Liebe Freundinnen und Freunde,
viele haben mich angerufen, mich gefragt, wie es mir nach dieser Aktuellen Stunde und dem Agieren des Bundesinnenministers geht. Für die Nachfragen bedanke ich mich, aber es geht mir nicht so gut – nicht, weil die Angriffe des Innenministers oder anderer Abgeordneter mich beeindrucken. Ich mache mir nicht erst seit heute Sorgen um den Zustand der Demokratie in unserem Land. Die Debatte heute hat meine Sorgen nur verstärkt.
Neben der LINKEN haben Volker Beck (Grüne) und Dieter Wiefelspütz (SPD) als einzige klar auf der Grundlage der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ argumentiert, die Unabhängigkeit der Abgeordneten verteidigt und das Prinzip, dass das Parlament die Dienste zu kontrollieren hat, nicht umgekehrt.
Die Mehrheit allerdings hat mal so eben Rechts und Links gleichgesetzt und die unselige Tradition der Militanz gegen Links wieder aufgenommen.
Es gab schon einmal einen CSU-Innenminister, Hermann Höcherl hieß er (übrigens zwischen 1931 und 1945 mit kurzer Unterbrechung Mitglied der NSDAP). Er wurde durch den Satz berühmt, seine Beamten könnten schließlich nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unterm Arm herumlaufen. Immerhin, der Satz legt nahe, dass Höcherl selbst das Grundgesetz kannte, wenigstens von Weitem. Dieser Verdacht kann beim jetzigen Innenminister Friedrich, ebenfalls CSU, kaum aufkommen. Weder er noch seine Spitzenbeamten kennen das Grundgesetz, geschweige denn, dass sie sich an dasselbe halten.
Mit den Argumenten, die heute zu hören waren, wurden vor 40 Jahren die Berufsverbote begründet. Diesem Ungeist wird nun erneut Leben eingehaucht.
Man nennt die Linke oft etwas verächtlich „Weltverbesserer“; ich habe das nie als ein Schimpfwort empfunden. Ja, ich finde, die Welt muss verbessert werden – eine andere Welt ist möglich. Oder mit Marx: … es kommt drauf an, die Welt zu verändern!
Wolfgang Gehrcke
Die erste Seite der Akte des Verfassungs-schutzes von Wolfgang Gehrcke
Geschwärzt ist, was er nicht wissen darf. Zwei vorliegende Sperrerklärungen umfassen über hundert Seiten. Die Akte mit geschwärzten Passagen, - die vollständig gesperrten Blätter fehlen ganz - umfasst mehrere dicke Ordner, tausende Seiten. Wer einen Eindruck gewinnen will von dem Ausmaß der Schwärzungen kann hier nachsehen.
Gestohlene Selbstbestimmung, Um- und Fremddeutung des gelebten Lebens; kein Einspruch möglich, noch nicht einmal Kenntnisnahme.
So geht es allen langjährig Bespitzelten. Die Bespitzelung von Abgeordneten wirft aber zusätzliche verfassungsrechtliche Fragen auf, die in der Debatte in der aktuellen Stunde des Bundestags am 26. Januar von der LINKEN, aber auch von Grünen und einigen Mitgliedern der SPD-Fraktion aufgeworfen wurden.
Presseschau:
Neues Deutschland vom 25.01.2012
Sogar das Geburtsdatum ist falsch von René Heilig
Von Tom Strohschneider im Freitag und im Freitags-Blog:
Weder freiheitlich noch demokratisch
Ulli Gellermanns RATIONALGALERIE
Linke verbieten, Verfassungsschutz schützen