Anruf aus Moskau

22.02.2013
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Reisetagebuch (1) - Ich bin erneut in Moskau, um mit Vertretern des russischen Außenministeriums und Kollegen der Duma über die russische Nahost- und Syrien-Politik zu sprechen. Weiteres Thema auf meinem Arbeitszettel ist Abrüstung. Und ich möchte Informationen über Ilse Stöbe finden, die im deutschen Auswärtigen Amt tätig war und zu denen gehörte, die die damalige Sowjetunion vor dem Angriff Hitlerdeutschlands warnten. Ilse Stöbe wurde von den Nazis ermordet, die Anerkennung als Widerstandskämpferin im Auswärtigen Amt blieb ihr bisher versagt. Das wollen wir ändern.

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Anruf aus Moskau (1)
Reisetagebuch – 22. Februar 2013

Gestern am Abend in Moskau angekommen, möchte ich in diesen Tagen mit Vertretern des russischen Außenministeriums über ihre Nahost- und Syrien-Politik reden und über Abrüstungsinitiativen. Morgen werde ich beim Parteitag der russischen Kommunisten sein. Mir ist schon gesagt worden, ‚das wird Dein Herz froh machen: Viele rote Fahnen und revolutionäre Lieder.‘ Ich habe gelächelt und mir gedacht, wenn dann auch die Politik stimmt, dann würde mein Herz wirklich froh sein. Aber das sehe ich morgen.

Der deutsche Botschafter in Moskau jedenfalls, mit dem ich heute früh gesprochen habe, ist der Auffassung, dass die russischen Kommunisten eine wichtige politische Kraft sind. Und dann hat er mir eine sehr schlaue Frage gestellt: „Sind die eigentlich kommunistische Oppositionspartei oder Systempartei?“ Mit „System“ meinte er das „System Putin“ und alles was dazu gehört. Über eine Antwort muss ich noch nachdenken.

Im russischen Außenministerium habe ich wieder Glück gehabt. Zwei wichtige politische Treffen stehen an und dazu habe ich gute Informationen erhalten. Am 26. Februar werden sich in Berlin der russische Außenminister Lawrow und der neue US-Außenminister John Kerry treffen. Das hat doch eine gewisse Symbolik, kurzfristig verabredet treffen sich der russische und der amerikanische Außenminister in Berlin und vielleicht könnte dies der Beginn sein, die momentane Eiszeit in den Beziehungen zwischen Russland und den USA zugunsten vernünftiger politischer Schritte ein wenig weniger eisig zu machen.

Was würde aus meiner Sicht vernünftig sein? Verzicht auf das amerikanische sogenannte Raketenabwehrsystem in Europa, denn dieses System schafft keine Sicherheit, sondern nur neue Aufrüstung. Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland, vertragliche Vereinbarung von atomwaffenfreien Zonen und Aufnahme von Verhandlungen über eine Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten.

Und der zweite Glücksfall: Am Montag wird der syrische Außenminister in Moskau erwartet, nach dem bereits viele syrische Oppositionspolitiker, darunter auch Freunde von mir, die sich mit Texten an unserem demnächst erscheinenden Buch beteiligen, schon hier waren. Ein Dialog ohne Vorbedingungen erscheint nicht nur mir als der derzeit einzig denkbare Weg, um das Morden und die Gewalt in Syrien zu beenden. Zwei Jahre des Bürgerkrieges und der Gewalt hat man verstreichen lassen, ehe dieser Gedanke Raum greifen konnte. Mein Gesprächspartner im russischen Außenministerium sagte mir, er wäre ‚gemäßigt optimistisch‘ und wir buchstabieren in unserem Gespräch nächste mögliche Schritte durch. Ich grinse ihn an und formuliere keck: „Sag‘ mal hast Du den Antrag der LINKEN, der in der nächsten Woche im Bundestag drankommt, auswendig gelernt?“ Er grinst zurück und sagt: „Kann es sein, dass Du das Genfer Kommunique der Vereinten Nationen vom 30. Juni letzten Jahres, auf dessen Grundlage Brahimi verhandelt, auswendig gelernt hast?“ Das gebe ich gern zu, füge aber hinzu: „Ich habe korrekt zitiert und die Quelle ausgewiesen. Auch das unterscheidet mich von vielen Doktor-Experten im Deutschen Bundestag.“

Es ist kalt in Moskau, viel Schnee liegt in der Stadt. Doch der Rote Platz scheint wirklich rot im Licht der Abendsonne. Ich bin sehr zufrieden mit diesem ersten Tag und dem schönen Blick zum Abschluss.