Doppelt genäht hält nicht immer besser

27.01.2017
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Wolfgang Gehrcke

Was bleibt vom Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier?

Seine letzte Rede als Außenminister im Deutschen Bundestag war eine zur Begründung der Forderung an das Parlament, der Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Irak zuzustimmen. Die ganzen Jahre seiner Außenministertätigkeiten (2005 – 2009 und seit 2013 wieder) waren durchsetzt von Anträgen zur Genehmigung von Einsätzen der Bundeswehr – Afghanistan, Mali, Irak, Syrien/Türkei, Zentralafrikanische Republik, Sudan, Südsudan .... Steinmeier hat tatkräftig mit dafür gesorgt, dass Deutschland nicht mehr nur „von der Außenlinie“ die Weltpolitik „kommentiert“ hat. Und „Weltpolitik“ war eben auch für Steinmeier Militärpolitik.

Nun sagen mir viele Freundinnen und Freunde aus der SPD, der Friedensbewegung und bisweilen auch aus der eigenen Partei, ‚es war nicht alles schlecht, was in der Zeit von Steinmeier passiert ist‘. Dieser Feststellung folgt dann zumeist eine Aufzählung, in welche Konflikte er die Bundeswehr nicht geschickt hätte. Das ist nicht ganz absurd, dass es in der Welt mehr Konflikte gibt, in denen die Bundeswehr nicht eingesetzt wurde. Wäre ja auch noch ‚schöner‘, wenn es nicht so wäre. Mit den massenhaften (in den insgesamt sieben Jahren seiner Amtszeit habe ich 80 Mandatserteilungen bzw. –verlängerungen gezählt) Bundeswehreinsätzen inklusive ihrer immer wieder geforderten Verlängerung hat Steinmeier, hat die Bundesregierung den Gedanken aufrecht erhalten, dass Deutschland prinzipiell bereit sein sollte, auch Militär einzusetzen. Das wird dann mit der Begrifflichkeit „Verantwortungsbereitschaft“ getarnt. Steinmeier sprach sehr häufig vom Frieden, doch allzu oft folgte auf allgemeine Friedensreden konkrete Militarisierung.

Steinmeier hat die Militäreinsätze nie lautstark begründet – von einer Ausnahme abgesehen, erinnere ich mich überhaupt nicht, dass er in diesen Jahren lautstark geworden wäre. Steinmeiers „Waffe“ war, Nachdenklichkeit zu demonstrieren. Ob er wirklich nachdenklich war, kann ich weder bejahen noch verneinen. Die Ergebnisse seines Nachdenkens jedoch sprechen eher dafür, dass seine Meinung lange vor der Debatte feststand.

Es wäre nicht sehr schwer gewesen, zumindest in einigen Fällen, sich dem Mainstream zu verweigern bzw. dafür zu sorgen, dass sich der Mainstream gar nicht erst herausbilden kann. Im Koalitionsvertrag bereits zwischen CDU und FDP, also in der Zeit des Außenministers Guido Westerwelle, stand, dass die Bundesregierung dafür eintreten wolle, die amerikanischen Atomwaffen aus Büchel abzuziehen. Im aktuellen Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot wird dies in einer abgeschwächten Form ebenfalls aufgerufen. Nach der Wahl von Trump hätte die Öffentlichkeit begeistert einer Forderung an die USA, die Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen, applaudiert. Steinmeier jedoch: Wir machen das nicht einseitig, sondern diskutieren und entscheiden das in der NATO. Bis heute habe ich nicht gehört, dass auf einem NATO-Gipfel über diese Frage gesprochen worden wäre.

Steinmeier freut sich regelmäßig, wenn er als Architekt von Minsk, das heißt für die Vereinbarungen für eine Waffenruhe in der Ostukraine, gelobt wird. Nun ist jedoch der Minsk-Prozess völlig ins Stocken geraten. Die Kiewer Seite erfüllt keinen Deut ihrer in den Vereinbarungen festgehaltenen Verpflichtungen. Müsste nicht an diesem Punkt ein deutscher Außenminister oder sein französischer Kollege oder besser noch beide auf den Tisch hauen und so markant, wie sie es zu Maidan-Zeiten gemacht haben, fordern: Verträge müssen eingehalten werden? Nix da! Mit Kiew legt sich auch Steinmeier nicht an.

Jetzt sagen Friedensfreundinnen und –freunde, und das nicht ganz zu Unrecht, dass sich der deutsche Außenminister einem Militäreinsatz in Europa verweigert hat und dass es ohne ihn möglicherweise zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen wäre. Mit diesem Argument wird dann hingenommen, dass Deutschland vor allem die Sanktionspolitik gegenüber Russland verantwortet und dass jetzt den USA nicht viel deutlicher gegenüber ihrer Ankündigung, Waffen an Kiew zu liefern, widersprochen wird. ‚Allen wohl und keinem weh – das ist Steinmeier von der SPD‘. Eine bessere Kommentierung fällt mir in der Tat derzeit nicht ein.

Mit starken Worten hat sich Frank-Walter Steinmeier im US-Wahlkampf auf die Seite von Hillary Clinton geschlagen. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Jetzt, im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl, hört man von Steinmeier keinen geharnischten Protest gegen die Ankündigung des neuen US-Präsidenten, die amerikanische Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlagern. Wenn dies passiert - und ohne deutschen Protest ist es nur wahrscheinlicher, dass es passiert -, trägt unser Land und der dann amtierende Außenminister ein hohes Maß an Verantwortung für diese Entscheidung mit.

Was bleibt also von Steinmeier als Chef des Auswärtigen? Positiv fällt mir seine Entscheidung auf, die Beziehungen zu Kuba zu verbessern. Das hat er zumindest teilweise eingelöst. Sollte es so sein, wie es behauptet wird, dass Steinmeier maßgeblich für die Wiener Erklärung zum Syrien-Konflikt verantwortlich ist, würde ich auch diese Entscheidung loben.

Von den insgesamt sieben Jahren, die Steinmeier als Außenminister dieser Republik zugebracht hat, fallen mir ad hoc nur zwei Entscheidungen ein, für die ich ihn loben würde. Nun ist er auf mein Lob nicht angewiesen, im Gegenteil. Aber wenn sich die Steinmeier-Politik fortsetzt, ist keine Verbesserung der deutschen Außenpolitik zu erwarten. Zwei gute in’s Töpfchen und unzählige schlechte in Kröpfchen ist eine wohl eher magere Bilanz.

In seiner Geschichte hat Steinmeier einmal bei einer Kanzlerkandidatur einem Kollegen, das war Peer Steinbrück, den Vortritt gelassen. Von dem ist immerhin geblieben: „Hätte, hätte, Fahrradkette …“ Von Frank-Walter Steinmeier könnte vielleicht seine Warnung vor dem „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ bleiben. Wenn er das ernst gemeint hat – und das unterstelle ich erst einmal -, dann muss Steinmeier mit dafür sorgen, dass keine Politik des Säbelrasselns gemacht wird und das Kriegsgeheul auch aus der regierenden SPD endlich wieder verstummt.