"Den Staat Palästina anerkennen"

21.09.2011
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„Den Staat Palästina anerkennen" (Wolfgang Gehrcke)

 

Die Linke will, dass Deutschland in der UNO dafür stimmt, dass Palästina als Vollmitglied aufgenommen wird. Wir sind der Auffassung, das ist deutsche Verantwortung gegenüber Israel und Palästina.

126. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am 21. September 2011
TOP 11 – Antrag der Fraktion DIE LINKE
„Den Staat Palästina anerkennen“

Rede des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke
(Auszug aus dem Protokoll)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ungefähr zur gleichen Zeit, zu der wir hier zu diesem Thema hätten debattieren sollen, haben sehr viele Menschen in Tel Aviv, einige Tausend, und sehr viele Menschen in Ramallah, auch einige Tausend, für die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der Vereinten Nationen demonstriert. Ich habe ihnen versprochen, dass ich das, was sie auf ihren Kundgebungen ansprechen, auch hier im Deutschen Bundestag vortragen werde. Ich finde, es ist ein ganz tolles Zeichen, dass Menschen in Israel und Menschen in Palästina für die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der Vereinten Nationen auf die Straßen und auf die Plätze gegangen sind.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist genau das, was ich möchte: dass in dieser Art und Weise Verständigung entsteht.

Die Linke will, dass Deutschland in der UNO dafür stimmt, dass Palästina als Vollmitglied aufgenommen wird. Wir sind der Auffassung, das ist deutsche Verantwortung gegenüber Israel und Palästina. In dieser Frage sind die Differenzen zwischen den Fraktionen des Bundestages aus meiner Sicht nicht unüberbrückbar.

Ich will einige Stichworte nennen: Es geht um zwei Staaten, Israel und Palästina, die friedlich nebeneinander in Sicherheit und Gerechtigkeit existieren, zwei Staaten auf der Grundlage der Grenze von 1967, Ostjerusalem als Hauptstadt des palästinensischen Staates und eine gerechte, einvernehmliche Lösung der Flüchtlingsfrage. Dazu gehört ein Sicherheitsabkommen, das die palästinensische Souveränität respektiert und die Besatzung beendet. Ein solcher Weg kann dem Terrorismus den Boden entziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

All die gemeinsamen Positionen, die Sie vorgetragen haben - die Linke teilt sie - , findet man auch in der Erklärung, die der britische UN-Vertreter im Weltsicherheitsrat im Namen des Vereinigten Königreiches, Frankreichs und Deutschlands abgegeben hat. Am Schluss dieser Erklärung heißt es das zitiere ich wörtlich :

Unser Ziel bleibt eine Vereinbarung über alle Fragen des endgültigen Status und die Begrüßung von Palästina als Vollmitglied der Vereinten Nationen im September 2011.

Dieser Text der Abstimmungserklärung ist im Februar dieses Jahres auch von der Bundesregierung unterschrieben worden. Ich möchte, dass das eingelöst wird,

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und des Abg. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

dass mit den doppelten Standards Schluss gemacht wird und dass man die Menschen nicht immer wieder enttäuscht, indem man über die Probleme hinweggeht.

Wenn ich mir die Gegenargumente anschaue - ich kann nicht alle nennen -, dann erkenne ich: Das sind weniger Einreden als vielmehr Ausreden. Ich nenne zwei Gegenargumente, die ich für besonders bedeutsam halte:

Es wird gesagt, der Gang zur UNO sei eine einseitige Handlung der Palästinenser. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu und sein Außenminister haben gesagt: Das könnte dazu führen, dass alle Verträge - einschließlich des Vertrages von Oslo - hinfällig werden.

Ich frage Sie, wieso der Gang zu den Vereinten Nationen, dem Weltforum, eine einseitige Handlung ist, obwohl sich mittlerweile über 150 Staaten bereit erklärt haben, die Palästinenserinnen und Palästinenser zu unterstützen. Für mich ist es ein Riesenfortschritt, dass die unbefriedigende Situation nicht mit dem Griff zur Waffe, nicht mit neuer Gewalt, sondern mit dem Gang zur UNO beantwortet worden ist. Das muss man hier doch auch einmal politisch klarstellen, und die Regierung muss sich entsprechend verhalten.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD))

Daneben wird gesagt, dass ein Scheitern der Verhandlungen zu neuem Aufruhr im Nahen Osten führen kann. Ich sage Ihnen: Wenn Sie das verhindern wollen, dann muss man den Palästinensern zeigen, dass sie nicht alleine sind, sondern dass Menschen in aller Welt auf ihrer Seite sind. Man muss ihnen zeigen, dass es eine Möglichkeit gibt, zu einem eigenen Staat zu kommen, der ihnen moralisch und politisch zusteht, und man muss ihnen zeigen, dass wir nicht wegschauen

(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Tun wir doch nicht!)

und dass wir nicht wollen, dass neue Gewalt gegen sie angewandt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung muss sich entsprechend verhalten. Ich denke, die Bundesregierung muss in der Vollversammlung der Vereinten Nationen und im Weltsicherheitsrat für die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied eintreten. Ich sehe die Gespräche des Nahostquartetts, die ja auch in New York stattfinden, nicht als konkurrierend dazu an. Ich frage mich immer, warum nicht beides möglich ist und warum Deutschland nicht endlich mit anderen europäischen Staaten die Initiative dazu ergreift.

Ich wollte, dass das hier ausgesprochen wird, und ich wollte die Kolleginnen und Kollegen, die in Tel Aviv und in Ramallah demonstriert haben, nicht enttäuschen. Deswegen habe ich hier von meinem Rederecht Gebrauch gemacht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)