Ça ira Nr. 136: Waffenruhe ist die wichtigste humanitäre Weihnachtshilfe (19.12.2016)

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Waffenruhe ist die wichtigste humanitäre Weihnachtshilfe


Presseerklärung von Wolfgang Gehrcke am 14.12.2016

„Freies Geleit für die Zivilbevölkerung aus Aleppo und ein geregelter Abzug von Rebellen muss von der syrischen Armee und ihren Verbündeten garantiert werden“, erklärt Wolfgang Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. „Die obsiegende Kraft in den Kämpfen um Aleppo ist jetzt für die Gesamtbevölkerung der Stadt verantwortlich. Der Verantwortung gerecht zu werden ist nur möglich, wenn die Waffen schweigen. Der Westen muss auf die Rebellen einwirken, dass auch sie die Kampfhandlungen einstellen.“ Gehrcke weiter: 

 „Die Menschen in Aleppo müssen dringend humanitär versorgt werden. Die Vereinten Nationen und internationale Hilfswerke, vor allem das Rote Kreuz und der Rote Halbmond, müssen dafür sorgen, dass Medikamente und Lebensmittel zur Verfügung gestellt werden. Die Versorgung der leidenden Bevölkerung muss mit der Regierung Syriens verhandelt und abgestimmt werden.

Gerade jetzt müssen die Genfer Friedensgespräche wieder in Gang gebracht werden. Es ist dringend nötig, direkte Gespräche mit der russischen Führung zu suchen. Außerdem sollten die Medien für Friedensfähigkeit wirken und nicht den Konflikt immer wieder anheizen.

 Für eine solche geänderte Syrienpolitik müssen sich die Bundesregierung und die Europäische Union einsetzen und den UN-Sondergesandten Staffan di Mistura bestärken. Ebenfalls wäre es zu begrüßen, sich für eine Verlängerung des Mandates von di Mistura in der UNO zu verwenden.

Im Sinne der Menschen ist es sinnvoll, die Wirtschaftssanktionen gegen Syrien aufzuheben und diplomatische Beziehungen wiederherzustellen. Hilfe für die Bevölkerung in Syrien, das ist für DIE LINKE vordringlich, und nicht die von der CDU lautstark vorgetragenen Forderungen nach der Einsetzung eines Internationalen Gerichtshofes und der sofortigen Absetzung des syrischen Präsidenten Assad. Nur in Absprache mit Moskau und der gewählten Regierung in Damaskus können substanzielle Fortschritte für eine Beendigung der Gewalt und hin zu einer Friedenslösung erzielt werden.“

Zu einer damaligen Wertung des Neun-Punkte-Plans der Wiener Vereinbarung vom 30.10.2015 geht es hier

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Das Töten und Morden in Syrien muss gestoppt werden – Waffenruhe ist die wichtigste humanitäre Weihnachtshilfe


Wolfgang Gehrcke an Katja Kipping

Liebe Katja,

unsere am gleichen Tag (14. Dezember 2016) abgegebenen Erklärungen zu Syrien sind inhaltlich so weit voneinander entfernt, dass dieser Disput öffentlich geführt werden muss. Dazu will ich einen Anstoß geben. Für mich ist der entscheidende Ausgangspunkt, dem Töten und Morden entgegenzutreten und dies gegenüber allen Seiten. Dafür war ich auch mehrfach in Genf – bei der UNO, bei Vertretern der syrischen Opposition und beim Verhandlungsbüro der syrischen Arabischen Republik. Deine Erklärung legt den Hauptakzent auf die Verurteilung von Assad, Russland und den Vereinten Nationen. Dazu im Einzelnen: Wer jetzt feststellt, dass der UN-Sicherheitsrat „eklatant versagt hat“, sogar dass das sein Scheitern dem syrischen Präsidenten Assad de facto einen Freibrief ausgestellt hat, seine eigenen Städte zu bombardieren und seine Bevölkerung zu massakrieren, hat weder etwas verstanden von der realen Situation in Syrien noch was man der UNO abfordern kann und abfordern muss.

Ich gehe davon aus, dass die in Aleppo obsiegende Kraft - ich weigere mich die Begrifflichkeit von Gewinnern und Verlierern zu benutzen -, die vollständige Verantwortung dafür hat, Repressionen zu verhindern, Nothilfe zu leisten, medizinische Versorgung zu organisieren und Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Im Unterschied zu deinen Überlegungen ist es mein Vorschlag, dafür vor allen Dingen das Rote Kreuz und den Roten Halbmond zu unterstützen. Das geht nur mit und über Verhandlungen mit der Regierung Syriens und einem Mindestmaß an Abstimmung mit Russland. In dem Zusammenhang erscheint es mir sinnvoll, von der Bundesregierung erneut zu fordern, die Wirtschaftssanktionen gegen Syrien aufzuheben und diplomatische Beziehungen wiederherzustellen. Zu allem, was auf Verhandlungen auch mit der syrischen Regierung hinausläuft, sagst Du gar nichts. Das ist noch weniger als das, was derzeit in dem von Dir kritisierten Weltsicherheitsrat Standard ist.

Liebe Katja, Du siehst, ich setze nach wie vor auf Verhandlungen, auf Gespräche, auch auf den UNO-Sonderbotschafter de Mistura und seine Mission. Damit solche Gespräche überhaupt stattfinden können, im Übrigen auch zwischen Russland und den sogenannten Rebellen, braucht es ein Mindestmaß an Kommunikationsformen. Der kluge Satz von Willy Brandt, dass man immer mit seinen Feinden verhandeln muss und nicht mit seinen Freunden, gilt hier besonders. Nur aber wer ist Feind oder Freund in diesem Konflikt? Wir sollten ausschließen, dass die alte falsche Denkweise, dass der Feind meines Feindes mein Freund oder Verbündeter sein muss, in unseren Köpfen wieder Raum greift. Für mich ist eine Unterstützung der „Rebellen“, unterschiedslos wo genau sie jeweils stehen, unvorstellbar. Ich möchte, dass die so genannten Rebellen aus Aleppo abziehen können, damit der Grausamkeit der Zerstörungen Einhalt geboten wird. Diese Einigung bringt auch Hoffnung mit sich, dass die Genfer Friedensgespräche wieder in Gang gebracht werden könnten.

Den Vorschlag, sich mit einem „Uniting-for-peace“-Verfahren über den Weltsicherheitsrat hinwegzusetzen, finde ich gut. Er deckt sich auch mit meinen langfristigen Vorstellungen für eine Reform der UNO. Ich möchte, dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen einflussreicher wird als der Weltsicherheitsrat. 122 Staaten haben sich bisher für ein solches „Uniting-for-peace“-Verfahren ausgesprochen. Aber das Verfahren und die Mehrheitsbildungen werden nur erfolgreich sein, wenn sich die inhaltlichen Forderungen auf Verhandlungen und Friedensschluss, Verzicht auf Gewalt konzentrieren. Du stellst ins Zentrum Deiner Forderungen ein „Kriegsverbrecherverfahren“ und die diesbezügliche Verfolgung der syrischen Regierung. Dies verhindert, dass mit den Konfliktparteien zusammen ein Verfahren zur Beendigung der Gewalt gefunden werden kann. Über ein geregeltes Verfahren zur Beendigung von Gewalt und zur Zukunft Syriens bin ich in ständigem Gespräch mit syrischen linken Organisationen und Zusammenschlüssen. Die syrische Zivilgesellschaft, die es gibt und die viel zu wenig zur Kenntnis genommen wird, übrigens auch syrische Frauenorganisationen, die unbestritten dazu gehören, muss von der LINKEN vielmehr unterstützt werden. Dies übrigens auch Europa- und weltweit. Ich empfehle Dir sehr das von Daniela Dahn geschriebene Essay „Die Guten und die Bösen“ (freitag, 11. Dezember 2016).

Liebe Katja, was wir jetzt brauchen, ist eine starke Politik und nicht vermeintlich starke Worte. Schau‘ Dir die Wiener Erklärung zum Stellvertreterkrieg in Syrien an, sie ist von der Zielrichtung, von der Wortwahl und von der Konkretheit der Vorschläge genau das, was wir brauchen. Eine Unterstützung der LINKEN für einen einheitlichen säkularen demokratischen Staat in Syrien auf dieser Grundlage ist für mich unverzichtbar.

Mit solidarischem Gruß,

Wolfgang Gehrcke

Hier geht es (zum Nachlesen von Katja Kippings Erklärung)

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Die Guten und die Bösen - ein Essay von Daniela Dahn


Märchen: Eine einseitig ausgerichtete Presse prägt die Deutung der Schlachten von Aleppo und Mossul

Es war einmal ein militärischer Angriff auf eine islamische Al-Qaida-Hochburg, der war von Anfang an verwerflich, ja ein Kriegsverbrechen. Einfach weil die Muschiks, die russischen Soldaten, machen konnten, was sie wollten, es kam immer ein abscheuliches Verbrechen heraus. In diesem Fall Aleppo, das nun in Assads Hände zu fallen droht. Es war ein Kampf gegen Aufständische mit Anstand, die mit westlichen Waffen wacker gegen den Despoten kämpfen, der unsere Absichten stört. Sicher, auch sie sind Islamisten, die ein Kalifat anstreben, aber ein demokratisches. Es sind nämlich unsere Islamisten. Die wir jederzeit fallen lassen können, wenn sie tatsächlich für ihre Interessen kämpfen und nicht für unsere. Zeugen zum Treiben dieser Glaubensbrüder waren bedauerlicherweise unauffindbar. Diktator Assad und die Russen führen gegen sie dennoch keinen der humanitären Kriege, wie bei uns üblich, sondern einen Krieg ohne Erbarmen. Mit verbrecherischen Bomben.

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5. Kongress der Europäischen Linken (EL) in Berlin beendet


Gregor Gysi zum neuen Vorsitzenden der EL gewählt

Am Sonntag ging in Berlin ein dreitägiger Kongresses des Zusammenschlusses linker Parteien auf EU-Ebene zuende.
Bei einer Blockwahl des neuen Vorstandes wurde Gregor Gysi am Sonnabend mit 67,6 Prozent an die Spitze der Europäischen Linken (EL) gewählt.
Zu den Mitgliedern des Executive Boards zählen auch Judith Benda und Claudia Haydt von der Partei DIE LINKE.
Der bisherige Schatzmeister der EL, Dr. Diether Dehm, wurde nicht wiedergewählt.

Ça ira wird den Kongress im neuen Jahr ausführlicher auswerten.

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EU-Urteil auf dem Kongress der Europäischen Linken


Redebeitrag von Wolfgang Gehrcke auf dem 3-tägigen Kongress in Berlin

EU-Urteil

Die EU ist heute als imperialistischer Block dabei, sich selbst zu zerstören, also das berühmte Monster, das in diesem Fall nicht nur seine Kinder, sondern sich selbst frisst. Es bewahrheitet sich, was wir kritisch schon seit Jahren eingewandt haben. Die Europäische Union ist neoliberal, undemokratisch und nicht friedensbereit. Alle drei Umstände haben dazu geführt, dass die EU nicht nur ihre Strahlkraft verloren hat, sondern zunehmend auf Ablehnung und Widerstand stößt. Die linke Kritik an dieser EU muss klarer, eindeutiger beschrieben werden, auf keinen Fall wollen wir mit der EU untergehen.
Jetzt haben EU und NATO ein gemeinsames 42-Punkte-Programm für Aufrüstung in Europa beschlossen. NATO und EU werden soweit verzahnt, dass sie in vielen Teilen der Welt beinahe wie eine einheitliche Organisation wirken. Die NATO ist nicht etwa ziviler, sondern die EU militärischer geworden. Dieses Programm sieht vor, dass alle EU-Mitgliedsländer sich an dem 'NATO-Ziel 2 Prozent des BIP für Rüstung orientieren. Das heißt allein für Deutschland rund 35 Mrd.- auf 60 Mrd. Euro jährlich aufzustocken. In der EU wird ein Generalstab eingerichtet, von dem verzahnt mit dem NATO-Generalstab künftig Militäreinsätze der Mitgliedsländer der EU gesteuert werden. Die EU wird eine Neuauflage des Kalten Krieges mit Truppen an der Russischen Westgrenze. Das allerdings hat es früher nicht gegeben, mit Raketensystemen und antirussischen Agenturen. Dieser EU- und NATO-Politik muss DIE LINKE Widerstand entgegensetzen. Dazu kann der Abzug aller Atomwaffen aus Europa, Schließung von NATO-Stützpunkten gehören, und in allen europäischen Parlamenten sollten Linke den Aufrüstungsplänen Widerstand entgegensetzen. Linke Politik ist antimilitaristisch oder sie ist nicht links.

Zentrale Sicherheitsfrage: Verhältnis zu Russland

Die zentrale Frage in Europa wird das Verhältnis der EU und der Mitgliedsländer der EU zu Russland sein. Sicherheit in Europa gibt es nur mit Russland und nicht gegen Russland, und an Sicherheit in diesem Sinne sollte die Europäische Linke sich orientieren. Die Linke muss jetzt und miteinander abgestimmt in allen europäischen Ländern gegen die Sanktionspolitik der einzelnen Länder und der EU ihre Stimme erheben. Statt Sanktionen gegen Russland brauchen wir den Dialog mit Russland. Glaubwürdig können wir für den Dialog mit Russland eintreten, wenn wir ihn selbst praktizieren.

Nein zum Krieg

Es ist nicht richtig davon zu sprechen, dass Kriege in Europa drohen, sondern wir befinden uns inmitten schlimmer Kriege rings um uns herum. Krieg wütet in der Ukraine mit nunmehr bereits über 10.000 Toten. der Krieg in Syrien, dem über 300.000 Menschen bislang zum Opfer gefallen sind, zerstört auch europäische zivile Strukturen. EU-Militäreinsätze gib es in Mali, in Zentralafrika, und die NATO steht nunmehr im 15. Jahr im Krieg in Afghanistan.
Krieg erleben wir auch als einen Krieg der Reichen gegen die Armen dieser Welt. Nein zu Kriegen, das heißt Ja zum Völkerrecht und Ja zur globalen Gerechtigkeit. Das muss die Grundlinie der EU werden. Die Europäische Linke sollte dafür kämpfen, dass die EU wieder zivil wird. Das bedeutet auch, dass es nicht unsere Strategie und Konzeption sein kann, zu einem wie auch immer gearteten europäischen Militärverbund - einer Euro-Armee oder Euro-Rüstungsagentur - zu kommen. Wir müssen Militär in Europa in Frage stellen und - wo immer wir können - Bevölkerungsmehrheiten gegen Militarisierung unterstützen. Wir brauchen weder die NATO in Europa noch brauchen wir eine Militarisierung der EU.

 

Journalist und Publizist Eckart Spoo gestorben


(aus dem Nachruf des Ossietzky, dessen langjähriger Chefredakteur Eckart Spoo war)

Spoo sah die Pressefreiheit vom Grundrecht für alle zum Privileg einiger weniger Pressekonzerne verkommen, deren Eigentümer ihre Aufgaben darin sehen, den Kapitalismus und die von ihm geschaffenen gesellschaftlichen Verhältnisse zu rühmen und vor Kritik zu schützen – auch durch Verschweigen von Tatsachen, Verleugnen von Wahrheiten – und aus diesem Missbrauch der Pressefreiheit möglichst viel Profit zu ziehen. Spoo hielt publizistische Monopole für verfassungswidrig.

In der Konsequenz gründete er 1997 zusammen mit weiteren Publizisten eine eigene Zeitschrift: Ossietzky. Die Zweiwochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft steht in der antimilitaristischen und antifaschistischen Tradition der Weltbühne. Spoos Anspruch als langjähriger Ossietzky-Chefredakteur: jedes Heft voller Widerspruch gegen angstmachende und verdummende Propaganda, gegen Sprachregelungen, gegen das Plattmachen der öffentlichen Meinung durch die Medienkonzerne, gegen das vermeintliche Recht des Stärkeren und gegen die Gewöhnung an den Krieg. Zu diesen Themen veröffentlichte er auch eine Vielzahl aufklärerischer Bücher. Verlag und Redaktion Ossietzky werden Spoos Vermächtnis fortführen.