Waffenstillstand ist das Gebot der Stunde

16.11.2012
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Das Wichtigste zuerst: Der Krieg darf nicht weiter eskalieren, ein Waffenstillstand ist das Gebot der Stunde! Ein Waffenstillstand wird die Probleme nicht lösen, aber er kann, wenn sich genügend Menschen dafür engagieren, verhindern, dass das Töten weitergeht. - Kommentar auf linksfraktion.de

16.11.2012 – Wolfgang Gehrcke, linksfraktion.de
»Waffenstillstand ist das Gebot der Stunde«

Von Wolfgang Gehrcke, Leiter des AK Internationale Politik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Das Wichtigste zuerst: Der Krieg darf nicht weiter eskalieren, ein Waffenstillstand ist das Gebot der Stunde! Ein Waffenstillstand wird die Probleme nicht lösen, aber er kann, wenn sich genügend Menschen dafür engagieren, verhindern, dass das Töten weitergeht. Für mich gilt: keine Raketen und Bomben auf Gaza und keine Raketen auf Tel Aviv und andere israelische Städte. Die größte Errungenschaft der palästinensischen Bewegung, die ich ungeheuer bewundert habe, war die Entscheidung, den Kampf fürderhin gewaltlos zu führen. Gewaltlos heißt nicht widerstandslos. Gerade der "arabische Frühling" hat doch gelehrt, dass Massen in der Lage sind, auf friedlichen Wege Regierungen zu stürzen und politische Systeme zu verändern.

Wo die Waffen sprechen, ist die Vernunft abwesend

Eines ist jetzt völlig uninteressant, die Frage zu beantworten, wer angefangen hat. Netanjahu sagt: Zuerst kamen die Raketen und dies ist unsere Antwort. Die Hamas sagt: Zuerst kam die gezielte Tötung – der lautlose Mord – an unseren Führern und dann unsere Reaktion. Ich sage: raus aus der Spirale der Gewalt und Schluss mit Demütigungen! Die ganze Region im Nahen Osten ist in Brand gesetzt, und es drohen noch größere Verwüstungen. In Libyen sind 30.000 Menschen im Krieg umgebracht worden. In Syrien tötet der Bürgerkrieg jeden Tag Menschen. Der Libanon steht an der Grenze eines Krieges. In Jordanien ist das Volk dabei, seine Herrschaft zum Teufel zu jagen. Nichts ist mehr sicher. Netanjahu setzt auf Gewalt, aber es gibt in Israel Menschen, die auf Vernunft setzen. Sie haben meine Sympathie. Jetzt muss man verhandeln. Jetzt muss die israelische Regierung über ihren Schatten springen und in den Vereinten Nationen für den Antrag Palästinas auf Anerkennung stimmen. Jetzt ist Obama wiedergewählt und jetzt muss er der israelischen Regierung sagen, dass die USA einen Einmarsch nach Gaza nicht akzeptieren werden.

All das wird nicht passieren. Auf alten Hass wird sich neuer Hass türmen. Wo die Waffen sprechen, ist die Vernunft abwesend. Gelöst werden die Probleme nicht.

Warum es gerade jetzt passiert, ist nicht zu beantworten, aber viele haben ganz eigene Motive. Netanjahu will als starker Mann die Wahl gewinnen. Er setzt auf Waffen statt Butter. Die soziale Bewegung ist ihm unheimlich. Um von ihr abzulenken, braucht er ein Feindbild, die Araber. Außerdem: Ein Krieg in Gaza, den Israel immer gewinnen wird, eignet sich auch als Signal in Richtung Iran. Obama will nach den Wahlen demonstrieren, wie stark er wieder geworden ist, dabei demonstriert er nur seine Schwäche. Die US-Doppelstrategie, mit den Moslembrüdern in Ägypten zu kuscheln, Islamisten in Syrien mit Waffen zu versorgen, aber die Hamas zu schlagen, ist die Quadratur des Kreises.

Abbas wurde sitzen gelassen – auch von der Bundesregierung

Aber auch die Hamas steht vor neuen Problemen. Ihr Kurs der letzten Monate ging in Richtung Vernunft und Verhandlungen. Das löst schnell den Vorwurf der Angepasstheit aus. Wenige haben die Signale der Hamas aufgegriffen und mit ihr verhandelt. Auch die Hamas beherrscht die Widerstandsszene in Gaza längst nicht mehr. Unterm Strich bleibt: Hauptsächlich betrogen ist der palästinensische Präsident Abbas. Er ist nicht mehr mit der Pistole, sondern mit dem Antrag auf Vollmitgliedschaft in die UNO gegangen. Viele unterstützten ihn, aber viele haben ihn auch sitzen lassen. Darunter die Bundesregierung.

Mir geht die Heuchelei der Bundesregierung auf den Keks. Salbungsvolle Worte darüber, wie verlässlich und klug doch Abbas und sein Ministerpräsident Fayyad sind und praktisch nichts aufzugreifen und nichts zu bewegen. Lahme Proteste gegen den israelischen Siedlungsbau, abtauchen, wenn es um den palästinensischen Antrag in der UN-Vollversammlung geht, ein Nahost-Quartett, das selber nicht mehr weiß, ob es noch existiert. Der Betrug an den legitimen Rechten der Palästinenser führt in die Gewalt. Weil ich die Gewalt nicht will, darum bekämpfe ich den Betrug.

linksfraktion.de, 16. November 2012