Alexis Tsipras - GegenBANKENmacht

15.01.2012
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Alexis Tsipras, Vizepräsident der Partei der europäischen Linken und Vorsitzender von SYNASPISMOS Griechenland

Liebe Genossinnen und Genossen, hallo!

Ich komme aus Griechenland, aus dem Land, das zum europäischen Versuchskaninchen der neoliberalen Barbarei auserkoren wurde, um die Krise als Chance für Bankiers und Kapitalisten zu gestalten. Wir befinden uns im zweiten Jahr der reaktionärsten Klassenpolitik, die jemals in einem Land der Eurozone implementiert wurde. Mein Land wurde als korrupt dargestellt. Seine Bürger wurden für schuldig erklärt, während die Bankiers und die gesamte Kleptokratie, die das Land über Jahrzehnte regiert, freigesprochen wurden. Menschen, die aus den Märkten und dem Finanzsystem kommen, sowie ehemalige IWF-Kräfte wurden in den kritischsten Bereichen eingesetzt. Daten wurden gefälscht, um das Staatsdefizit als das größte in Europa darstellen zu können. Sie gingen so weit, über den größten und teuersten öffentlichen Sektor der Eurozone zu sprechen, während genau das Umgekehrte wahr ist. Jede abweichende Meinung wurde verleumdet, damit das Volk sich mit den harten „Austeritäts“(=SPAR)maßnahmen als unvermeidbarem Weg abfindet.

 

 

Jede soziale Klasse und berufliche Gruppe wurde in eine Zunft umgetauft und der starke Widerstand der Gewerkschaften als Reaktion der Gewerkschaftler für ihre Privilegien bezeichnet. Ein ganzes Volk wurde für die Staatsschulden verantwortlich gemacht, unabhängig davon, ob diese zu 20 % durch die Erhöhung der Staatsausgaben und zu 80 % durch die systematische und gesetzlich geregelte Steuerbefreiung des Kapitals entstanden sind. Die riesigen Demonstrationen wurden von beeindruckend in turbulent umbenannt, während die Repression auf den Straßen von Athen an lateinamerikanische Zustände erinnerte. Alle, die gegen diese angebliche Einbahnstraße reagierten, wurden als europafeindlich bezeichnet. Das Lächerliche ist, dass die politischen Angestellten der Märkte in Griechenland, die alle Proteste als europafeindlich bezeichnen, hierfür ein nationalistisches Vokabular und eine Rhetorik „über die Rettung der Nation“ verwendeten.

Heute, zwei Jahre nach dem Einbau der harten Austeritätsmaßnahmen, herrschen in meinem Land Verzweiflung und Ausweglosigkeit. Einer von zwei jungen Menschen ist arbeitslos. Die Straßen von Athen sind voll mit Obdachlosen. Tausende junge Wissenschaftler suchen nach einer Möglichkeit zu emigrieren. Selbstmorde sind um 20 % gestiegen und humanitäre Hilfsorganisationen organisieren Volksküchen. Und was tut die Regierung? Sie bereitet einen neues Paket von „Austeritätsmaßnahmen“ vor, das die Löhne im privaten Sektor senken wird, „um uns zu retten“.

Ich beschreibe Euch dieses Bild als Vorgeschmack auf Eure eigene Zukunft und Gegenwart. In Griechenland ist die Regierung Papandreou durch immensen Volks- und Arbeiterwiderstand gefallen. Das Versuchskaninchen Griechenland hat sich gewehrt. Das Experiment wird jedoch weiterentwickelt. Die Zerstörung wird weitergeführt. Dies geschieht jetzt unter einem Premier, der ehemaliger Vizepräsident der EZB ist. Es ist, als ob hierzulande Herr Ackermann Kanzler wäre. Oder ist er es vielleicht schon?

Und nun steuern wir ein weiteres Darlehen von über 100 Milliarden an, das fast gänzlich in die Banken der Korruption fließen wird. Das ist die Vision von Merkel und Sarkozy: die gesellschaftliche Katastrophe, ein Europa der sozialen Tristesse, das von Bankiers regiert wird. Wir haben keine andere Wahl, als sie zu stoppen, als unsere Empörung in eine Kraft für den politischen Wandel fließen zu lassen. Wir entscheiden uns dafür, dieses Europa zu ändern. Völker Europas erhebt euch! Wir sind die 99 % und wir sind im Recht!

Mit der europäischen Linken und den Völkern Europas können wir NEIN sagen zu einem Europa der Banken. Wir können den Weg zu einem Europa der Solidarität öffnen!


GegenBANKENmacht – Veranstaltung der Europäischen Linkspartei und der Partei DIE LINKE am 15. Januar 2012 in Berlin, Volksbühne

Beitrag Pierre Laurent

Beitrag Maite Mola