Für DIE LINKE ist Außenpolitik Antikriegspolitik

09.01.2012
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Mit Außenpolitik kann man nur selten Wahlen gewinnen, aber man kann mit einer falschen Außenpolitik Wahlen verlieren. DIE LINKE muss Schwerpunkte setzen. Wir wollen ein demokratisches, friedliches und soziales Europa, kein Europa der Finanzhaie und Großbanken. Für Die LINKE ist Außenpolitik Antikriegspolitik, das heißt Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, eine Friedensregelung für den Nahen Osten und Schluss mit dem Kriegsgeschrei gegen den Iran. Ein Krieg gegen den Iran wäre eine Katastrophe für die Menschheit. DIE LINKE will Abrüstung und auch deshalb müssen Rüstungsexporte verboten und der Rüstungsetat gekürzt werden. Der NATO-Gipfel im April in den USA wird weltweite Gegenaktionen der Linken auslösen. DIE LINKE bleibt dabei: Die NATO soll aufgelöst und durch ein nicht-militärisches Sicherheitssystem ersetzt werden. Und schließlich: Ohne globale soziale Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben!

 

Interview der Woche

»Für DIE LINKE ist Außenpolitik Antikriegspolitik«

Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über die Situation im Nahen Osten und die Chancen für tragfähige Friedensverhandlungen, über den deutschen Militäreinsatz in Afghanistan und einen drohenden Krieg im und um den Iran sowie die außenpolitischen Ziele im Jahr 2012

Sie sind gerade mit einer Delegation der LINKEN im Nahen Osten: Welche Erfahrungen machen Sie vor Ort?

Der Nahe Osten ist ein Pulverfass. Neue Kriege, neue Gewalt drohen. Die israelische Gesellschaft muss ihre Wagenburg-Mentalität überwinden, wieder mehr Demokratie wagen und ein Verständnis dafür entwickeln, dass Israel ein organischer Bestandteil der Region ist. Von den Palästinenserinnen und Palästinensern erbitte ich, bei dem Weg ihres Präsidenten mit dem Ölzweig und dem Antrag auf Vollmitgliedschaft in der UNO für den Frieden zu werben, zu bleiben. Gewalt wird nur immer wieder neue Gewalt zeitigen.

Der Nahost-Konflikt ist zurzeit zugespitzter als lange zuvor. Welche Möglichkeiten sieht DIE LINKE, eine friedliche Entwicklung zu fördern?

Die Kräfte des Friedens sind heute eher außerhalb der Regierungen zu finden. Die Rechtsregierung in Israel tut alles, um eine Zwei-Staaten-Lösung, von der sie zwar redet, zu sabotieren. Das Nahost-Quartett ist ein vollständiger Ausfall. DIE LINKE ermuntert Friedenskräfte in Israel und Palästina zur Zusammenarbeit. Europaweit müssen konstruktive Lösungsvorschläge auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Genfer Initiative ist ein solcher Lösungsvorschlag, auch wenn kaum jemand noch daran glaubt, dass er umgesetzt werden kann. DIE LINKE hat im Bundestag vorgeschlagen, als ersten Schritt die diplomatischen Beziehungen zu Palästina aufzuwerten.

Die Afghanistan-Konferenz in Bonn hat ergeben, dass NATO-Truppen noch bis mindestens 2024 im Land bleiben werden. Welche Zukunft sehen Sie für die Menschen in Afghanistan?

Der Schlüssel für eine Friedenslösung in Afghanistan ist der Abzug der ausländischen Truppen. So lange Afghaninnen und Afghanen den Eindruck haben, dass ihr Land besetzt sei, wird es keinen Frieden geben. Ohne Bundeswehr bleibt die NATO nicht in Afghanistan. Wenn die ausländischen Truppen abziehen, werden die afghanischen Konfliktparteien über Selbstbestimmung und einen Waffenstillstand verhandeln können und müssen. Die Staatengemeinschaft soll beim Aufbau helfen und den Krieg beenden. Mit den 17 Milliarden Euro, die Deutschland bislang in den Krieg investiert hat, hätte sehr viel mehr für den Aufbau und die Entwicklung des Landes erreicht werden können.

Sie waren im Dezember in Tadschikistan, das eine 1300 Kilometer lange Grenze zu Afghanistan hat und haben bei einer Konferenz mit Menschen aus der Region diskutiert. Was erwarten sie von Europa und insbesondere von Deutschland?

In Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, fand eine von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierte Konferenz der strategischen Forschungseinrichtungen der zentralasiatischen Staaten statt. Der Blick aus Zentralasien auf Afghanistan ist ein anderer als der aus Europa. Die zentralasiatischen Staaten sorgen sich um Stabilität. Zusätzlich spielen die Rechte nationaler "Minderheiten" wie der Tadschiken, Usbeken und Paschtunen in Afghanistan eine große Rolle. Außerdem: Es geht um den Zugriff auf Bodenschätze, Wasser, Gas, Öl und seltene Erden. Die Region ist ungeheuer reich an Bodenschätzen, aber diese sind unterschiedlich verteilt. DIE LINKE hat immer wieder regionale Konferenzen nach dem Muster der KSZE vorgeschlagen. Ohne Indien und Pakistan, China und Russland, ohne die zentralasiatischen Länder und den Iran wird es keinen dauerhaften Frieden in Afghanistan geben.

Wie könnte der Konflikt mit dem Iran über dessen Atomprogramm friedlich gelöst werden?

Es droht ein Krieg um und gegen den Iran. Die USA und auch Deutschland rüsten die Region gigantisch gegen den Iran auf. Der Iran antwortet mit Raketentests und Militärmanövern. Das Szenario ist bekannt. Für den Irakkrieg mussten Massenvernichtungswaffen in den Händen von Saddam Hussein erfunden werden. Für die Bombardierung von Hanoi im Vietnamkrieg war der Marinezwischenfall in der Tonking-Bucht der gesuchte Anlass. Es heißt immer, Geschichte wiederholt sich nicht – aber manchmal schon. Der Iran, Israel und die USA müssen jetzt unter Druck gesetzt werden, auch von Europa, zur Vernunft zurückzukehren und zu verhandeln. Die von der UNO für das Jahr 2012 beschlossene Konferenz für einen atomwaffenfreien Nahen Osten ist dringend notwendig. Nur Entmilitarisierung sichert Israel und ein friedliches Nebeneinander in der ganzen Region.

Die Wahlen in Russland haben gezeigt, dass die Menschen unzufrieden mit ihrer Regierung sind und werfen ihr auch Wahlfälschung vor. Welche Perspektiven gibt es für die russische Bevölkerung und was kann durch außenpolitisches Handeln bewirkt werden?

Es spricht vieles dafür, dass wir es in Russland mit Wahlfälschungen zu tun haben. Das müssen das russische Parlament und die russische Regierung aufklären. Der "Westen" muss das russische Wahlergebnis auch einmal im Ganzen zur Kenntnis nehmen. Zweitstärkste Kraft ist die Kommunistische Partei und zu den Demokratiedemonstrationen in vielen russischen Städten haben Linke in Russland mit mobilisiert. Putin sollte begreifen, dass nicht die Neureichen, nicht der öffentliche Protz entscheidend ist, sondern dass auch in Russland Reichtum zur Bekämpfung von Armut eingesetzt werden muss. Darüber könnte es einen deutsch-russischen Dialog geben, aber nur, wenn man den Dialogpartner nicht von oben herab behandelt. DIE LINKE will dazu beitragen, dass der Reiseverkehr zwischen Deutschland und Russland künftig visafrei erfolgen kann.

Wir alle waren vom arabischen Frühling überrascht. Leider hat es bisher nicht für alle Länder eine positive Entwicklung gegeben. Welche Verantwortung sehen Sie für Deutschland, die arabischen Bevölkerungen zu unterstützen und wie müsste das geschehen?

Aus dem "arabischen Frühling" ist ein arabischer Alptraum geworden. Auf der Positiv-Seite steht, dass Menschen die Erfahrung gemacht haben, dass Verhältnisse geändert werden können. Auf der Negativ-Seite allerdings, dass alte Eliten ihre Macht nicht freiwillig abgeben. Die Befreiung kostet viele Opfer, auch nach der Rebellion. DIE LINKE will mithelfen beim Aufbau einer sozialistischen Partei in Ägypten. Wir unterstützen die Bestrebungen in Palästina, linke Kräfte zu vernetzen. Und wir wollen alles tun, damit in Syrien der Bürgerkrieg gestoppt wird. Auch das fordert Dialog. DIE LINKE in Deutschland trägt zur Zusammenarbeit von Linken in Europa und den arabischen Ländern bei. Deutschland muss aufhören, eine doppelbödige Politik zu betreiben, über Demokratie zu reden und mit Despoten zu paktieren. Vor allen Dingen darf Deutschland nicht weiter Waffen in die Region exportieren.

Was hat sich Ihre Fraktion außenpolitisch für das Jahr 2012 vorgenommen?

Mit Außenpolitik kann man nur selten Wahlen gewinnen, aber man kann mit einer falschen Außenpolitik Wahlen verlieren. DIE LINKE muss Schwerpunkte setzen. Wir wollen ein demokratisches, friedliches und soziales Europa, kein Europa der Finanzhaie und Großbanken. Für Die LINKE ist Außenpolitik Antikriegspolitik, das heißt Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, eine Friedensregelung für den Nahen Osten und Schluss mit dem Kriegsgeschrei gegen den Iran. Ein Krieg gegen den Iran wäre eine Katastrophe für die Menschheit. DIE LINKE will Abrüstung und auch deshalb müssen Rüstungsexporte verboten und der Rüstungsetat gekürzt werden. Der NATO-Gipfel im April in den USA wird weltweite Gegenaktionen der Linken auslösen. DIE LINKE bleibt dabei: Die NATO soll aufgelöst und durch ein nicht-militärisches Sicherheitssystem ersetzt werden. Und schließlich: Ohne globale soziale Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben!

linksfraktion.de, 9. Januar 2012