Ça ira Nr. 118: Völkermord an den Armeniern verurteilen (27.2.2016)

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Was uns wichtig war ...


... in einer weiteren Sitzungswoche im Bundestag, aber auch auswärts:

- Umberto Eco bleibt unvergessen,

- die ernüchternde Debatte im Bundestag zum Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren,

- die Ukraine in der Sackgasse,

- das alljährliche Festival Musik & Politik in Berlin und

- die bevorstehende Reise nach Israel und Palästina.

 

Umberto Eco „Der Name der Rose“


Der Tod Umberto Ecos ist für alle, die Interesse an guter, historisch begründeter Literatur haben, ein großer Verlust. Von den Werken Umberto Ecos ragt für mich besonders heraus sein Roman „Der Name der Rose“. Dieser ist vielfach verlegt, diskutiert und verfilmt worden. Ein Meisterwerk, von dem, wen man es gelesen hat, man zurecht sagen kann, man ist klüger geworden.

Klüger über die Bedeutung von Büchern und zugleich ihrer vorhandenen Beschränktheit. Im Zentrum des Romans steht eine Bibliothek und die in ihr gesicherte Erst- und einzige Schrift Aristoteles‘ über die Bedeutung des Lachens. In Klöstern lacht man nicht, eben so wenig wie in Parteien, und was die Versammlung der Klosterbrüder angeht, so ist sie einer Parteiversammlung, einer Beratung des ZK nicht unähnlich. Gestritten wird im Kloster nicht nur über die Lehre, selbstverständlich über die richtige Lehre, über Abweichungen und Abweichler, wie es in vielen linken Organisationen einen Streit über die Lehre, selbstverständlich die richtige Lehre gibt. Verurteilt werden im Kloster die Abweichungen und die Abweichler und verurteilt wird in klösterlichen Gemeinschaften genau dieser Typus. Ein Lachen, wenn es um so schwerwiegende Fragen geht, ist dann wirklich eine Sünde.

Klüger über die Regeln eines Klosters im Mittelalter wird man, wenn man Umberto Eco liest. Die Leserin und der Leser sind entsetzt über die Gewalt des Klosters, über seine Herrschaft über Menschen. Das Ganze fällt jedoch zusammen, wenn mensch einmal die Klostermauern verlassen hat. Der Gedanke von Umberto Eco über die Logik des Innen und Außen hat in der Gesellschaft, in Glaubensgemeinschaften, in Parteien, auch bei Linken Widerspruch und Nachdenken ausgelöst. „Der Name der Rose“ erschien 1980 in Italien, 1982 in der BRD und 1985 in der DDR. „Der Name der Rose“ ist ein Erkenntnisroman und eben kein Bekenntnisroman. Nachdenklich, Gewissheiten zerstörend und auf der Suche nach Wahrheit. Lesenswert auf alle Fälle.

 

Den Völkermord an den Armeniern verurteilen!


Im Rahmen der Debatte am 25.02.2016 im Deutschen Bundestag über den Antrag „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren“ der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (18/7648) boten diese der CDU/CSU-Fraktion die Erarbeitung eines gemeinsamen Antrages an und zogen daraufhin ihren eigenen Antrag zurück.

Während es im Plenum des Deutschen Bundestages zum Gedenken an den Völkermord am 24. April 2015 noch einen breiten Konsens zu geben schien, schrammte die 30-minütige Debatte am 25. Februar 2016 dicht an einem Eklat vorbei. Die Präsidentschaft in der Debatte hatte Edelgard Bulmahn inne. Ich weiß, dass man die amtierende Präsidentschaft nicht kritisiert, aber trotzdem: Es ist schon ungewöhnlich, während einer Debatte dem Redner der Grünen, Cem Özdemir, dreimal das Wort zu erteilen und gleichzeitig die Bitten um Kurzinterventionen von Sevim Dagdelen und von mir abzulehnen. Bemerkenswert, dass nach einer Aufforderung aus den Reihen der CDU Volker Kauder und Cem Özdemir stehend ein längeres Zwiegespräch neben der Debatte führten, um es schließlich unter dem Beifall der CDU per Handschlag zu besiegeln. Es war schon sehr ungewöhnlich, danach Cem Özdemir - mit einer nicht vorgesehenen Rede zur Geschäftsordnung - den eigenen Antrag der Grünen zurückziehen zu lassen. Damit war dann auch die vorgesehene Namentliche Abstimmung entfallen, samt der Möglichkeit, zum Abstimmungsverhalten von unserer Fraktion eine Erklärung abzugeben.

Nachzuverfolgen ist das Video dieser Debatte hier.

Erinnert sei hier auch nochmals an den Antrag 18/4335 der LINKEN vom 18.03.2015, der zum bevorstehenden Jahrestag 2016 wieder eingebracht werden sollte und als bisher einziger Antrag sowohl das Faktum des Völkermordes als auch die erhebliche deutsche Mitverantwortung ganz klar benennt.

 

Ukraine in der Sackgasse


(Kurzfassung, die Langfassung ist hier zu finden)

Schon knapp zwei Jahre dauern die militärischen Konflikte in der Ostukraine. Ungezählt sind die von dort Geflohenen. Schätzungen nennen zwei bis zweieinhalb Millionen Geflüchtete. Mehr als 9.000 Kriegstote sind zu beklagen. Verheerende Zerstörungen in den Gebieten Donezk und Luhansk sowie fortgesetzte Feindseligkeiten machen das Leben der verbliebenen Einwohner sehr schwer.

Als bisher wichtigste positive Wirkung des Abkommens Minsk II wird von fast allen Beobachtern anerkannt, dass seit geraumer Zeit keine massiven Kriegshandlungen mit schweren Waffen stattfinden. Doch einen Stillstand aller Waffen gibt es bisher nicht. Zur Zeit der „Sicherheitskonferenz“ in München Anfang Februar jährte sich der Abschluss dieses Abkommens, das zwischen Frankreich, Deutschland, Russland und der Ukraine ausgehandelt wurde. Weil die beschlossenen 13 Maßnahmekomplexe zur Umsetzung von Minsk II im Jahr 2015 nur unzureichend oder nicht realisiert worden waren, wurde im Herbst vorigen Jahres die Laufzeit des Abkommens für das Jahr 2016 verlängert. Warum hielt der ukrainische Präsident in München eine Brandrede gegen Russland, statt über nächste Schritte zur Umsetzung der in Minsk II festgelegten Maßnahmen zu sprechen? Er wählte dieses Ausfallmanöver, weil sich die Ukraine in einer umfassenden Gesellschaftskrise befindet.

Die allgemeine Krise in der Ukraine kulminiert zurzeit im Scheitern der Regierungskoalition. Anfang Februar trat der Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius zurück. Der ehemalige Investment-Banker klagte über den anhaltenden Widerstand gegen seine Privatisierungspläne. Mitte Februar verlor innerhalb weniger Tage die Regierung von Arseni Jazenjuk die parlamentarische Mehrheit.

Zusammengefasst einige politische Ergebnisse: Die Regierungskoalition in Kiew hat auf kommunaler Ebene keine stabile Mehrheit. Die Poroschenko-Partei erzielte in allen Landesteilen zweistellige Ergebnisse und konnte ihr Gewicht erhöhen. Nach den Parlamentswahlen im Oktober 2014 kam eine Regierungskoalition aus 5 Parteien zustande. Bereits im Herbst 2015 schied die „Radikale Partei Oleh Ljaschko“ aus der Regierung aus. Der Präsident Poroschenko hatte in Umsetzung von Punkt 11 des Minsk-II-Abkommens („Dezentralisierung“) den Entwurf für eine Verfassungsänderung ins Parlament eingebracht. Durch die Verfassungsänderung sollte ein besonderer Status für die Gebiete Donezk und Luhansk ermöglicht werden. Die „Radikale Partei“ lehnte das grundsätzlich ab.

Und nun, im Februar 2016, haben auch die Parteien „Vaterland“ von Julia Timoschenko und „Selbsthilfe“ die Regierungskoalition verlassen. Es verblieben nur noch die „Volksfront“ von Jazenjuk und der „Block Petro Poroschenko“. Die ukrainische Regierung ist ohne parlamentarische Mehrheit. Ganz gleich, welche neue Regierung installiert wird, zu einem Ausweg aus der gesamtgesellschaftlichen Krise gehören zwingend erstens die Realisierung des Minsk-II-Abkommens und zweitens die Beendigung des Wirtschaftskrieges gegen Russland. Sollte Minsk II nicht erfüllt werden, so bliebe Europa ein höchst gefährlicher Kriegsbrandherd.

Als im November 2014 die Bundestagsabgeordneten der Partei „Die Linke“, Wolfgang Gehrcke und Andrej Hunko, von der katastrophalen Lage im Kinderkrankenhaus (mit Gynäkologie und Poliklinik) von Gorlowka erfuhren, starteten sie eine Spendenaktion für Medikamente, die in diese ostukrainische Stadt im Gebiet der „Volksrepublik Donezk“ gebracht werden sollten. Bis zum November 2015 kamen durch Einzel- und Sammelspenden insgesamt 130.000 Euro zusammen. Im November erfolgte durch beide Bundestagsabgeordnete die Übergabe der Medikamente an das Kinderkrankenhaus in Gorlowka (siehe Bericht von Christiane Reymann).

Für diese humanitäre Aktion wurde seitens der ukrainischen Regierung den Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke und Andrej Hunko die Durchreise nach Gorlowka verweigert. Das ist ein krasser Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Dieses Einreiseverbot verstößt auch gegen den EU-Ukraine-Assoziationsvertrag. Und unter Punkt 7 des Minsk-II-Abkommens heißt es: „Es ist auf Grundlage internationaler Mechanismen für sicheren Zugang, Lieferung, Lagerung und Verteilung humanitärer Hilfsgüter für Bedürftige zu sorgen.“ Es dürfte wohl die Pflicht der Bundesregierung sein, derartige Einreiseverbote für Bundestagsabgeordnete und humanitäre Zwecke nicht stillschweigend hinzunehmen.

Das Zündeln am militärischen Konflikt in der Ostukraine muss aufhören. Das Minsk-II-Abkommen zeigt den Ausweg aus der kriegerischen Konfrontation.

 

Vom Festival Musik & Politik in Berlin


Aus dem Festivalprogramm am 26.02.2016: Hört ihr noch den Ruf der Schwäne?

Großartig eröffnetet wurde in Berlin das diesjährige Festival in der "Wabe"  mit neu arrangierten Liedern des alten und höchst aktuellen Degenhardt:

Franz Josef Degenhardt (1931–2011): „Väterchen Franz“, der Dichter, Liedermacher und promovierte Rechtsanwalt der Außerparlamentarischen Opposition, Verteidiger der Bader-Meinhof-Gruppe und von mit Berufsverbot belegten Sozialdemokraten und Kommunisten, SPD- und späteres DKP-Mitglied (seine Figuren Rudi Schulte, Mutter Mathilde und Natascha Speckenbach waren lang schon dabei) – unstrittig eine der wichtigsten Stimmen der 68er-Bewegung. Er hinterließ mit 55 Alben und Singles und acht Romanen, von denen nicht wenige preisgekrönt wurden, ein gewaltiges Œvre. Dietrich Kittner befand, er habe „mit seinem Werk das Lebensgefühl einer ganzen Generation geprägt. Mehr kann ein Liedermacher und Romancier sich kaum wünschen. Der Nobelpreis wäre da angemessen.“

Gina Pietsch (Berlin, geb. 1946) sang im Ensemble mit Frauke Pietsch (piano, voc) und Stefan Litsche (clar) Lieder des Altmeisters, die von Frauke Pietsch für Klaver und Klarinette neu gesetzt wurden. Ein sehr gelungenes Arrangement mal klassisch gewordener, mal zwischentöniger Lieder, darunter auch einige seiner Georges Brassens-Nachdichtungen.

Kai Degenhardt (Hamburg, geb. 1964) – Rechtsanwalt und Liedermacher wie schon der Vater und auch sein Bruder Jan, daneben aber auch Autor und Plattenlabel-Betreiber – stellte seine Versionen von Liedern des Vaters neuen, eigenen Liedern gegenüber.

 

Reise nach Israel und Palästina


Vom 7. bis 13. März werde ich nach Israel und Palästina fahren. Ich möchte in Israel Gespräche mit den Fraktionsleitungen der in der Knesseth vertretenen Parteien, insbesondere auch mit den demokratischen, linken Oppositionsparteien Vereinigte Arabische Liste, in der auch die israelischen Kommunisten vertreten sind, sowie mit der linken Meretz und der sozialdemokratischen Arbeitspartei, führen. Dabei geht es meinerseits vor allen Dingen um deren Stellungnahmen zu den Entscheidungen der israelischen Regierung betreffend die Rechte und den Status israelischer Nichtregierungsorganisationen sowie der Parlamentarischen Rechte frei gewählter Abgeordneter.

Über Gespräche in Tel Aviv und Jerusalem hinaus – insbesondere habe ich ein Gespräch im Außenministerium des Staates Israel zum Stand der Friedensgespräche erbeten – ist ein Besuch im Gebiet der Negev-Wüste vorgesehen, um sich vor Ort über die Diskriminierung der beduinischen Bevölkerung zu informieren. Weiterhin plane ich ein Treffen mit dem israelischen Schriftsteller Amos Oz.

In Palästina soll ein Treffen mit Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie mit Abgeordneten des Legislativrates stattfinden. Ein weiteres Treffen ist mit Vertretern von palästinensischen NRO’s und linken palästinensischen Parteien vorgesehen.

Und wie immer zu Reisen nach Israel habe ich die israelische Regierung um einen Besuch bei dem derzeit in Haft befindlichen palästinensischen Abgeordneten Marwan Barghuti gebeten. Im Rahmen des Bundestagsprogramms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ betreue ich Herrn Barghuti und versuche seit Jahren, eine Besuchserlaubnis zu erhalten.