"So macht man keine Außenpolitik"

08.02.2010
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junge Welt

Bei »Schurken« ist Schluß mit der Diplomatie. Beobachtungen eines Linken bei der »Münchner Sicherheitskonferenz«. Ein Gespräch mit Wolfgang Gehrcke
Interview: Claudia Wangerin
Wolfgang Gehrcke ist außenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag


Sie haben soeben als erstes Mitglied der Bundestagsfraktion Die Linke an der »Münchner Sicherheitskonferenz« im Luxushotel Bayerischer Hof teilgenommen. Welche Eindrücke konnten Sie dort sammeln?
Mein Gesamteindruck ist, daß hier sehr viel altes Denken mit moderner Sprache kombiniert wurde. Die Sprache der »Sicherheitskonferenz«, die früher »Wehrkundetagung« hieß, hat sich der Zeit angepaßt – aber das Denken nicht. Es wurde in alten Kategorien diskutiert – im Zentrum standen das NATO-Militärbündnis und der Irrglaube, daß die Probleme dieser Welt militärisch zu lösen sind. Unter den rund 300 Teilnehmern war die Wunschvorstellung einer entgrenzten NATO verbreitet, die als weltweite Organisation in Konkurrenz zu den Vereinten Nationen steht.

Die Teilnehmerliste ist ja schon mit wenigen Ausnahmen ein Who is Who einer elitären Sicherheitspolitik – sie läßt einen entweder in Ehrfurcht erstarren oder man wendet sich mit Grausen ab, es kommt nur auf den Standpunkt an. Hinzu kommen standesgemäße Eitelkeiten, die mich ein wenig an die Galopprennbahn in Hamburg erinnert haben – man führt mal eben seinen neuen Hut oder seinen neuen Anzug spazieren. Sehen und gesehen werden, das gehört offensichtlich dazu – ich will damit nichts verharmlosen, aber man muß auch mal über den politischen Gegner spotten können. Beängstigend war, daß deutlich erkennbar »Schurkenstaaten« ausgemacht wurden, auch man sie nicht direkt so benannt hat.

Sie spielen auf Irans Außenminister Manuchehr Mottaki an, der im Streit um die Nutzung der Atomenergie gesagt hat, Teheran wolle leicht angereichertes Uran zur weiteren Aufbereitung ins Ausland geben, wenn es als Ersatz höher angereicherte Brennelemente für einen Forschungsreaktor bekommt?
Ja. Klug wäre es gewesen, dieses Angebot auf seine Substanz abzuklopfen. Es gibt sicher mehrere Konferenzteilnehmer, die das technisch gar nicht beurteilen können, dazu gehöre ich selbst auch. Mein Eindruck war allerdings, daß die ablehnende Haltung schon vor Mottakis Rede feststand. Sofort hieß es »Nichts Neues, die wollen nur Zeit schinden« und »Alles nur Geschwätz«. So macht man keine Außenpolitik, wenn man am Frieden interessiert ist. Aus diplomatischer Sicht ist dieser Umgang empörend – und US-Senator Joe Lieberman, der dem Iran sogar mit Militärschlägen gedroht hat, ist schließlich kein einflußloser Mann.

Wie war Ihr Eindruck von der Diskussion über den eskalierenden Krieg in Afghanistan?
Versammelte Hilflosigkeit – gepaart mit militärischer Gewaltbereitschaft. Von der Sprache darf man sich nicht täuschen lassen. Ein Fragesteller hat gesagt, er finde es erleichternd, daß die NATO nun endlich ausspricht, daß sie sich in Afghanistan im Krieg befindet. Das ist einerseits die Realität, die wir immer eingeklagt haben – aber die Absicht ist natürlich eine andere: Man will, daß Kriegsrecht angewandt wird; und man will die Bevölkerung an Kriege gewöhnen. Die Grundlinie ist: Der Krieg in Afghanistan muß militärisch gewonnen werden. Die »Afghanisierung des Krieges« durch Hochrüstung der afghanischen Armee ist auch kein neues Konzept. Es ist eine alte koloniale Herangehensweise, die als neue Strategie und »Übergabe der Verantwortung« verkauft wird. Der Zeitraum von fünf Jahren, der für einen möglichen Rückzug der NATO-Truppen genannt wurde, ist völlig willkürlich.

Sie selbst hatten auf dieser Konferenz kaum Gelegenheit, ihren Standpunkt einzubringen. Ihre Teilnahme ist auch im Vorfeld unter Linken auf Kritik gestoßen. Hat es sich aus Ihrer Sicht trotzdem gelohnt?
Man lernt dort sehr viel über die Strategie der anderen. Für reformierbar halte ich diese Konferenz nicht. Aber wenn sonst Vertreter aller Parteien im Bundestag daran teilnehmen, dann sollen die Veranstalter ruhig daran erinnert werden, daß es eine parlamentarische Kraft mit grundlegend anderen außenpolitischen Prinzipien gibt. Wir haben als Linke Jahre lang eine Einladung gefordert, weil die Konferenz ja auch mit öffentlichen Geldern subventioniert wird, also können wir nicht kneifen, wenn es so weit ist. Trotzdem fand ich es verständlich und beruhigend, daß Linke und Friedensbewegung über meine Teilnahme nicht unkritisch in Jubel ausgebrochen sind.

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