüber redet, wie man den stundenweisen einseitigen Verzicht auf Waffeneinsatz, auf Luftangriffe in Syrien zu einer dauerhaften Waffenruhe ausweitet.

Weiter geht es hier zum vollen Wortlaut der Debatte und zum Video-Mitschnitt hier:

 

„Ich will, dass das Töten aufhört“


Russland trägt nicht die alleinige Verantwortung

Die Süddeutsche Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 20.10.2016 über die Debatte im Bundestag und zitiert Wolfgang Gehrckes eindringlichen Appell: „Ich will, dass das Töten aufhört“:

Im Bundestag forderte Linken-Politiker Wolfgang Gehrcke die Bundesregierung auf, sich mit Putin auf eine Waffenruhe zu einigen. Zuletzt hatten Russland und das Assad-Regime in der Gegend um Aleppo eine einseitige Feuerpause ausgerufen, Bemühungen um eine dauerhafte Waffenruhe aber waren immer wieder ins Stocken geraten. "Ich will, dass das Töten aufhört", sagte Gehrcke. Selbst, wenn eine Feuerpause nur von kurzer Dauer sei, sei sie lohnenswert. Seine Parteikollegin Heike Hänsel bemerkte, dass nicht nur Russland und die Assad-Truppen, sondern auch weitere Staaten und Gruppen für die Toten in Syrien Verantwortung trügen.

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Interview mit Haytham Manna


Sprecher des syrischen Nationalen Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel.

Interview am 20.10.2016 mit Haytham Manna, syrischer Schriftsteller und Sprecher des syrischen Nationalen Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel.

1. Was sind Ihre Hoffnungen, was die deutsche Regierung in internationalen Gesprächen, auf diplomatischem Gebiet oder etwa bei der Unterstützung militärischer Aktionen im Nahen Osten tun sollte?
Sie sollte über die Rolle der Syrer für einen säkularen und demokratischen Wandel in Syrien reden. Nunmehr sind alle Syrer in sämtlichen Sitzungen über Syrien abwesend. Andere entscheiden über unsere Zukunft. Die Hohe Kommission von Riad und die syrische Koalition akzeptieren diese Situation, aber die Mehrheit der Syrer ist der Meinung, dass niemand interessiert ist. Sämtliche Befürworter und Verteidiger einer politischen Lösung sind abwesend. Die EU betrachtete sie als pro-russisch und die Russen betrachten sie als idealistisch und romantisch, weil sie versuchen, einen Platz in einem Krieg ohne militärische Unterstützung zu finden.

2. Sind Sie der Ansicht, dass der Aufruf für einen Flugverkehrsbereich eine hilfreiche und realistische Mission ist?
Die Forderung nach einem beschränkten Fluggebiet oder einer Flugverbotszone kann nichts Wesentliches ändern: nämlich die Frage der Flüchtlinge, des Wiederaufbaus usw. Es wäre lediglich eine Art der Teilung des syrischen Territoriums in Einflusszonen ohne Hilfe für die Bevölkerung.

3. Was ist nach Ihren Erfahrungen ein realistischer Weg, um die Zivilbevölkerung in Syrien, vor allem in Regionen wie Aleppo (beide Teile) und im Irak, z.B. in Mossul, zu retten und ihr zu helfen?
Wir müssen alle den Unterschied und die Trennung zwischen al Nusra u.a. und den syrischen bewaffneten Gruppen anerkennen und akzeptieren. Ein „Krieg gegen den Terror“ ist das allerletzte Argument anstelle jeder politischen Lösung.

(Haytham Manna (هيثم مناع) ist ein 1951 geborener syrischer Schriftsteller und Sprecher des syrischen Nationalen Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel. Er studierte Medizin und Sozialwissenschaften an der Universität Damaskus. Er musste seit 1976 zwei Jahre im Untergrund leben und verließ 1978 Syrien, studierte darauf in Paris und Montpellier, wurde Mitbegründer der theoretischen Zeitschrift „Sou‘al“ und hatte verschiedene Positionen in internationalen Menschenrechtsorganisationen inne. Seit 1982 lebt Haytham Manna in Paris. Während des Aufstandes in Syrien 2011 wurde er Vorsitzender der Auslandsvertretung des syrischen Nationalen Koordinationskomitees, das im Gegensatz zum Syrischen Nationalrat mit Sitz in Istanbul gegen die Militarisierung des Aufstandes sowie gegen eine ausländische Intervention in Syrien eintritt.)

 

Was bedeutet das Geschrei nach einer Flugverbotszone?


Bei der scheinheiligen Forderung nach einer Flugverbotszone geht es gar nicht zuerst um die vielbeschworenen humanitären Beweggründe (wie in dem ganzen Stellvertreterkrieg nicht). Für sinnvolle humanitäre Zwecke, die Geiseln des IS in Aleppo in sicherere Gebiete fliehen zu lassen, hätte die Durchsetzung und Einhaltung einer Waffenruhe oder eines Waffenstillstands auch seitens der von den USA unterstützten „Rebellen“ genügt, wie ihn Russland mehrfach vorgeschlagen und Anfang September mit den USA vereinbart hatte. Die nun herausposaunte Forderung nach einer Flugverbotszone hat doch bei etwas Geschichtsbewusstsein sehr durchsichtig einen ganz anderen Grund als die angebliche humanitäre Sorge:

Da eine Flugverbotszone bedeutet, dass  in dem betreffenden Luftraum aus militärischen Gründen sämtliche Flugbewegungen von Luftfahrzeugen verboten sind, greift solch ein Verbot von Luftbewegungen zutiefst in die Souveränitätsrechte des jeweiligen Staates ein, wenn sie nicht in Abstimmung mit ihm verhängt wurden. Daher ist die Errichtung einer Flugverbotszone ohne Einsatz ausländischer militärischer Mittel gar nicht zu haben.

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Wer militärisches Eingreifen in Syrien fordert, zündelt unverantwortbar!


Presseerklärungen der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag

„Führende CDU-Politiker wie der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, und der Bundeswehrpropagandist Roderich Kiesewetter rühren für ein militärisches Eingreifen Deutschlands bzw. der Europäischen Union in Syrien die Werbetrommel. Selbst das Agieren der USA wird von ihnen als ‚zu lasch‘ abqualifiziert. Statt auf Verständigung und Waffenruhe setzt die CDU auf eine Flugverbotszone, die fast automatisch die Gefahr einer direkten Konfrontation der USA mit Russland mit sich bringt. Statt dieses Waffengetöses wären maßvolle Schritte zur Deeskalation und für eine Waffenruhe nötig“, erklärt Wolfgang Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. Gehrcke weiter:

„Den Menschen in Ost-Aleppo muss die Chance geboten werden, die Stadt zu verlassen, damit sie versorgt werden können. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Abzugswege aus Aleppo weder vermint noch beschossen werden. Eine internationale Vereinbarung, dass weder Krankenhäuser noch Schulen beschossen werden, ist ebenfalls unverzichtbar. Entsprechende rechtliche Bedingungen sind seit Jahrzehnten vorhanden. Angriffe auf Hilfskonvois müssen international aufgeklärt werden, damit ein Mindestmaß an Vertrauen wieder hergestellt werden kann.“

Pressemitteilungen von Wolfgang Gehrcke der jüngsten Zeit
10.10.2016 CDU rührt Werbetrommel für militärisches Eingreifen in Syrien
05.10.2016 In Syrien droht militärisches Aufeinandertreffen von USA und Russland
22.09.2016 Forderung nach Flugverbotszone über Syrien ist ein gefährliches Spiel
18.09.2016 Die Waffenruhe in Syrien, eben noch gefeiert, steht auf Messers Schneide
13.09.2016 Chance auf Frieden in Syrien nicht verspielen
12.08.2016 Waffenruhe in Syrien ist eine gemeinsame Aufgabe Russlands und der USA