Für eine engere Kooperation mit Georgien

22.03.2012
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Bündnis 90/Die Grünen beantragen, dass sich die Bundesregierung für eine engere Kooperation mit Georgien einsetzen soll, dies vor allem auch über die EU. Eine gute Kooperation mit Georgien und anderen Ländern der Kaukasus-Region ist sinnvoll und nötig. Neue Aufrüstung, Abbau demokratischer Rechte, die Gefahr bewaffneter Konflikte muss ausgeschlossen werden. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu Georgien beinhaltet viel Kritisches zur Lage in Georgien und zur deutschen Kaukasuspolitik. Das ist vernünftig und unterstützenswert. Glaubwürdiger allerdings wäre es, wenn sich die richtige Kritik nicht nur auf die schwarz-gelbe Regierungszeit beschränken würde, sondern die Regierungszeit Schröder/Fischer mit einbezöge.

Rede (zu Protokoll) zum TOP 9 – Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Für eine engere Kooperation mit Georgien" am 22.3.2012

Meine Damen und Herren,

Bündnis 90/Die Grünen beantragen, dass sich die Bundesregierung für eine engere Kooperation mit Georgien einsetzen soll, dies vor allem auch über die EU. Eine gute Kooperation mit Georgien und anderen Ländern der Kaukasus-Region ist sinnvoll und nötig. Neue Aufrüstung, Abbau demokratischer Rechte, die Gefahr bewaffneter Konflikte muss ausgeschlossen werden. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu Georgien beinhaltet viel Kritisches zur Lage in Georgien und zur deutschen Kaukasuspolitik. Das ist vernünftig und unterstützenswert. Glaubwürdiger allerdings wäre es, wenn sich die richtige Kritik nicht nur auf die schwarz-gelbe Regierungszeit beschränken würde, sondern die Regierungszeit Schröder/Fischer mit einbezöge.

Der Kaukasusraum war geschichtlich und ist aktuell in hohem Maße umkämpft. Immer ging es in dieser Region um den Zugriff auf Naturressourcen, die in Georgien selbst weniger, aber in der Region in großem Umfang vorhanden sind. Georgien ist wichtig als Transitland auch für die Energieversorgung, als politisches und kulturelles Zentrum, als eine der Mächte, die in dieser Region um Hegemonie kämpfen. Diese Zusammenhänge auszublenden, wie es zum Teil im Antrag geschieht, hieße, eine falsche Politik fortzusetzen. Ein Blick in den Antrag „Keine NATO-Erweiterung – Sicherheit und Stabilität mit und nicht gegen Russland“ der LINKEN vom 3. Dezember 2008 (Drs. 16/11247) könnte für den Erkenntnisfortschritt sinnvoll sein.

Der Antrag der Grünen enthält leider keinen frischen, neuen Gedanken. Er stellt zu Recht fest, dass Georgien den Krieg gegen Russland begonnen hat. Das ist mutig, aber nicht ganz neu. Er blendet aber die Analyse aus, was die georgische Politik zu diesem irrationalen Schritt ermuntert hat. Ist es nicht so, dass die USA in der Bush-Regierungszeit und bis heute Georgien aufgerüstet hat? Ist es nicht so, dass allein das Versprechen, Mitglied der NATO werden zu können, zum georgischen Abenteuer ermuntert hat? Gehört es nicht zu einer vernünftigen Politik, festzuhalten, dass die Ausweitung der NATO in den südlichen Raum der ehemaligen Sowjetunion alle Einkreisungsängste in Moskau bestärken muss? Der NATO-Mitgliedschaft Georgiens ist eine prinzipielle Absage zu erteilen, weil sie das strategische Gleichgewicht im euro-asiatischen Raum extrem verändern würde. Eine solche Festlegung vermeidet der grüne Antrag. In der NATO-Frage agieren die Grünen, speziell auch mit diesem Antrag, nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

Keine ganz neue, jedoch eine hoch entscheidende Frage wäre das Verbot aller Waffenexporte in den kaukasischen Raum. DIE LINKE ist für ein prinzipielles Verbot von Waffenexporten. Eine solche Haltung wollen wir den Grünen ja gar nicht abnötigen und erwarten sie auch nicht von ihnen. Aber eine Festlegung, an die Konfliktländer Georgien, Aserbaidschan und Armenien werden keine Waffen exportiert, unabhängig davon, ob das zur Zeit praktisch geschieht oder nicht, ist trotzdem notwendig. Als Mitglied der NATO trägt Deutschland nicht nur für das eigene Verhalten, sondern für die Gesamtheit der NATO-Politik Verantwortung. Zu einer neuen Politik im Kaukasusraum würde auch gehören, Grundlagen für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit zu schaffen. Die Staatengebilde Abchasien und Südossetien sind von der Mehrheit der Staaten nicht anerkannt und sie sind, genau wie der Kosovo, völkerrechtswidrig zustande gekommen. Nichtsdestotrotz sind sie eine Realität. Wie soll also damit umgegangen werden? Wie soll sich künftig das Verhältnis Georgien – Russland entwickeln? Wäre nicht auch hier der Rückgriff auf eine Konzeption „Wandel durch Annäherung“ angesagt? Erste Schritte sind gegangen worden. Der Antrag spricht sich in diese Richtung aus. Wäre, das intensiver zu befördern, nicht Aufgabe eines solchen Antrages? Georgien hat über 1.000 Soldaten in der ISAF-Mission in Afghanistan und plant, 2012 weitere Soldaten zu entsenden. Bis zum 1. September 2011 sind in Afghanistan 10 georgische Soldaten zu Tode gekommen. Dazu schweigt der grüne Antrag. Das wundert mich nicht. Wäre es nicht ein solidarischer Rat an die georgische Politik, die georgischen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen? Einen Antrag zu formulieren, der solche Fragen nicht ausspart, sondern sie thematisiert, wäre ein interessanter Beitrag zur deutschen Außenpolitik.

Der grüne Antrag konzentriert sich auf die Europäische Union. Aber diese wird so zeitlos geschildert wie ein blauer Faltenrock. Haben wir es nicht mit einer Europäischen Union in einer tiefen Krise zu tun? Und darf man der Frage, wie kooperationsfähig die EU derzeit ist, völlig ausweichen?

Nun hat der Westen, hat die EU und hat die deutsche Politik ja in der Vergangenheit nicht wenig Einfluss auf die Entwicklung Georgiens genommen. Die sog. Rosenrevolution wurde vom Westen massiv unterstützt. Dieser bisherige Einfluss des Westens hat jene Ergebnisse gezeitigt, die Sie zutreffend kritisch benennen. Sie müssen feststellen, dass die Bilanz der demokratischen Entwicklung gemischt ist. Die Bekämpfung der Korruption, die Polizeireform, die Reform der Steuergesetzgebung und die Verbesserung der Investitionsbedingungen durch Privatisierung und Marktliberalisierung haben in den letzten Jahren Fortschritte erzielt. Aber es bestehen Missstände beim Wahlrecht und in der Durchführung von Wahlen, das Justizwesen ist nicht demokratisch und unabhängig, es gibt autoritäre Tendenzen, die Wirkungsmöglichkeiten der Opposition, der Medien und der Zivilgesellschaft sind eingeschränkt. Anders ausgedrückt: das, was die europäischen multinationalen Konzerne, die Energieriesen interessiert, das funktioniert. Was nicht funktioniert, ist die Demokratie für die Menschen in Georgien. Und die Bevölkerung verarmt. Entwicklung gibt es für das Kapital, die Menschen haben keinen Einfluss auf ihre Zukunft.

DIE LINKE steht für Schutz der Souveränität der Staaten, für das Recht auf eigenständige Entwicklung und Nichteinmischung. Im Interesse einer friedlichen Entwicklung der Region und Georgiens unterstützen wir die Bemühungen um eine ständige Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Kaukasus. Wir sind der Meinung, dass der Kaukasus nicht in erster Linie für unsere Energiesicherheit zuständig ist, sondern dass wir – unter strikter Beachtung der Gleichberechtigung und Nichteinmischung - mithelfen müssen, den kaukasischen Gesellschaften eine unabhängige Entwicklung in Sicherheit zu ermöglichen.

Die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi haben für Russland einen hohen ökonomischen und emotionalen Stellenwert. Ich gebe zu, dass ich kein Freund der wachsenden Kommerzialisierung von Sportereignissen und dem damit verbundenen Kampf um nationales Prestige bin. Im Gegenteil. Aber den Anlass der Olympischen Winterspiele in der Region ernst zu nehmen und Vorschläge zu unterbreiten, dass nicht nur ein Olympischer Friede gewahrt wird, sondern um die Olympischen Spiele in Sotschi herum um den Frieden ver- und gehandelt wird, dass vertrauensbildende Maßnahmen stattfinden, daraus muss mehr als ein Appell an die russische und georgische Politik werden.

Der vorliegende Antrag der Grünen spricht en Detail viele wichtige Fragen an, die auch DIE LINKE stellt, drückt sich aber um wichtige politische Probleme und strategische Ausrichtungen. Darüber werden wir mit den Antragstellern und allen Fraktionen streiten.