Ça ira Nr. 142: Tauwetter oder Eiszeit? (27.4.2017)

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Reden erst die Völker selber, werden sie schnell einig sein!


Konferenz der LINKEN "Tauwetter oder Eiszeit?" und Bundestagsdebatte über den Antrag der LINKEN "Für eine neue Ostpolitik Deutschlands"

Am 17. Februar 2017 wurde im Deutschen Bundestag in erster Lesung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE "Für eine neue Ostpolitik Deutschlands" beraten.

Am vergangenen Donnerstag, 27.04.2017, fand nun gemäß dem üblichen parlamentarischen die abschließende Debatte und Abstimmung im Bundestag über diesen Antrag statt.

Die Debatte über diesen wegweisenden Antrag der LINKEN traf zeitlich zusammen mit einem mehrtägigen Besuch des Oberbürgermeisters der Stadt Wolgograd Andrej Kossolapow in Berlin zusammen. Daher soll heute sowohl über die abschließende Debatte - und letztlich die Ablehnung - des Antrags der LINKEN für eine längst überfällige Korrektur der deutschen Ostpolitik als auch über die in der gleichen Woche (am Vortag, dem 26.04.2017) im Bundestag stattgefundene Konferenz "Tauwetter oder Eiszeit?" der Bundestagsfraktion der LINKEN berichtet werden.

Diese Konferenz der LINKEN  verdeutlichte im Gegensatz zur Bundestagsdebatte die Aktualität der Zeilen aus dem Solidaritätslied von Bert Brecht und Hanns Eisler: "Reden erst die Völker selber, werden sie schnell einig sein!"

Zum Anfang der zurückliegenden Woche kommentierte Wolfgang Gehrcke die Veröffentlichung des Berichtes zu den weltweiten Rüstungsausgaben für 2016 durch das Stockholm International Peace Research Institute. Die SIPRI-Zahlen dokumentieren eindeutig, dass wir es mit einem Prozess der weiteren Aufrüstung zu tun haben. Weltweit und in Europa gibt es kein Signal zur Abrüstung. Diesen Fakten muss sich auch die schwarz-rote Bundesregierung stellen – man kann nicht sonntags von Abrüstung reden und montags die Rüstungsetats nach oben treiben.

 

Nur die Überwindung der Sprachlosigkeit kann Frieden sichern


Wolfgang Gehrcke im Bundestag am 27.4.2017 zum Antrag der LINKEN "Für eine neue Ostpolitik Deutschlands"

Nur die Überwindung der Sprachlosigkeit kann Frieden sichernIch hätte mir gewünscht, wenn nicht nur von den LINKEN, sondern von der Regierung und von den anderen Bundestagsparteien endlich Überlegungen, Anträge, Impulse für eine neue Russlandpolitik, eine neue Ostpolitik in den Bundestag und in die öffentliche Debatte eingebacht worden wären. Denn die sind dringend notwendig zur Überwindung der Sprachlosigkeit.

Nur eine neue Ostpolitik könnte endlich auch Deutschland zu ernsthaften Initiativen zur Überwindung der Krise in der Ukraine befähigen. Nur ein Ende der Sanktionspolitik von Deutschland und der EU, nur ein Ende der Provokationen von NATO-Truppen vor den Westgrenzen Russlands kann den Frieden sichern helfen. Wie Jewgeni Jewtuschenko mahnte, die Russen wollen nach den unsäglichen Opfern der Sowjetunion vor 70 Jahren ganz gewiss keinen Krieg, ebenso wenig wie die Deutschen. Und eine Überwindung der Sprachlosigkeit und der Sanktionen würde Deutschland die Möglichkeit öffnen, gemeinsam mit Russland auch in anderen Teilen der Welt, z.B. in Syrien, die Kriegshandlungen wirklich einzudämmen.

Zum vollständigen Redebeitrag in der Debatte geht es hier 

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Tauwetter oder Eiszeit?


Konferenz der Bundestagsfraktion DIE LINKE im Reichstagsgebäude am 26. April 2017 von 16 bis 18 Uhr

Konferenz der Bundestagsfraktion DIE LINKERussland und Deutschland – das waren die entschei­denden Garanten für eine Politik der Entspannung in ganz Europa. Nach zwei großen Kriegen, die in deut­schem Namen vom Zaune gebrochen wurden, war für die Menschen auch in Deutschland klar: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Aus Russland hörte man die nachhaltige Frage an die Deutschen »Glaubt ihr, die Russen wollen Krieg?« und aus beiden Ländern ein kategorisches Nein. Kulturaustausch, Städtepartner­schaften, Sportveranstaltungen und ein ausgedehnter Tourismus ebenso wie deutsch-russische Verträge haben ein enges Netzwerk der Zusammenarbeit entste­hen lassen.

Heute hingegen wird von einem neuen Kalten Krieg, von einem neuen Eisernen Vorhang, von neuen Bedro­hungen gesprochen. Die Bundeswehr ist an der West­grenze Russlands stationiert. Das konnte sich niemand bislang vorstellen und ist ein erschreckendes Signal.

Als Gastgeber der Fraktion DIE LINKE haben der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch und Wolfgang Gehrcke - neben den über 100 Gästen - auf dem Podium besonders herzlich den Oberbürgermeister der Stadt Wolgograd Andrej Kossolapow und den Beauftragten der Stadt Wolgograd für Internationale Beziehungen, Sergej Lapschinow, sowie den Gesandten der Botschaft der Russischen Föderation, Oleg Krasnitskiy begrüsst. Leider erkrankt war der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck, der aber von Vorstandsmitgliedern vertreten wurde. 

Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Beitrag von Tino Eisbrenner, der mit zwei Liedern und einigen Sätzen eindringlich auf die vielen Möglichkeiten verwies - auch durch Kunst und Kultur - der drohenden Entfremdung zwischen den beiden Völkern entgegenzuwirken.

Andreij Kossolapow berichtete über die vielen wichtigen, guten Erfahrungen über eine "Volksdiplomatie durch Städtepartnerschaften", die Wolgograd seit fast 70 Jahren pflegt.
Dietmar Bartsch sprach über die stetigen Bemühungen der LINKEN, als Partei und als Bundestagsfraktion gegen die drohende "Eiszeit in den deutsch-russischen Beziehungen" im Lebensinteresse beider Völker anzukämpfen. Der Gesandte Oleg Krasnitskiy sprach über die hierzulande gerade heute drängende Frage "Wie denkt man in Russland über Deutschland?" mit durchaus realistischen Vorschlägen, einen Rückfall in einen kalten Krieg zu verhindern.

In einer regen Diskussion mit den Gästen wurde die Situation in den Beziehungen beider Länder analysieren, und es wurden Vorschläge zur lebendigen Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen, auch und vor allem durch vielfältige, auch noch mehr persönliche Begegnungen  diskutiert. So stand diese Veranstaltung leider in unverkennbarem Kontrast zu der Debatte im Deutschen Bundestag am folgenden Tag.

 

„Man kann nicht sonntags von Abrüstung reden und montags die Rüstungsetats nach oben treiben.“


Kommentar von Wolfgang Gehrcke zur Veröffentlichung des Berichtes zu den weltweiten Rüstungsausgaben für 2016 durch das Stockholm International Peace Research Institute

Wolfgang GehrckeDie SIPRI-Zahlen dokumentieren eindeutig, dass wir es mit einem Prozess der weiteren Aufrüstung zu tun haben. Weltweit und in Europa gibt es kein Signal zur Abrüstung. Diesen Fakten muss sich auch die schwarz-rote Bundesregierung stellen – man kann nicht sonntags von Abrüstung reden und montags die Rüstungsetats nach oben treiben. Das wird sich auf Dauer nicht rechnen und das wird sich auch keiner gefallen lassen.

Auch Deutschland rüstet auf. Wir werden hier weiter die Debatte um Atomwaffen haben, die US-amerikanischen Atomwaffen werden nicht abgezogen, sondern sogar modernisiert.
Trump hält, was er verspricht, America first. Das kann man auch anhand der Rüstungsausgaben sehen. Die USA treiben die Aufrüstung weiter voran. Ich hätte mir gewünscht, dass Deutschland und andere Staaten ein deutliches Gegensignal setzen, das ist leider nicht passiert.
Dies führt zur Schlussfolgerung, dass die Weltmächte insgesamt eine Spirale für mehr Aufrüstung in Gang setzen und sich keiner daraus gelöst hat. Die Debatte um eine konsequente Abrüstungspolitik ist dringend nötig und diese werden wir auch im Deutschen Bundestag zu führen haben.
Wir wollen darüber hinaus, dass sich die Bundesregierung mindestens bei den Debatten der Vereinten Nationen, ob man Atomwaffen abschaffen sollte, eindeutig positioniert. Das ist das mindeste, was man Einbringen kann.

Es gibt auch einen inneren Zusammenhang der SIPRI-Zahlen mit dem anstehenden NATO-Gipfel in Brüssel – dort wird der Druck in Richtung des 2 %-Ziels weiter vergrößert werden. Es gibt jedoch keine rechtliche Verpflichtung, dass Deutschland oder ein anderes Land dieses Ziel einzuhalten hat. Eine Regierung könnte, wenn sie denn Courage hätte, sich den Aufrüstungsplänen entziehen und sagen, dass sie das im Interesse ihrer Bevölkerung nicht mitmacht. Frau von der Leyen macht keinesfalls den Eindruck, dass sie in diese Richtung agiert. Wir haben es mit einer Kriegsministerin zu tun, die deutsche Truppen überall einsetzen möchte, wo es angeblich den Interessen dieses Landes entspricht. Es entspricht mitnichten den Interessen dieses Landes, wer Sicherheit haben will, muss abrüsten! Wer Sicherheit will, muss Partner finden – wir brauchen in Europa eine Sicherheitskooperation mit Russland und den anderen Staaten.

Beim anstehenden NATO-Gipfel in Brüssel muss mit massiven Gegenaktionen gerechnet werden. Wir sind mit der Friedensbewegung dabei und möchten ordentlich Zoff gegen den NATO-Gipfel in Gang setzen. Unsere Fraktion DIE LINKE ist dabei und wir haben die anderen Fraktionen immer herzlich eingeladen mitzumachen. Bevor diese Legislatur zu Ende geht, muss der Bundestag nochmal eine große Debatte führen über Aufrüstung und Abrüstung. Und da muss Farbe bekannt werden. Die Zahlen von SIPRI machen dies einmal mehr dringlich und ermöglichen darüber hinaus über Fakten zu reden und nicht über Annahmen.

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