Ca ira Nr. 21: „Kurze Wut und lange Zärtlichkeit“ - Sap Paolo Forum (30.8.2010)

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Ca ira - einundzwanzig

 

Kurze Wut und lange Zärtlichkeit

Sao Paulo Forum konsequent für Einheit der Linken

„Kurze Wut und lange Zärtlichkeit“ – sagte ein Delegierter, als ein Vorschlag von ihm abgelehnt wurde und es kennzeichnet die Atmosphäre im Sao Paulo Forum, dem Zusammenschluss der Lateinamerikanischen Linken. Jener Delegierte war El Gordo („der Dicke“) Oviedo aus der Dominikanischen Republik, jetzt in Venezuela lebend, Urgestein und vor 20 Jahren Mitbegründer des Sao Paulo Forums. Zum Forum gehören Kommunisten, Sozialisten, Anarchisten, Befreiungs- und neue soziale Bewegungen, kurz: Linke der verschiedensten Richtungen, es machen auch Stiftungen mit, Zeitschriften, wissenschaftliche Institute. Zum diesjährigen Treffen in Buenos Aires waren über 600 Delegierte von 54 Organisationen aus 33 Ländern entsandt worden.

Das Sao Paulo Forum ist Träger und Motor der tiefen Veränderungen in Lateinamerika. Dort beendete die Linke die Zeit der Militärdiktaturen und Bürgerkriege, zumindest in den meisten Ländern. Die Herrschaft der USA wurde zurückgedrängt. Linke übernahmen Regierungen – nicht die Macht, wie sie feinsinnig festhalten – in vielen Ländern: Chavez in Venezuela, Morales in Bolivien, Correga in Equador, Ortega wurde in Nicaragua wieder Präsident, in Brasilien ein Gewerkschaftsführer und in Uruguay ein ehemaliger Tupamaro. In Argentinien beendeten die Kirchners die blutigste Diktatur der Militärs, die über 30 00 Menschen ermorden ließ, und arbeiten mit den linken Regierungen ihres Kontinents zusammen. In El Salvador verlor die Rechte die Präsidentschaftswahl, in Mexiko konnte nur ein dreister Wahlbetrug den Linken die Präsidentschaft rauben. Kuba ist nicht mehr isoliert, isoliert sind die Putschisten in Honduras. Mit denen will keiner was zu tun haben mit Ausnahme der USA und Deutschland. Eine offene Wunde bleibt Kolumbien, Chile eine schmerzliche Niederlage. Eine der wichtigsten Aufgaben für den ganzen Kontinent ist für das Sao Paulo Forum, linke Mehrheiten auch bei Wahlen zu gewinnen und zu verteidigen, wobei das Forum betont: Die sozialen Bewegungen haben die Linke an die Macht gebracht und sie wird verlieren, wenn sie die Bindung an die sozialen Bewegungen verlöre.

Noch hat die Rechte nicht aufgegeben und bleiben die USA gefährlich. Doch schon beendet hat die Linke in Lateinamerika eine Epoche unglaublicher Brutalität und Unterdrückung. Sie begann mit der Ermordung der Ureinwohner durch europäische Kolonisatoren, zu ihr gehört die Versklavung ganzer Völkerschaften auf den Latifundien der Großgrundbesitzer und die grenzenlose Ausbeutung in den Bergwerken und Fabriken. Endlich wird in Lateinamerika gefragt nach den Toten, die der Panamakanal gekostet hat, nach den Verschwundenen in Argentinien, Uruguay, Chile und Brasilien, endlich wird gefragt nach den Opfern des Kupferbergbaus. Die indigenen Völker, denen man nicht nur ihr Gold, sondern ihre Lebensgrundlagen, ihre Würde und Geschichte geraubt hat, werden Teil linker Veränderungen.

Der Kampf um Rohstoffe und Märkte ist neu entbrannt. Das strategische Konzept „Lateinamerika“ der schwarz-gelben Regierung soll deutschen Unternehmen Zugang zu Rohstoffen und Märkten des Kontinents erleichtern. In dem Konzept stehen viele schöne Worte zu Freiheit und Menschenrechten, aber in Lateinamerika ist nicht vergessen, dass z.B. VW in Argentinien oder Daimler in Brasilien aufs Engste mit den Militärdiktaturen verbunden waren. Dort weiß man, dass sich die deutsche Politik immer noch nicht kritisch auseinandersetzt mit ihrem Schweigen zu den Mörderregierungen etwa in El Salvador, Guatemala, Paraguay, Argentinien oder Chile.

Zu einer Zeit, als die Rechte triumphal das Ende der Geschichte feierte, kam das Sao Paulo Forum zusammen in der Gewissheit, dass eine andere Welt nötig und möglich sei und dass die Linke einen neuen Anlauf unternimmt, sie zu erkämpfen. Das ist ein bleibendes Verdienst der Gründer des Forums wie Shafik Handal aus El Salvador und nicht zuletzt ein Verdienst der Brasilianischen Arbeiterpartei (BP) und ihres Vorsitzenden Lula. Dessen Zeit als Staatspräsident neigt sich ihrem Ende zu, aber er und das Forum werden Motor der Lateinamerikanischen politischen Einheit sein.

Die Linke in Lateinamerika ist selbstbewusst geworden. Das Sao Paulo Forum sieht sich als Vertretung der Mehrheit, hier treffen sich die Verändernden; auf der anderen Seite steht die Minderheit in ihrer Beharrung. Selbstbewusst anzugreifen und linke Pluralität wirklich zu leben – zuallererst das kann die Europäische Linke von der Lateinamerikanischen lernen. Und dann: Nicht im Kapitalismus ankommen zu wollen, sondern ihn zu überwinden. Ob der Sozialismus des 21. Jahrhunderts aus Lateinamerika kommt, ist für mich offen, aber ohne die Erfahrungen der Linken, der Sozialisten und Kommunisten aus Lateinamerika wird man kein anständiges Programm für ein Europa des 21. Jahrhunderts zustande bringen.

 

Nebenstehender Artikel von Wolfgang Gehrcke erschien in einer gekürzten Fassung am 27.08.2010 in der Jungen Welt unter dem gleichen Titel. Er handelt vom Forum von São Paulo, das dieses Jahr in Argentinien stattfand. Wolfgang Gehrcke war von Anfang an - wie auch in diesem Jahr - beim Foro Sao Paolo dabei. Am Rande des Forums traf er die Mütter der Verschwundenen der Plaza de Mayo, er traf Victoria Donda, Abgeordnete im Argentinischen Parlament für die Linken und selber eines der Kinder, die ihren verhafteten und ermordeten Eltern geraubt wurden. Er traf auch den Rechtsanwalt der deutschen Nebenklage im Fall der von den Militärs ermordeten Deutschen Elisabeth Käsemann ebenso wie den Untersuchungsrichter. Zu dem Verhalten der damaligen westdeutschen Regierung hat Wolfgang Gehrcke eine Anfrage an die Bundesregierung eingebracht.

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„Das vom Bundestag erteilte Afghanistan-Mandat ist hinfällig. Es wurde auf einer falschen, zumindest unzureichenden Informationsgrundlage beschlossen“, stellte Wolfgang Gehrcke anfang August fest, als die Veröffentlichungen von Wikileaks bekannt wurden.

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Gegen den Krieg

Generäle können keinen Krieg führen, wenn sie keine Soldaten haben.

Kriege werden viel mehr gemacht, als sie entstehen - wer da mit magischen Geschichten kommt, hat viel zu gewinnen im Kriege - und wenig zu verlieren.

Für einen anständigen Menschen gibt es in bezug auf seine Kriegshaltung überhaupt nur einen Vorwurf: daß er nicht den Mut aufgebracht hat, Nein zu sagen.

Wer im Kriege gefallen ist, ist für einen Dreck gefallen.

Kurt Tucholsky (gefunden auf der Website nattvandare.blogspot.com)



Termine

4. September, 14 Uhr: Brandenburger Tor, Berlin - Gedenkkundgebung an die Opfer von Kundus

19 Uhr: Heilig-Kreuz-Kirche, Berlin-Kreuzberg Gedenkveranstaltung für die Opfer von Kundus

7. September, 19 Uhr: Werder/Havel, "Linke Friedenspolitik und kollektive Sicherheit"

8./9. September: Klausur der Bundestagsfraktion

13. - 17. September 2010 Sitzungswoche

25. September: PV-Sitzung

26. September: Regionalkonferenz
Hessen/NRW/Niedersachsen/
Sachsen-Anhalt zur
Programmdiskussion