Mehr bewaffnete Berater

Bundeswehr-Truppen in Afghanistan werden aufgestockt. Linksfraktion warnt vor Verwicklung in Kriegsverbrechen. Wehrbeauftragter will mehr Ausrüstung
13.11.2015
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Claudia Wangerin (junge Welt)

Die große Koalition aus Union und SPD schickt wieder mehr Soldaten an den Hindukusch. Die Obergrenze für das Mandat soll nach Angaben von Sicherheitspolitikern von derzeit 850 auf 980 Soldaten erhöht werden. »Der Mandatsentwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung«, zitierte die dpaam Donnerstag einen Sprecher des Verteidigungsministeriums. Zehn Tage zuvor hatte Kanzleramtschef und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier das »Ziel« formuliert, im umkämpften Afghanistan »Schutzzonen« einzurichten. Dann werde es möglich sein, »wesentlich mehr Menschen, deren Asylantrag abgelehnt worden ist, nach Afghanistan zurückzuführen«, hatte Altmaier im Deutschlandfunk nach knapp 14 Jahren deutscher Truppenpräsenz in dem Land erklärt. In diesem Zeitraum hatten die radikalislamischen Taliban zwar weiterhin Zulauf, aber inzwischen haben sie auch Konkurrenz: In mindestens sieben Provinzen sollen Terrorzellen aktiv sein, die sich zum »Islamischen Staat« zählen. Die Bundeswehr hatte sich an der von der NATO geführten ISAF-Truppe in Afghanistan zeitweise mit bis zu 5.350 Soldaten beteiligt. Ende 2014 wurde dieser Kampfeinsatz nach 13 Jahren durch die Mission »Resolute Support« (entschlossene Unterstützung) ersetzt und die Personalstärke heruntergefahren. Über den Plan, das deutsche Kontingent nun wieder zu verstärken, hatte am Mittwoch zuerst der Blog »Augen geradeaus!« unter Berufung auf »Regierungskreise« berichtet. Die Obergrenze von 980 deutschen Soldaten liege »knapp unter der psychologisch wichtigen Schwelle von 1.000«, befand der Journalist und Blogautor Thomas Wiegold, der als Privatperson im Impressum steht und nach eigenen Angaben die Truppe seit 1993 »von der Heimatfront bis zum Hindukusch« beobachtet. Das Mandat für die Beteiligung am NATO-geführten »Resolute Support«-Einsatz solle auch in Zukunft ausschließlich die Beratung afghanischer Sicherheitskräfte erlauben, so Wiegold. »Ein Kampfauftrag, wie er vor allem von Unionskreisen zur Absicherung von Schutzzonen für abgeschobene Flüchtlinge aus Afghanistan ins Gespräch gebracht wurde, ist damit endgültig vom Tisch.« Die Beratung für afghanische Einheiten soll aber laut Wiegold »künftig auch während deren Operationen möglich sein«. Faktisch kann dies eine direkte Teilnahme an bewaffneten Einsätzen, wenn nicht sogar deren Leitung bedeuten.

»Wenn die Bundeswehr neben den US-Streitkräften afghanische Sondereinheiten aktiv und vor Ort im Kampfgeschehen berät, wird sie ununterscheidbarer Teil von deren Kriegsführung und möglicher Kriegsverbrechen«, warnte die verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Christine Buchholz, am Donnerstag. »Operationen wie der gezielte Beschuss eines Krankenhauses in Kundus verdeutlichen, dass dies eine reale Gefahr ist«, erklärte Buchholz. Ihr Fraktionskollege Wolfgang Gehrcke forderte gestern in der Bundestagsdebatte zur Gründung der Bundeswehr vor 60 Jahren deren Abschaffung. »Für die Sicherheit des Landes brauchen wir keine Bundeswehr«, so Gehrcke. Er sprach sich dafür aus, den Verteidigungshaushalt zu kürzen und das Geld für die Bewältigung der Flüchtlingskrise auszugeben. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), klagte dagegen über Ausrüstungsmängel: Die Bundeswehr sei nur »bedingt abwehrbereit«, sagte er am Donnerstag laut Internetausgabe der Passauer Neuen Presse. »Für hundert Prozent Bundeswehr brauchen wir hundert Prozent Ausrüstung.«

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