Einschätzung zur Wiener Syrien-Konferenz von Wolfgang Gehrcke

06.11.2015
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Das Dokument der Wiener Konferenz war in der vorliegenden Klarheit – daran ändert auch nichts, dass einige Punkte sehr vage formuliert sind und auch nur so vage formuliert werden konnten – nicht zu erwarten. Ich bewerte es grundlegend positiv.

Die ausgeweitete Anzahl der Teilnehmer des Treffens ist positiv. Der Iran, Saudi Arabien, Katar, Türkei und andere mussten an den Verhandlungstisch, wenn die Gewalt in Syrien beendet werden soll. Dass sich alle Teilnehmer der Konferenz erklärt haben, Syrien als einheitlichen und unabhängigen Staat erhalten zu wollen, dass seine territoriale Integrität und der säkulare Charakter grundlegend sind und dass die Teilnehmer sich erklären, dass die Staatsinstitutionen intakt erhalten werden sollen, ist sehr, sehr weitgehend.

Innerhalb der nächsten 14 Tage soll eine Folgekonferenz mit syrischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattfinden. Unter dem Dach der UNO und dem Vorsitz von de Mistura sollen Vertreter der Regierung Syriens und der Opposition zusammentreffen. Die Wiener Konferenz selbst wollte sich nicht weitergehend festlegen, wer das im Einzelnen ist. In der Erklärung taucht daher zum Beispiel nicht der Name des syrischen Präsidenten auf. Nach meinen Informationen – Außenminister Steinmeier hat dies bestätigt – hat Russland eine Liste mit den Namen von 30 Persönlichkeiten hinterlegt, die USA wird gleiches tun. Ohne Gespräch mit den syrischen Vertretern wird es für das Land keine Entscheidung geben können.

Das Wiener Dokument beinhaltet mehrere Positionen, die für die humanitäre Hilfe außerordentlich wichtig sind, so zum Beispiel eine landesübergreifende Feuerpause, Unterstützungen für die Binnenflüchtlinge und die Festlegung, dass auf dem gesamten syrischen Territorium ein freier Zugang für humanitäre Hilfe sichergestellt werden muss. Der Text zu den freien Wahlen ist klar und eindeutig: freie Wahlen sollen über politische Zukunft Syriens entscheiden. Es wird davon gesprochen, dass diese Wahlen frei und fair, transparent und nachvollziehbar sein müssen. Alle Syrerinnen und Syrer, auch solche im Exil, müssen dran teilnehmen können.

Dies alles können wir nur begrüßen und fördern. Dass wichtige Fragen in diesem Dokument nicht aufgegriffen wurden, verstehe ich als Aufforderung an uns, an solchen Fragen weiter zu arbeiten, nach Möglichkeit auch mit syrischen Flüchtlingen gemeinsam. So müssen zum Beispiel unsererseits Vorschläge bzw. Forderungen eingebracht werden für die Freilassung politischer Gefangener in Syrien, für die Aufhebung von Sanktionen (mit Ausnahme der Sanktionen über Waffenlieferungen), sowie für die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen.