Europaparteitag der LINKEN

Gähnende Unentschlossenheit
03.03.2019
Printer Friendly, PDF & Email
Wolfgang Gehrcke

Für die Linkspartei könnten der Ausgang der EU-Wahlen und ihr eigenes Ergebnis dabei von strategischer Bedeutung sein. Die Zusammensetzung des Europaparlaments wird in einer Zeit des rechten Durchmarsches Auskunft geben über die politischen Kräfteverhältnisse in der „Europäischen Union“. Und für DIE LINKE hat ihr Abschneiden dabei im Mai auch Auswirkungen auf die nachfolgenden Landtagswahlen. Gemessen an diesen Weiterungen, war der Europaparteitag der LINKEN ein langweiliger Flop. Leider.

Die Europäische Union hat ihre Strahlkraft längst verloren, sie ist in einer tiefen Krise. Immer mehr Menschen wünschen sich andere Formen grenzüberschreitender und internationaler Zusammenarbeit. Doch statt einer nüchternen Analyse des Ist-Zustands der Union und dem, was daraus folgt, blieben Parteitag und Wahlprogramm im Ungefähren. Daran änderte auch die Liebeserklärung an Europa nichts, die Katja Kipping auf dem Parteitag abgab. Wie sie, verwechselt auch Gregor Gysi die EU mit Europa. Als Präsident der Europäischen Linkspartei hatte es zusammen mit seiner Prätorianergarde vorgezogen, eine eigene europapolitische Plattform unter dem Titel „Ja, wir sind alle Europäerinnen und Europäer“ nicht seiner Partei (man kann sich ja nicht sicher sein, wie sie reagiert), sondern einige Tage vor dem Parteitag der Bundespressekonferenz zu präsentieren. Ein solches Vorgehen zeugt von Geringschätzung gegenüber der eigenen Partei. So raubt man ihr Leidenschaft und Ernsthaftigkeit. Und so gewinnt man keine Wahlen.

Das beschlossene Wahlprogramm ist lang und langweilig, ohne Kampfansage an die real existierende Europäische Union. Viel Mühe haben sich die Parteivorsitzenden und die Tagungsleitung gegeben, präzise politische Aussagen zum deutsch-russischen Verhältnis und der drohenden Gefahr eines gewaltsamen US-geführten Putsches in Venezuela zu umschiffen; die dazu regulär vorgelegten Anträge wurden nicht behandelt.

Wer den Parteitag der LINKEN verfolgt hat, hätte auch nicht wahrnehmen können, dass mit der Kündigung des INF-Vertrages wieder die Gefahr einer atomaren Vernichtung möglich geworden ist. Der Parteivorstand hatte diesen Parteitag nach Bonn einberufen nicht zuletzt in Erinnerung an die Massenaktionen der Friedensbewegung 1983 gegen den NATO-Doppelbeschluss. Damals hatten eine halbe Million Menschen im Bonner Hofgarten gegen die geplante Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen in Europa protestiert. Einer der Redner war damals Willy Brandt. Doch leider erreichten Inhalte und Kultur der damaligen (und der heutigen) Friedensbewegung den Europaparteitag nicht wirklich. Nicht in ihrem Sinne war es ein Parteitag der Unverbindlichkeit, der konkreter Friedenspolitik ausweicht – so im Verhältnis zu Russland, so auch in halbherziger Parteinahme gegen den versuchten US-Putsch in Venezuela. Schade, DIE LINKE hat eine große Chance vertan, sich als verlässliche Friedenskraft zu erweisen.

Die Kritik daran haben auf dem Parteitag in je einer persönlichen Erklärung Ellen Brombacher und ich vorgetragen.

Ich möchte noch auf zwei aus meiner Sicht wichtige Auswertungen des Parteitags hinweisen:
Ralf Krämer vom Sprecherrat der Sozialistischen Linken, Partei(tag) ohne Orientierung: http://www.sozialistische-linke.de/politik/debatte/1129-parteitag-ohne-orientierung
Erste Überlegungen des Sprecherrats der Kommunistischen Plattform, Bonn und die Gesslerhüte: https://kpf.die-linke.de/erklaerungen/news/bonn-und-die-gesslerhuete/