Gedanken zum 11. September 1973: Sozialismus oder Barbarei

11.09.2013
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Vor 40 Jahren wurde in Lateinamerika die nach Kuba erste Linksregierung mit Gewalt gestürzt, weggeputscht mit Hilfe der USA und der CIA. Die Bilder des putschenden Militärs, das den Präsidentenpalast La Moneda aus der Luft bombardiert, die Bilder der Soldatenstiefel waren das Menetekel, dass der US-Imperialismus es immer wieder versuchen wird, auch in anderen Ländern das Rad der Geschichte zurückzudrehen.

Salvador Allende garantierte allen Kindern in Chile einen halben Liter Milch am Tag. Dieser halbe Liter Milch verkörpert das ganze sozialistische Programm: Um den Kindern einen halben Liter Milch garantieren zu können, überführte Allende die Bodenschätze und die Kupferindustrie in chilenisches Eigentum; die Reichen sollten mehr Steuern zahlen, damit den Armen etwas gegeben werden kann. Allendes Programm, das Programm der trotz aller Meinungsverschiedenheiten vereinigten chilenischen Linken, der Unidad Popular, war ein Programm der Würde.

Das Programm der putschenden Generäle und der mit amerikanischem Geld gekauften Marionetten bestand ebenfalls aus einem einzigen Satz: Den Marxismus mit Stumpf und Stiel auszurotten. "Ausrotten" im eigentlichen Sinn des Wortes: Alle Linken und alle, die verdächtigt werden, links zu sein, umzubringen. Dieses Ziel verfolgte die Operation Condor, bei der die mittel- und lateinamerikanischen Geheimdienste mit Unterstützung der CIA linke Oppositionelle verfolgten und töteten. 30.000 ermordete und verschwundene Menschen allein in Argentinien; Tausende Tote, Verschleppte, Gefolterte in Chile, Paraguay, Uruguay, Bolivien, Brasilien, Peru, Ecuador und Venezuela. Die USA wollten ihren Vorhof beherrschen, die Oligarchen ihre Macht behalten, die Reichen sollten reich und die Armen arm bleiben.

Die deutsche Außenpolitik der BRD hat sich rasch auf die Seite der Putschisten in Chile geschlagen. 1977 besuchte der damalige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß Pinochet und befand: "Wenn das Militär zugreift, geht es eben anders zu als beim Franziskanerorden, der Suppe an die Armen verteilt." Strauß besuchte auch die berüchtigte Colonia Dignidad, eine bereits damals umstrittene Kolonie deutscher Faschisten, die Pinochet als Folterzentrum des Geheimdienstes diente.

 

Die Verbrechen der chilenischen Militärdiktatur sind noch längst nicht alle aufgeklärt. Der ehemalige Arzt der Colonia Dignidad Hartmut Hopp ist nach Deutschland geflüchtet und wurde bislang nicht der chilenischen Justiz überstellt. Die Colonia Dignidad besteht unter dem Namen Villa Baviera ("Bayerisches Haus") fort; Touristen können in einem deutschen Restaurant in der ehmaligen Folterhölle Knödel mit Sauerkraut vertilgen und Bier saufen, gefördert mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.

Die Akten zur deutschen Zusammenarbeit mit den verbrecherischen Militärdiktaturen in Lateinamerika müssen ebenso öffentlich gemacht werden wie die US-amerikanischen und chilenischen Akten zum Putsch in Chile 1973. Wir dürfen nicht vergessen, dass es die zwei Programme gab: Salvador Allendes Programm, einen halben Liter Milch für alle Kinder, und das Programm der putschenden Generäle, den Marxismus mit Stumpf und Stiel auszurotten. Wie recht Rosa Luxemburg doch hat: Sozialismus oder Barbarei.

Wolfgang Gehrcke