"Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!"

21.11.2012
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"Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!" (Wolfgang Gehrcke)

 

Mir ist es sehr wichtig, dass wir versuchen, in dieser verzweifelten Situation das Richtige zu tun. Herr Außenminister, nehmen Sie es mir ab: Wenn Sie wirklich dazu beigetragen haben, dass es zu einer Waffenruhe kommt, will ich Sie gar nicht kritisieren. Ich habe allerdings gelesen, was die Presse schreibt und was Kollegen aus Palästina schreiben, wie beispielsweise Frangi, der ja lange in Deutschland Politik gemacht hat und der Ihnen Einseitigkeit vorhält. Was Sie hier vorgetragen haben, war einseitig. Das war kein Appell an beide Richtungen.
Meine Fraktion ist fest davon überzeugt, dass man sagen muss: Schluss mit den Raketenangriffen auf Israel und Schluss mit den Bombenangriffen auf Palästina! Beides muss sofort eingestellt werden.

 

207. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am Mittwoch, 21. November 2012

Haushaltsdebatte EPl. 05 – Auswärtiges Amt

 

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Punkt anfangen, bei dem ich überzeugt bin, dass wir uns darüber hier im Hause einig sind: Die Außenpolitik meiner Fraktion weist in eine völlig andere Richtung als die Außenpolitik anderer Fraktionen und der Bundesregierung.

(Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Geisterfahrer!)

Diese Feststellung ist mir wichtig, und ich will sie Ihnen im Einzelnen begründen.

Beginnen möchte ich mit der Debatte zum Nahen Osten. Ich bin sehr traurig und es bewegt mich sehr, dass es heute in Tel Aviv einen erneuten Anschlag gegeben hat und dass wieder Menschen zu Schaden gekommen sind. Ich bin sehr besorgt darüber, dass die Waffenruhe möglicherweise nicht zustande kommt. Wenn die Waffenruhe nicht zustande kommt, wird es keinen Waffenstillstand geben. Dann wird es weiterhin keine Chance auf irgendeine Verhandlungslösung geben.

Man muss sich darüber klar werden, was dort eigentlich abläuft. Ich habe oftmals den Eindruck, als gebe es eine Seelenverwandtschaft zwischen extremen Palästinensern und extremen Israelis. Immer wenn die Chance auf einen Frieden gegeben ist, erfolgt ein solcher Anschlag, erfolgt eine solche Zuspitzung. Aus diesem Teufelskreislauf muss man herauskommen, man muss eine andere politische Richtung einschlagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mir ist es sehr wichtig, dass wir versuchen, in dieser verzweifelten Situation das Richtige zu tun. Herr Außenminister, nehmen Sie es mir ab: Wenn Sie wirklich dazu beigetragen haben, dass es zu einer Waffenruhe kommt, will ich Sie gar nicht kritisieren. Ich habe allerdings gelesen, was die Presse schreibt und was Kollegen aus Palästina schreiben, wie beispielsweise Frangi, der ja lange in Deutschland Politik gemacht hat und der Ihnen Einseitigkeit vorhält. Was Sie hier vorgetragen haben, war einseitig. Das war kein Appell an beide Richtungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Fraktion ist fest davon überzeugt, dass man sagen muss: Schluss mit den Raketenangriffen auf Israel und Schluss mit den Bombenangriffen auf Palästina! Beides muss sofort eingestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer von einer Seite Vorleistungen fordert, wird keinen Waffenstillstand erreichen.

Was Sie hier zum möglichen Antrag der Palästinenser in der UNO gesagt haben, war doch nur ein Ausweichen. Aus Ihrem Hause hört man etwas ganz anderes. Da hört man, dass die Entscheidung bereits getroffen ist. Das sagen nicht Sekretärinnen, sondern das sagt Ihre Führungsetage. Ich sage hier: Deutschland wird in der Vollversammlung der Vereinten Nationen ich kritisiere das leider nicht für den Antrag Palästinas stimmen. Das halte ich für einseitig und politikunfähig; das gefährdet den Frieden im Nahen Osten.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD))

Arafat ist einst mit einer Pistolentasche am Gürtel - ich weiß nicht, ob darin eine Pistole war - und einem Ölzweig in der Hand vor die Generalversammlung getreten. Abbas ist mit dem Antrag auf Aufnahme in die Vereinten Nationen vor die Generalversammlung getreten. Was, bitte sehr, ist einseitig daran, wenn sich jemand an die UNO wendet und sich dem Diktat der UNO unterwerfen will? Das ist keine Einseitigkeit; das ist Vernunft. Es ist ein Angebot für eine friedliche Zusammenarbeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD))

Ich denke, man kann zu Ihrer Außenpolitik eine ganze Reihe von Punkten auflisten. Ich habe mir auch überlegt, was ich zu Ihrer Entlastung anführen kann; denn ich versuche immer, gerecht zu sein. Da kriegen Sie schon größere Angst; das weiß ich. Sie könnten zu Ihrer Entlastung anführen, dass Sie nur das weitergeführt haben, was Rot-Grün und Schwarz-Rot angefangen haben.

(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Bitte nicht!)

Im Wesentlichen stimmt das: Sie haben eine falsche Politik fortgesetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das entlastet Sie aber nicht; die Politik bleibt falsch.

Einmal habe ich Sie gelobt - da haben Sie einen Schreck gekriegt -, und zwar dafür, dass sich Deutschland im Weltsicherheitsrat in der Libyen-Frage der Stimme enthalten hat. Mein Eindruck ist, dass Sie heute davon ablenken wollen. Das war jedoch eine vernünftige Entscheidung.

Ich muss Ihnen vorhalten, dass Sie hier am Pult faktisch gesagt haben: Wenn der Antrag der Türkei kommt - und er kommt -, werden wir diesem Antrag zustimmen. - Sie haben ein bisschen darum herumgeredet; aber die Auskunft war eindeutig: Sie werden Ja sagen. Ich halte das für eine falsche Entscheidung. Die Begründung der Türkei ist nicht nachvollziehbar. Keiner bedroht die Türkei mit Krieg; es gibt keine Kriegsbedrohung von außen. Die Türkei ist allen Mächten militärisch überlegen. Sie müssen der Türkei keine Raketen und keine Bundeswehrsoldaten zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit solch einer Entscheidung führen Sie Deutschland - ähnlich wie in der Mali-Frage - in die falsche Richtung. Sie sind aus Afghanistan noch nicht heraus und setzen schon die falsche Afghanistan-Politik fort. Sie führen Deutschland erneut in eine militärische Auseinandersetzung, und zwar an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien. Deutschland läuft damit Gefahr, in den Bürgerkrieg hineingezogen zu werden. Das ist doch eine Politik, der man nicht zustimmen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Die ganze Außenpolitik leidet unter dem großen Problem, dass Sie die Bundeswehr zum Mittel der Außenpolitik gemacht haben, dass Sie die Außenpolitik militarisiert haben. Einer solchen Außenpolitik kann eine linke Partei nicht zustimmen. Kolleginnen und Kollegen der SPD, es gab einmal eine Zeit, in der August Bebel für Ihre Partei gesagt hat: „Diesem System keinen Mann und keinen Groschen.“ Ich finde, das kann man auch heute sagen. Bei einer solchen Außenpolitik darf man dem Etat des Auswärtigen Amtes nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)