Diese drei Abkommen vertiefen die Spaltung in Europa

26.03.2015
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Wir, DIE LINKE, verfolgen nach wie vor das Ziel Michail Gorbatschows von einem Gemeinsamen Haus Europa. Wir glauben und wollen, dass in diesem gemeinsamen Haus jeder seinen Platz findet. Die Einrichtung des anderen muss uns nicht gefallen und auch nicht die Art, wie er die Feten in seinen Räumen feiert. Aber wir müssen in einem gemeinsamen Europa zusammenleben wollen; das muss die Zielsetzung sein.

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97. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages am Donnerstag, 26. März 2015
TOP 20 a bis c – Gesetze zu Assoziierungsabkommen mit Ukraine, Georgien und Moldawien
Rede des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (LINKE)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Gehrcke für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Exzellenzen! Kolleginnen und Kollegen! Man muss schon über die Ziele sprechen - verständigen kann man sich nicht unbedingt -, wenn man diese Abkommen beurteilen will. Ich möchte Ihnen die Ziele der Linken vorstellen und begründen, weswegen wir glauben, dass die Abkommen nicht in eine vernünftige Richtung führen.

Unser Ziel ist nach wie vor die Verfolgung der Idee von Michail Gorbatschow eines gemeinsamen Hauses Europa. Diese Ziel haben wir doch einmal zusammen gehabt, liebe Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie: das gemeinsame Haus Europa. Wir glauben und wollen, dass in diesem gemeinsamen Haus jeder seinen Platz findet. Es sind viele Zimmer zu vergeben. Da werden auch die Bevölkerungen der Ukraine, Moldawiens und Georgiens und die Bevölkerungen vieler anderer Länder ihren Platz finden. Die Einrichtung des anderen muss uns nicht gefallen und auch nicht die Art, wie er die Feten in seinen Räumen feiert. Aber wir müssen in einem gemeinsamen Europa zusammenleben wollen; das muss die Zielsetzung sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben versucht, uns Gedanken darüber zu machen, ob diese drei Abkommen zu einem gemeinsamen Haus Europa hinführen oder davon wegführen. Ich sage Ihnen: Diese drei Abkommen vertiefen die Spaltung in Europa. Deswegen werden wir ihnen nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich meine die Spaltung zwischen oben und unten - das kann man anhand der Abkommen nachvollziehen -, die Spaltung zwischen Ost und West, eine Spaltung, die wir endlich überwinden müssen, statt sie wieder zuzulassen.

Man wartet da auf Signale. Ich habe in Ihrer Rede, Herr Jung, und auch in der Rede des Außenministers gehört - die Grünen haben dazu nichts gesagt; das ist typisch -, dass für Sie Sicherheit in Europa nur mit Russland und nicht gegen Russland möglich sein kann. Das haben wir Ihnen immer vorgetragen. Ich freue mich ja, dass Sie auch etwas von der Linken lernen. Von uns kann man viel lernen, wenn man genau hinhört.

Fragen Sie doch einmal, ob Ihre Politik in diese Richtung angelegt ist. Ich sage Ihnen eins: Wenn Sie den Mut gehabt hätten, die Debatte über die Assoziierung mit dem Vorschlag zu verbinden, einige Sanktionen gegen Russland aufzuheben, wenn Sie beides miteinander gekoppelt hätten, dann hätten sie einen Schritt in diese Richtung gemacht und wir hätten trotz aller Bedenken vielleicht zustimmen können.

(Beifall bei der LINKEN - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Bleibt doch ruhig bei eurer Linie!)

Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben im Gegenteil die Sanktionen gegen Russland verschärft. Deswegen sage ich Ihnen: Sie reden von Verständigung; dafür finden Sie unseren Beifall. Ihre praktische Politik aber bedeutet eine Verschärfung der Situation in Europa; das finde ich schlimm. Hier möchte ich eine andere Regelung haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin es leid, dass jeder hier von Visafreiheit redet. Wir reden seit ein paar Jahren darüber. Aber wenn es dazu kommt, sich für diese Visafreiheit zu entscheiden, blockiert die CDU/CSU jeden Schritt in diese Richtung.

(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): So ein Quatsch!)

Sie reden zwar davon, aber handeln anders: Das ist Ihre Politik. Diese sollten Sie endlich überwinden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte gern, dass Sie in Richtung eines gemeinsamen Hauses Europa einen Weg finden, um die schweren sozialen Verwerfungen oder zumindest die sozialen Auseinandersetzungen, die in der Ukraine mit Sicherheit kommen werden, unblutig zu überwinden und humanitäre Hilfe in Europa gemeinsam zu gestalten. Ich möchte auch, dass endlich mehr Demokratie gewagt wird. Es ist kein gutes Zeichen, wenn in Moldawien kurz vor den Wahlen eine unliebsame Partei einfach verboten wird.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hätte diese Partei kandidieren können, wäre es in Moldawien zu einem anderen Ergebnis gekommen. Auch das gehört zu einem gemeinsamen Kampf für Demokratie in Europa dazu.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Der Kollege Vaatz möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Sie sind bereit, diese zuzulassen? - Bitte schön, Herr Kollege Vaatz.

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Herr Kollege Gehrcke, ich möchte Sie fragen, wie Sie es wagen können, von Demokratie zu reden, wenn Ihnen der Wille der Mehrheit der Menschen im Baltikum, der Mehrheit der Menschen in der Ukraine, der Mehrheit der Menschen in Moldawien und der Mehrheit der Menschen in Georgien ganz offensichtlich völlig gleichgültig ist. Ihnen geht es in Ihrer Rede nur um eines: Bahn frei für Russland!

(Widerspruch bei der LINKEN)

Ich schließe daraus, dass Sie in diesem Parlament überhaupt nicht die linke Fraktion sind, als die Sie sich betiteln. Sie sind nichts anderes als der politische Arm des russischen Expansionismus.

(Lachen bei der LINKEN)

Sie sind auch keine Linken mehr. Seitdem die russische Regierung ihr linkes Mäntelchen abgestreift hat und nach knallrechten expansionistischen Kriterien operiert, blasen Sie genau in deren Horn. Sie haben jede Glaubwürdigkeit in diesem Land verspielt. Sie waren immer auf der Seite der russischen Aggressionen: Sie waren auf der Seite der russischen Aggressionen, als es 1968 um die Tschechoslowakei gegangen ist, und Sie sind auf der Seite der russischen Aggressionen, wenn es heute um die Ukraine geht. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Jetzt müssen Sie schon stehen bleiben, Herr Vaatz. Es gehört zum Prozedere, sich die Antwort im Stehen anzuhören. Was ich in diesem Parlament wagen kann oder nicht wagen kann, das entscheiden Gott sei Dank nicht Sie, sondern in erster Linie die Wählerinnen und Wähler.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit denen bin ich im Dialog. Wir sind hier doch nicht in einer Erziehungsanstalt, in der einer sagen kann, was der andere sich wagen kann. Jeder darf sich wagen, seine politische Überzeugung hier im Parlament auszudrücken. Das ist Teil der Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das hat Ihnen auch keiner verboten! Wir finden die nur falsch!)

Ansonsten danke ich Ihnen für die Zwischenfrage. So ein glänzendes Beispiel von Antikommunismus, von Verkennen der Realität in Europa, wie Sie es hier vorgeführt haben, hätte ich mir gar nicht ausdenken können. Herzlichen Dank, Herr Vaatz! Ich bin Ihnen dankbar für diese Intervention.

(Beifall bei der LINKEN Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Antworten Sie doch mal!)