Ça ira Nr. 132: Reisetagebuch aus Moskau und Wolgograd und ein Blick nach Lateinamerika (31.10.2016)

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Reisetagebuch aus Moskau und Wolgograd


Lektionen

Reisetagebuch aus Moskau und WolgogradMoskau, 27. Oktober 2016
Pünktlich mit unserer Ankunft – wir, das sind Michael Schlick, der Pressesprecher der Linksfraktion, mein Kollege Hartmut Hübner und ich – begann es in Moskau zu schneien. Schnee plus Kälteeinbruch – Eiszeit nicht nur auf den Straßen. Eiszeit herrscht leider auch seit Längerem in den deutsch-russischen Beziehungen. Nachdem in Deutschland Russland, oder besser „die Russen“ wieder für alles verantwortlich gemacht werden, was nicht gut läuft in der Welt, und das Gerede von immer neuen Sanktionen kein Ende nimmt, werden auch die russischen Reaktionen zunehmend frostiger. Man hat hier die Nase voll, um es salopp zu sagen. ...

Moskau, 28. Oktober 2016
Im Zentrum meines Programms hier in Moskau stehen der Syrien-Konflikt und die deutsch-russischen Beziehungen. Russland baut, so der russische Vizeaußenminister Bogdanow, weiterhin auf eine diplomatische Lösung des Syrien-Konfliktes, was allerdings tiefgreifende Änderungen der westlichen Politik erfordern würde. Russland hatte die Chance eingeräumt, dass die Menschen Aleppo hätten verlassen können. Dazu waren humanitäre Korridore eingerichtet worden. Das dies in Größenordnung nicht geschah, ist auf die Angriffe der dschihadistischen Formationen genau auf diese Korridore zurückzuführen. Die Menschen sollten in Ost-Aleppo bleiben, um lebende Schutzschilde für die Dschihadisten zu sein und gleichzeitig der Welt vorzuspiegeln: so aggressiv sind die Russen und der syrische Staat. ...

Wolgograd, 30. Oktober 2016
Mehr als 2 Millionen Menschen, davon eine Million Sowjetbürger, 500.000 deutsche Soldaten sowie ca. eine halbe Million Soldaten aus Italien, Ungarn und aus den Balkanländern, die auf Seiten Hitlerdeutschlands kämpften, wurden Opfer der Schlachten um Stalingrad. Über Rossoschka weht ein heftiger Steppenwind, einzelne Elstern und Krähen inspizieren das Gelände. Hier wächst nur eine Art hartes Moos. Unendlich viele Menschen, verlorene Seelen, haben den einsamen Tod an dieser Stelle erlitten. Sie waren allein, wenngleich viele mit ihnen hier gestorben sind.
Der Tod ist zweigeteilt – auf der einen Seite eine mahnende und ehrende Anlage der deutschen Kriegsgräberfürsorge, auf der anderen Seite eine ehrende und mahnende Anlage des russischen Staates. Auf jedem Grab liegt ein Stahlhelm aufgereiht, alle mit einer Besonderheit: in jedem befindet sich ein Loch oder eine Zersplitterung, dort, wo eine Kugel, ein Granatsplitter sein Opfer fand.
Von der ganzen Anlage, von der Steppe rundherum, auf der nur Krüppelholz wächst, geht ein einziger Ruf aus: Nie wieder!

Wolgograd – 31. Oktober 2016
Aus meinem Beitrag für das Panel „Die Welt heute: Hauptziele und Enttäuschungen“ auf dem Internationalen Forum „Dialog an der Wolga“:

"Verehrte Gastgeber, liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Dialoges,

die Welt ist aus den Fugen geraten. Tote und Verletzte in Syrien, im Irak und im Jemen, Tote und Verletzte in der Ukraine, Kriege in Afghanistan und die Bundeswehr als Teil der NATO ist vorgerückt an die russische Grenze. Es drohen nicht nur Kriege, sondern die Welt befindet sich inmitten von Kriegen. Das muss gestoppt werden! Russland hat immer wieder Initiativen für Sicherheit und Stabilität ergriffen. Die Vorstellung des russischen Regierungschefs Medwedjew eines Sicherheitsraumes von Wladiwostok bis Lissabon ist von höchster Bedeutung.
Leider haben nicht Frieden und Sicherheit in Europa Aufschwung genommen, sondern Unsicherheit, Misstrauen und Drohungen nehmen rapide zu. Die Politik der Europäischen Union, die leider auch von der Regierung Deutschlands gestützt wird, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen, ist unverantwortlich und kontraproduktiv. Die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag lehnt eine Politik von Sanktionen grundsätzlich ab. Statt weiterer Sanktionen der Europäischen Union fordern wir die Aufhebung von Sanktionen und schlagen vor, zu einer Entspannungspolitik, einer „neuen Ostpolitik“, wie sie vor Jahrzehnten von Willy Brandt und Egon Bahr entwickelt worden ist, zurückzukehren. ..."

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Nicht kalt, sondern eisig


Treffen der NATO-Verteidigungsminister

‘Wer in das Kanonenrohr eines Leopard 2 schaut, überlegt sich zweimal, ob er eine deutsche Patrouille angreift‘: Mit Sätzen wie diesem wird die Abschreckungsfähigkeit des Bundeswehr-Kampfpanzers beschrieben. Jetzt geht es erstmals ganz in die Nähe Russlands.“ schreibt n24 online zur Verlegung mehrerer Hundert Bundeswehrsoldaten und Kampfpanzer nach Litauen.
Am Mittwoch und Donnerstag der vergangenen Woche fand das NATO-Verteidigungsministertreffen in Brüssel statt.
Die Pläne der deutschen Regierung, Soldaten und schwere Waffensysteme in das an Russland grenzende Partnerland zu bringen, sind Teil des größten NATO Aufrüstungsprogrammes seit dem Kalten Krieg. Dieses sieht unter anderem vor, vom kommenden Jahr an multinationale Kampftruppen in den Mitgliedstaaten Polen, Litauen, Lettland und Estland zu stationieren. Deutschland hat zugesagt, in Litauen die Rolle der Führungsnation zu übernehmen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte am Mittwoch, dass die Kampftruppen im kommenden Sommer vollständig einsatzbereit sein sollten. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen war an Zynismus nicht zu übertreffen, indem sie die vorgesehene Stärke als "genau angemessen" und "defensiv" bezeichnete. Und obwohl Stoltenberg verlautbarte, dass die NATO keine Konfrontation mit Russland und keinen Kalten Krieg wolle, setzt die NATO mehr auf Druck als auf Dialog.
Wie mein Kollege Alexander Neu der Presse erklärte, sei das Vorhaben, 600 Bundeswehrsoldaten an die russische Grenze zu verlegen, definitiv das falsche Signal und käme einer NATO-Osterweiterung gleich.
Die NATO spricht in dem Kontext der Stationierung von rund 4000 Kampftruppen nach Polen und ins Baltikum von „glaubwürdiger Abschreckung“, durch die ein Konflikt nicht provoziert, sondern verhindert werden soll. Das Gegenteil ist der Fall, mit Druck und Gewaltandrohung ist nichts auszurichten. Eine neue Ostpolitik ist wieder nötiger denn je.

 

Freihandel mit Kuba?


Trotz Stimmenthaltung der USA in der UNO: die Blockade geht weiter

Mitte der vergangenen Woche ereignete sich in der UNO Denkwürdiges: Die USA und Israel enthielten sich in der UNO der Stimme anlässlich der Vorlage der Resolution über die US-Blockade gegen Kuba vor der UN-Vollversammlung der Vereinten Nationen am 26. Oktober 2016.
Aber die Blockade geht vorerst dennoch weiter. Deshalb hier ein Auszug aus der Rede (und ein Link zum vollständigen Text) des kubanischen Außenministers Bruno Rodríguez Parilla:

"Herr Präsident; hochgeschätzte Ständige Vertreter;
meine Damen und Herren Delegierten:

Es sind fast zwei Jahre vergangen seit Präsident Barack Obama seine Bereitschaft verkündet hat, seine exekutiven Befugnisse anzuwenden und mit dem Kongress dahingehend zu arbeiten, die Blockade gegen Kuba aufzuheben.
In diesem Zeitraum kam es zur Rückkehr der drei kubanischen Antiterrorismuskämpfer, zur Eliminierung der ungerechtfertigen Einbeziehung Kubas in die sogenannte Liste der Förderer des internationalen Terrorismus, zur Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen und zur Wiedereröffnung von Botschaften in den jeweiligen Hauptstädten; sowie zum Besuch des Präsidenten der Vereinigten Staaten, des Außenministers und weiterer Kabinettsmitglieder, Repräsentanten und Persönlichkeiten aus einer Vielzahl von Bereichen in Havanna.
Zweifelsohne waren Fortschritte im Dialog und in der Zusammenarbeit bei Themen gemeinsamen Interesses zu verzeichnen, und es wurde ein Dutzend Abkommen unterzeichnet, die von gegenseitigen Vorteilen sind. Nun ist gerade die Stimmenthaltung der Vereinigten Staaten bezüglich dieses Resolutionsprojektes verkündet worden.

Dennoch dauert die wirtschaftliche, kommerzielle und finanzielle Blockade an, verursacht dem kubanischen Volk Schäden und behindert die ökonomische Entwicklung des Landes. ..."

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Für Demokratie und Gerechtigkeit in Brasilien und ganz Lateinamerika


Debatte am 20.10.2016 im Bundestag zum Antrag der LINKEN

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit für Lateinamerika …“ fand am 20. Oktober 2016 unter TOP 17 eine Debatte statt. In seiner  Rede betonte Wolfgang Gehrcke zur aktuellen Situation in Lateinamerika und speziell Brasilien dabei:
"... Wenn man weiß, welche Bedeutung Lateinamerika in der Zusammenarbeit und bei den Anstrengungen zur Bekämpfung von Hunger und Armut hat, wäre das durchaus angemessen gewesen. Man muss den Ländern Lateinamerikas mehr anbieten können als nur diese unsäglichen Debatten über Freihandelsverträge ...
Die Absetzung von Dilma Rousseff in Brasilien war kein reguläres Verfahren. Die Putschisten in Lateinamerika kommen heute nicht mehr in Offiziersuniformen und Stiefeln daher, sondern es sind Menschen in Nadelstreifenanzügen. ...
"

Stellvertretend für die zustimmende Leserpost sei hier aus der eMail von Frau Gabriella Hollas aus Brasilien zitiert: 
"Ich habe mich über den Antrag von der Linke und die Rede vom 20.10 im Deutschen Bundestag sehr gefreut. Als Brasilianerin, die gegen die illegitime Regierung ist, bedeutet es mir sehr, dass solches Thema im Deutschen Bundestag diskutiert wurde...In einem einzigen Bundesland (Paraná) wurden schon mehr als 850 Schulen und 14 Campus von den Schüler und den Studenten „besetzt“, um gegen den neuen Plan für Ausbildung und gegen den PEC 241, die Verfassungsänderung, die die Investitionen in Ausbildung und Gesundheit einfrieren wird, zu demonstrieren ... Die Rede im Deutschen Bundestag wurde in Brasilien diskutiert - natürlich nicht bei den Medien, die diesen Putsch unterstützen haben. Ich habe die Rede und den Antrag mit Freunden geteilt und sie sind sehr beeindruckt und zufrieden, dass unsere Position in der deutschen Politik repräsentiert ist ... Ich bedanke mich bei Ihnen und bei der Linke für den Antrag und für die Unterstützung der brasilianischen Sozialentwicklung. ..."