Ça ira Nr. 80: 65. Jahrestages der Inkraftsetzung des Grundgesetzes (28.5.2014)

Infobrief Ça Ira Header

Die heutige Ausgabe des Infobriefes von Wolfgang Gehrcke steht ganz im Zeichen des sich weiter verschärfenden militärischen Konfliktes in der Ukraine sowie des 65. Jahrestages der Inkraftsetzung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. 

 

Überlegungen von Jan Korte, Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke zur Debatte um das Jubiläum des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland

Revolution mit dem Grundgesetz
Heute, am 65. Jahrestag der Inkraftsetzung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, wird allerorten die Verfassung gewürdigt. Auch wir alle setzen uns täglich in unserem politischen Wirken mit dem Grundgesetz auseinander. Wir - Jan Korte, Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke – nehmen diesen Tag zum Anlass, euch und Ihnen unsere Überlegungen zur Debatte über die Verfassung Deutschlands zu unterbreiten:

Die deutsche Demokratie wurzelt in der Befreiung vom Faschismus. Das verdanken wir und die Völker Europas der Antihitlerkoaltion und den Menschen, die auch in faschistischen Konzentrationslagern und Zuchthäusern ihrer Überzeugung nicht abgeschworen haben. An sie erinnern wir, ihnen sind wir verpflichtet. Wer über 1949, den 65. Jahrestag des Grundgesetzes, spricht, darf über 1933, die Machtübernahme der Faschisten in Deutschland, und 1945, die Befreiung von der Naziherrschaft, nicht schweigen.

65 Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ist es überdeutlich: Deutschland und Europa brauchen eine tiefgehende gesellschaftliche Umwälzung. Ohne tiefgehende Veränderungen sind weder unser Land noch die EU zukunftsfähig. Diese Umwälzung, die wir Revolution nennen, richtet sich nicht gegen das Grundgesetz unseres Landes, eben so wenig wie die Verfassung von Italien, Griechenland, Portugal und andere davon negativ berührt wären. Vielmehr wollen wir die Realität in Deutschland und Europa dem Verfassungsauftrag anpassen und nicht umgekehrt.

zum vollständigen Text geht es hier:

 

Pressemeldungen von Wolfgang Gehrcke zur Ukraine

Klare Worte statt hasenfüßigen Schweigens

„Der neue Präsident Petro Poroschenko muss die ukrainische Armee sofort aus dem Kriegsgebiet um den Donbass zurückziehen. Die Einheiten der Nationalgarde, die zum Sammelbecken militanter Rechter geworden sind, müssen aufgelöst werden. Runde Tische machen nur dann einen Sinn, wenn auch die oppositionellen Kräfte aus dem Osten der Ukraine einbezogen werden. Die Ukraine hat nur eine Chance, wenn sie sich als ‚blockfrei‘ erklärt und wenn es zwischen der EU und Russland zu kooperativen Vereinbarungen kommt“, so Wolfgang Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, zu den Militäreinsätzen in der Ostukraine. Gehrcke weiter:

„Die Bundesregierung muss mehr tun als dem neuen Präsidenten zu gratulieren. Die Bundesregierung muss den neuen Präsidenten auffordern, die so genannten ‚Anti-Terror-Operationen‘ im Osten der Ukraine sofort zu stoppen und den Bürgerkrieg zu beenden. Doch Berlin ist seltsam schweigsam geworden. Auch rutscht Norbert Roettgen, Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, mit seinem Verständnis für die Militäraktionen immer mehr in den militanten Flügel der CDU.

Erforderlich sind jetzt Vereinbarungen über mögliche Neuwahlen des ukrainischen Parlaments. Noch ist das ukrainische Parlament in seiner alten Zusammensetzung mit Nazi-Ministern im Amt, noch ist kein neuer Ministerpräsident und keine neue Regierung ernannt. Das wirft ein schlechtes Licht auf den neuen Präsidenten. Ebenso wie das mögliche Verbot der Kommunistischen Partei. Wolfgang Ischinger muss nun beweisen, dass unter seiner Moderation ein tatsächlicher Runder Tisch in der Ukraine stattfindet.“

---

Präsidentschaftswahlen haben Situation in der Ukraine nicht geklärt

„Die Präsidentschaftswahlen haben die auseinandertriftende Situation nicht geklärt. Die Herrschaft der Oligarchen ist ungebrochen“, so Wolfgang Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine. Gehrcke weiter:

„Der Osten der Ukraine findet sich in diesem Wahlergebnis nicht wieder. Das war offensichtlich auch die Absicht der Gruppierungen, die auf eine Selbstständigkeit der östlichen Gebiete setzen. Die Wahlen waren von einem hohen Maß an Gewalt begleitet, nicht nur im Osten der Ukraine. Die Kandidatur von linken Präsidentschaftsbewerbern wurde von Anfang an mit Gewalt und Gewaltandrohung behindert und unterbunden.

Die Bundesregierung muss dahin wirken, dass der jetzt gewählte Präsident Poroschenko das Dialog-Angebot der russischen Regierung annimmt, so dass umgehend Gespräche zustande kommen und die Kämpfe auf allen Seiten eingestellt werden. Jetzt muss über die politische Neugestaltung der ukrainischen Verfassung konkret gesprochen werden. Blockfreiheit und ein föderativer Staatsaufbau sind unverzichtbar und bedürfen internationaler Unterstützung. Der neue ukrainische Präsident muss eine neue Regierung berufen, der rechtsradikale Parteien wie Svoboda nicht angehören dürfen. Das ist das Minimum, was die ‚internationale Staatengemeinschaft‘ jetzt fordern muss. Jegliche finanzielle Zusagen sind daran zu binden, dass mögliche Kredite nicht in die Taschen der verschiedenen Oligarchen wandern. Solange Faschisten an der Regierung beteiligt und an der Spitze von Militär und Justiz Kräfte aus dem rechten Sektor stehen, darf überhaupt kein Kredit gewährt werden.“

---

 

Im Wortlaut: Auszüge aus der Rede von Dr. Navid Kermani zur Feierstunde "65 Jahre Grundgesetz"

"Und es wirft dann vielleicht doch kein so günstiges Licht auf das heutige Deutschland, wenn bei den Fernsehduellen vor der Bundestagswahl nach der Außenpolitik so gut wie nicht mehr gefragt wird oder ein Verfassungsorgan die Bedeutung der anstehenden Europawahl bagatellisiert, wenn die Entwicklungshilfe eines wirtschaftlich so starken Landes noch unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten liegt - oder Deutschland von 9 Millionen Syrern, die im Bürgerkrieg ihre Heimat verloren haben, gerade mal 10 000 aufnimmt."

"Wir können das Grundgesetz nicht feiern, ohne an die Verstümmelungen zu erinnern, die ihm hier und dort zugefügt worden sind. Auch im Vergleich mit den Verfassungen anderer Länder wurde der Wortlaut ungewöhnlich häufig verändert, und es gibt nur wenige Eingriffe, die dem Text gutgetan haben. Was der Parlamentarische Rat bewusst im Allgemeinen und Übergeordneten beließ, haben der Bundestag und der Bundesrat bisweilen mit detaillierten Regelungen befrachtet. 

"Ausgerechnet das Grundgesetz, in dem Deutschland seine Offenheit auf ewig festgeschrieben zu haben schien, sperrt heute diejenigen aus, die auf unsere Offenheit am dringlichsten angewiesen sind: die politisch Verfolgten. Ein wundervoll bündiger Satz „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ geriet 1993 zu einer monströsen Verordnung aus 275 Wörtern, die wüst aufeinandergestapelt und fest ineinander verschachtelt wurden, nur um eines zu verbergen: dass Deutschland das Asyl als Grundrecht praktisch abgeschafft hat."

"Auch heute gibt es Menschen, viele Menschen, die auf die Offenheit anderer, demokratischer Länder existentiell angewiesen sind. Und Edward Snowden, dem wir für die Wahrung unserer Grundrechte viel verdanken, ist einer von ihnen. 
Andere ertrinken im Mittelmeer jährlich mehrere Tausend , also mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch während unserer Feststunde."

"Denn von einem einheitlichen europäischen Flüchtlingsrecht, mit dem 1993 die Reform begründet wurde, kann auch zwei Jahrzehnte später keine Rede sein, und schon sprachlich schmerzt der Missbrauch, der mit dem Grundgesetz getrieben wird. Dem Recht auf Asyl wurde sein Inhalt, dem Artikel 16 seine Würde genommen. 

Möge das Grundgesetz spätestens bis zum 70. Jahrestag seiner Verkündung von diesem hässlichen, herzlosen Fleck gereinigt sein, verehrte Abgeordnete."

 

Termine

31. Mai, 11:30 -

Kassel, Opernplatz 

Kundgebung des Kasseler Friedensforums