Enthaltung ist immer suboptimal

07.04.2014
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Lieber Wolfgang,

herzlichen Dank für Deine erfreulich sachlichen Zeilen, mit denen auch ich mich auseinandersetzen muss. So stelle ich mir überhaupt den Meinungsstreit vor, nur leider laufen die Debatten über die Militärfrage in unserem Verein doch grundlegend anders ab ...

 

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Antwort von Paul Schäfer an Wolfgang Gehrcke

Lieber Wolfgang,

herzlichen Dank für Deine erfreulich sachlichen Zeilen, mit denen auch ich mich auseinandersetzen muss. So stelle ich mir überhaupt den Meinungsstreit vor, nur leider laufen die Debatten über die Militärfrage in unserem Verein doch grundlegend anders ab ...

Was die Positionen zur Fregatten-Entsendung anbetrifft, gibt es für mich drei Varianten:

1) Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr. Damit kannst du in der Tat, ein Nein zur Fregatte Augsburg begründen und dies prinzipiell. Das wäre eine stringente Position, die man erörtern müsste, was heißt das hinsichtlich der deutschen Rolle in der Welt, in den Vereinten Nationen, in der NATO etc. Und ist eine solche Auffassung tatsächlich durchsetzbar? Ich halte eine solche Position nicht für politisch gangbar und auch moralisch fragwürdig: Die Meinung, Blauhelmmissionen, die sinnvoll sein können (s. Rwanda), sollen gefälligst die Bangladeshis machen halte ich nicht für richtig ...
Aber das wäre immerhin eine stimmige Position, dann sollte man aber alle krampfhaften Versuche unterlassen, eine (pseudo-) rationale Begründung zurechtzuzimmern ... Wer sagt, dass die Zerstörung des Giftgases geschützt werden muss, der kann sich nicht darüber beschweren, dass dies Soldaten tun, die sich durch Waffengebrauch schützen wollen. Auch die Argumente, die Polizei soll es machen etc.pp., sind alle auseinanderzunehmen.

2) Deutschland soll sich beteiligen, die Entsendung einer Fregatte ist dabei nicht zwingend erforderlich. (Obwohl ich das Argument, an Kriegsschiffen im Mittelmeer gäbe es keinen Mangel, für sehr schwierig halte. Deutschland soll sich nicht beteiligen, weil es eine problematische Haltung im Syrien-Konflikt einnimmt, also sollen das gefälligst die Amerikaner machen. Merkwürdige Logik) Immerhin: Dann ist man mitten in einem Güterabwägungsprozess - und eben nicht in einem weltanschaulichen Grundsatzstreit. Dann kann man auch zu der Schlussfolgerung kommen, sich zu enthalten. Damit würde man die Unterstützung des abrüstungspolitischen Anliegens Rechnung tragen und gleichzeitig seine Kritik an der deutschen Form der Beteiligung deutlich machen. Enthaltung ist immer suboptimal, aber in diesem Falle durchaus eine vernünftige Option. Das kann man noch unterstreichen durch den Hinweis auf die Ausbootung Russlands (Frag` doch im Ausschuss nach, warum die NATO zwar die militärischen Zusammenarbeit mit RUS eingestellt hat, davon aber Ausnahmen macht, die allesamt Afghanistan betreffen: Überflugrechte, russ. Hubschrauber-Ausbildung, Drogenbekämpfung. Wenn wir der Logik von der Leyens folgen, so geht es bei dieser Kooperation nicht um Völkerrecht und Menschenrechte. Ist doch merkwürdig?!)
Warum kommt für Dich unter diesen Vorzeichen eine Enthaltung nicht in Frage? Oder habe ich das falsch verstanden und du plädierst für eine Enthaltung der Fraktion?

3) Zustimmung, weil man die Abrüstung der syrischen Massenvernichtungswaffen für eine enorm wichtige Sache hält (durchaus von uns aus zu ergänzen durch eine größere Nahost betreffende Initiative) und es auch für vertretbar, dass sich am militärischen/polizeilichen Schutz zahlreiche Nationen beteiligen, auch Deutschland. Dabei spielt es eine zweitrangige Rolle, dass dieser Einsatz US- oder NATO geführt ist. Das ist zu kritisieren, kann aber für mich nicht ein ausschlaggebender Grund sein. Du wirst immer ein Haar in der Suppe finden (und den Eindruck vermittelt gegenwärtig das Auftreten der "Ablehner") und nach diesem Muster würde man auch Gründe finden gegen einen Völkermord verhindernden Einsatz, wie ihr in Rwanda nötig gewesen wäre, weil Belgier oder Franzosen dabei wären, weil dies und das ...

Das, was du kritisch zu dem dummbatzigen Staatsminister Roth und der nassforschen von der Leyen schreibst, teile ich - auch die Besorgnis, die auch in den Medien nach der Münchner Konferenz laut geworden ist (auch wenn ich manches für reflexartig und undifferenziert halte). Darauf ließe sich durchaus eine Enthaltung bei der Abstimmung stützen (so habe ich auch bisher argumentiert). Ich bleibe aber dabei, dass dieser Kontext zu beachten ist, aber nicht unbedingt verhaltensleitend was die Abstimmung betrifft. Denn auch daraus kannst du immer einen Vorbehalt stricken. Jede Regierung wird solche Dinge zu ihrer öffentlichen Legitimation nutzen und wenn man sich davon leiten ließe, dürften wir keinen sozialen Reformmaßnahmen zustimmen etc. Das kann eine politische Kraft tun, die sich immerwährend und in jeden Fall fundamentaloppositionell definiert. Wir sollten es nicht.

Mit freundlichem Gruß und nochmal herzlichen Dank für deine Art, mit dem Problem umzugehen.

Paul S.