Für eine neue Entspannungs- und Friedenspolitik in Europa
Antrag zum Bundesparteitag eingereicht: Es ist höchste Zeit für eine andere Politik in Europa: Eine Politik des Friedens, der Abrüstung und Entspannung; eine Politik, die nicht nur den Vermögenden und Besitzenden nützt, sondern allen Menschen in Europa.
Der Parteitag beschließt: Die Partei DIE LINKE wird eine weitere Tagung ihres Bundesparteitages als Friedensparteitag vorbereiten und durchführen. Dieser Friedensparteitag wird die außen- und friedenspolitischen Positionen der Partei auf der Grundlage der aktuellen Entwicklungen und der vorliegenden Vorschläge diskutieren und schärfen.
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Antrag an die 3. Tagung des 4. Parteitages DIE LINKE
EinreicherInnen:
Gehrcke, Wolfgang (MdB / KV Frankfurt/Main); Wagenknecht, Sahra (MdB / LV NRW); Dehm, Diether (MdB / LV Nds.); Grabowski, Wolfgang (LV Berlin); Kemski, Gerald (AG B&G / HH); Wils, Sabine (PV / HH); Krämer, Ralf (SL / Berlin); De Masi, Fabio (MdEP / SL); Crome, Erhard (LV Berlin); Häßner, Klaus (LV Thüringen); Grünberg, Harri (AG cuba sí); Ulrich, Alexander (MdB / LV RhlPf); Zukowski-Krebs, Julius (Linksjugend solid); Müller, Norbert (MdB / LV Brandenburg); Theisinger-Hinkel, Elke (SL); Wahl, Joachim (LV Berlin / BO 405 Nordend); Reder, Andrej (LV Berlin / AG MOE); Mahlow,Bruno (LV Berlin); Herr, Harry (KV Limburg / Hessen); Bulling-Schröter, Eva (MdB / LV Bayern); Merk, Xaver (LV Bayern); Külow, Volker (SV Leipzig / Sachsen); Frank, Otto,KV Vogelsberg / Hessen); Schulz, Carsten (BV Tempelhof-Schöneberg); Winkelmeier, Gert (SV Koblenz / RhlPf); Hirkes, Christian (SV Koblenz / RhlPf); Näther, Miriam (AG cuba sí); Voß, Wolfgang (AG cuba sí); Gerathewohl, Claudia (AG cuba sí); Gerathewohl, Werner (AG cuba sí); Rückmann, Jörg (AG cuba sí); Becker, Angelika (AG cuba sí); Knorr, Holger (AG cuba sí / BV HH Mitte); Schaper, Gernot (KV Mühlheim/Ruhr); Zimmermann, Pia (MdB / LV Nds.); Brix, Arne (PV / LV Berlin); Brombacher, Ellen (KPF / LV Berlin); Schiffler, Brigitte (LV HH); Berdal, Gunhild (Geraer Sozialistischer Dialog / LV HH); Glaser, Kristian (LV HH); Hirsch, Helga (LV HH); Mestern, Saskia (LV HH); Walther, Olaf (LV HH); Neu, Alexander (MdB / LV NRW); King, Alexander (BV Tempelhof-Schöneberg); Wissel, Elisabeth (BV Tempelhof-Schöneberg); Hiksch, Uwe (Marxistisches Forum); Fremder-Sauerbeck, Kerstin (LV HH); Küng-Vildebrand, Marianne (LAG B&G Sachsen); Nimz, Michael (LV Sachsen); Kachel, Thomas (LAG FIP Sachsen) - weitere Unterstützerinnen und Unterstützer des Antrages am Ende des Textes
Für gute Nachbarschaft mit Russland. Für Frieden in der Ukraine
Für eine neue Entspannungs- und Friedenspolitik in Europa
Zu ihren besten Zeiten hatte die bundesdeutsche Politik zwei außenpolitische Prioritäten. Das waren die europäische Einigung und eine Politik der guten Nachbarschaft gegenüber Russland. Das waren Grundlagen der damaligen neuen Ostpolitik.
Demgegenüber gedeihen heute wieder Nationalismus und Zwietracht in Europa und im Verhältnis zu Russland ist die Entspannungspolitik einem neuen Kalten Krieg gewichen.
Es ist höchste Zeit für eine andere Politik in Europa: Eine Politik des Friedens, der Abrüstung und Entspannung; eine Politik, die nicht nur den Vermögenden und Besitzenden nützt, sondern allen Menschen in Europa.
Der Parteitag beschließt:
Die Partei DIE LINKE wird eine weitere Tagung ihres Bundesparteitages als Friedensparteitag vorbereiten und durchführen. Dieser Friedensparteitag wird die außen- und friedenspolitischen Positionen der Partei auf der Grundlage der aktuellen Entwicklungen und der vorliegenden Vorschläge diskutieren und schärfen.
Sechs Vorschläge für eine zivile europäische Entspannungspolitik.
Erstens: Der Versuch, Russland zu isolieren, muss zugunsten eines Systems der europäischen Sicherheit aufgegeben werden. Als erster Schritt zur Schaffung eines europäischen Sicherheitssystems unter Einbeziehung Russlands und zur Auflösung der NATO müssen die weitere Ausdehnung der NATO und die Stationierung von NATO-Einheiten an der russischen Westgrenze beendet sowie die Erhöhung des Rüstungsetats der NATO-Staaten – gefordert werden 2 % des Bruttoinlandproduktes – gestoppt werden. Gerade jetzt, da die Kriegsgefahr durch das Agieren des westlichen Militärbündnisses gestiegen ist, muss Deutschland aus den militärischen Strukturen der NATO austreten und die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen werden.
Zweitens: Dem Sicherheitsbedürfnis aller europäischen Staaten einschließlich Russlands ist zivil Rechnung zu tragen. Dafür bieten die Schlussakte von Helsinki 1975 und die OSZE-Charta von Paris für ein neues Europa 1990 wichtige Ausgangspunkte. In diesem Sinne soll Deutschland zur Stärkung der OSZE, deren Vorsitz die Bundesrepublik 2016 übernimmt, beitragen. Überall in Europa muss Rassismus und Nationalismus entgegengetreten werden. Militärische Konfrontation ist auch ein Nährboden für Nationalismus und Rassismus überall in Europa, in Ost und West, in Russland wie in Frankreich und auch in Deutschland. Militärische Konfrontationen liefern die Begründung für Aufrüstung und Demokratieabbau, für die Schaffung staatlicher und nichtstaatlicher Feindbilder. Gerade zum 70. Jahrestag der Befreiung Europas vom Faschismus ist aktueller denn je: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
Drittens: Das Völkerrecht ist neu zu beleben. Gerade sein Bruch bei der Abspaltung des Kosovo von Serbien und die Sezession der Krim mahnen nachdrücklich dazu. Für alle Staaten in Europa muss gelten: Verzicht auf Gewalt und die Androhung von Gewalt, unbedingter Respekt der politischen und territorialen Integrität der Staaten in Europa. Alle politischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland sind aufzuheben. Dafür ergreift Deutschland in der EU die Initiative.
Viertens: Schritte zur europäischen Entspannung sollten die Autorität der Vereinten Nationen, globale Abrüstung und Gerechtigkeit wiederbeleben. Dies kann nur gelingen, wenn ein neues Vertrauensverhältnis zu Russland aufgebaut wird. Das ist auch von grundlegender Bedeutung, um die Beendigung der Gewalt im Nahen und Mittleren Osten und ein tatsächliches Ende des Krieges in Afghanistan zu erreichen.
Fünftens: Die Ukraine braucht Frieden, Demokratie und eine Entmachtung der Oligarchen. Der Weg dorthin muss unterstützt werden. Eine militärische Lösung der schweren Krise in der Ukraine darf es dagegen nicht geben. Das Abkommen Minsk II muss eingehalten werden. Eine darin vereinbarte Verfassungsreform soll von der EU in Abstimmung mit Russland begleitet werden. Dabei ist auf die Neutralität der Ukraine, die Entwaffnung nationalistischer sogenannter Freiwilligenbataillone, das Verbot neofaschistischer Organisationen und Propaganda und auf die Stärkung föderativer Staatselemente zu achten.
Sechstens: Die sinnvolle europäische Alternative ist ein grundlegender Kurswechsel in Richtung sozialer Gerechtigkeit, Entspannung und Frieden, von Ausbau und Vertiefung der Demokratie, Frieden mit Russland und einer nicht gewaltsamen Lösung der Ukraine-Krise. Sonst besteht die Gefahr eines großen Krieges in Europa, einer militärischen Konfrontation NATO/USA gegen Russland. Diese Gefahr muss erkannt und ihr entschieden entgegengetreten werden. Eine europäische Friedensbewegung ist heute dringend nötig. Eine neue Konferenz für Sicherheit und Entspannung – „Helsinki plus 40“ - muss in Angriff genommen werden. Diese Staatenkonferenz soll durch zivilgesellschaftliche Akteure, Friedensbewegungen, antifaschistische Organisationen und ökologische und soziale Initiativen begleitet und vorangetrieben werden. Eine auf solche Art gestaltete Friedenskonferenz könnte für sich in Anspruch nehmen, Teil einer Weltfriedenskonferenz zu sein. Das zu befördern ist Aufgabe einer neuen deutschen Ostpolitik.
Begründung:
Die spezifischen US-Interessen in Europa hat vor kurzem der Chef des einflussreichen Thinktanks Stratfor in einer Pressekonferenz in eindrucksvoller Offenheit erläutert: Hauptinteresse der Vereinigten Staaten sei es, ein Bündnis zwischen Deutschland und Russland zu verhindern, denn so wörtlich „vereint sind sie die einzige Macht, die uns“, also die USA, „bedrohen kann“.
Die EU versucht, im Rahmen der „Östlichen Partnerschaft“ ehemalige Sowjetrepubliken aus der wirtschaftlichen und politischen Kooperation mit Russland herauszubrechen und durch einseitig ausgerichtete Assoziierungsabkommen an sich zu binden. Russland soll als europäische Macht isoliert werden. Diese Art der „östlichen Partnerschaft“ ist nicht im Interesse der betreffenden Länder, denen das Entweder-Oder aufgezwungen wurde. Besonders drastisch haben die Politik der USA und der EU, mit Billigung und aktiver Förderung Deutschlands, zur Zerstörung der Ukraine beigetragen. Innenpolitisches Versagen und Korruption, soziale Zerstörung und Perspektivlosigkeit der Jugend wurden auf außenpolitische Auseinandersetzungen projiziert und zu einem Sprengsatz, der heute das Land auseinanderreißt. Die Ukraine hat einen Großteil ihrer Industrie verloren, sie ist ein bankrotter Staat, in dem Menschen hungern und frieren und in dem die Löhne niedriger sind als etwa im afrikanischen Ghana. Die Ukraine hat auch ihre verfassungsmäßige Neutralität aufgegeben und ist dabei, Mitglied der NATO zu werden.
Die Konfrontation mit Russland hat nicht nur die Ukraine zerstört. Sie schadet im Ergebnis ganz Europa: Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Regierung der Vereinigten Staaten den (EU-) Konflikt mit Russland auch aus wirtschaftlichen Gründen schürt. Wenn US-Regierungen von Menschenrechten reden, dann geht ihnen es in der Regel um ökonomischen und geostrategischen Einfluss, um Bohrrechte oder um Schürfrechte. Wenn jetzt im Rahmen der Energieunion von neuen Pipelinerouten und einer zunehmenden Unabhängigkeit vom russischen Gas geredet wird, dann bedeutet das in Wirklichkeit: wachsende Abhängigkeit vom wesentlich teureren und ökologisch verheerenden US-Frackinggas. Das ist nicht im Interesse der Menschen in der Europäischen Union und ihrer Nachbarländer im Osten.
Statt Militärmanövern, weiterer Aufrüstung und Sanktionen: Verhandlungen für Waffenstillstand und Frieden fortsetzen!
Der Krieg in der Ukraine betrifft besonders den Osten des Landes; er hat bislang mehr als 10.000 Menschen das Leben gekostet und eine Industrieregion weitgehend zerstört. Die Abkommen Minsk I und Minsk II haben immerhin dazu geführt, dass in der betreffenden Region seit Wochen deutlich weniger Menschen sterben als in den Wochen und Monaten davor und dass die Tür zu einer friedlichen Lösung geöffnet wurde. Dafür verdienen Bundeskanzlerin Merkel, der französische Präsident Hollande und Russlands Präsident Putin Anerkennung.
Wem an Frieden und Sicherheit in Europa liegt, der muss den Weg von Minsk II jetzt mit Konsequenz und Rückgrat weitergehen. Mit Ängstlichkeit und Anpassung gegenüber der US-Regierung lassen sich die erreichten Fortschritte weder sichern noch ausbauen. Die ukrainische Regierung will hingegen trotz des drohenden Staatsbankrotts in diesem Jahr viermal so viel Geld für neue Waffen ausgeben wie im vorigen Jahr. Dieser Kriegshaushalt wird durch finanzielle Mittel der der Bundesregierung und der Europäischen Union unterstützt. Das ist völlig inakzeptabel und konterkariert alle Bemühungen um eine friedliche Lösung. Unter diesen Umständen darf es keine Unterstützung der Regierung in Kiew geben, die den Konflikt militärisch lösen will. Die ukrainische Armee muss in die Kasernen zurückgeholt und die sogenannten Freiwilligenverbände müssen aufgelöst werden.
Ständige Militärmanöver der NATO zu Lande, zu Wasser und in der Luft in der Ostsee-Region und im Schwarzen Meer verschärfen die Spannungen, auf die Russland seinerseits mit der Demonstration militärischer Stärke reagiert. Das birgt die Gefahr einer ständigen Eskalation, die in eine offene kriegerische Auseinandersetzung der NATO mit Russland münden kann. In diesem Sinne sollte der NATO-Russland-Rat sofort als Krisenpräventions-Zentrum reaktiviert werden. Ein Vierteljahrhundert nach der Auflösung der Warschauer-Pakt-Organisation und der „Charta von Paris“ leben wir nicht mehr im Frieden, sondern in einem Kriegfrieden, der unberechenbarer ist, als es die Welt am Ende des Kalten Krieges war. Statt Zusammenarbeit mit Russland hat sich die EU für einseitige Sanktionen gegen Russland und damit für einen Wirtschaftskrieg entschieden.
Auch die Entsendung von Militärberatern und Waffenlieferungen in die Ukraine durch die Vereinigten Staaten und Großbritannien stellen eine Torpedierung des Friedensprozesses dar. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, sich deutlich von dieser Eskalationspolitik abzugrenzen, dagegen zu protestieren und ihren Einfluss zu deren Beendigung geltend zu machen. Wir brauchen auch keine zusätzlichen Panzer und keine 3 000 Mann starke NATO-Interventionstruppe in Osteuropa, die niemanden schützt, sondern den Frieden in ganz Europa nur noch mehr gefährdet. Helmut Schmidt hatte recht, als er schon 2007 darauf hinwies, dass von Russland heute viel weniger Gefahr für den Frieden der Welt ausgehe als von den USA und dass die NATO nur noch ein Instrument US-amerikanischer Hegemoniebestrebungen sei. Daraus folgt: Eine tragfähige europäische Friedenspolitik kann nur eigenständig und von den USA unabhängig sein.
Europäische Entspannungspolitik braucht auch keine europäische Armee. Die Forderungen der Kriegsministerin von der Leyen und anderer nach einer europäischen Armee zeigen vor allem eins: wie weit sich Europa gegenwärtig von dem entfernt hat, was einst die Gründerväter und –mütter der europäischen Einigung wollten. Nie wieder sollten Nationalismus und Völkerhass die europäischen Länder entzweien. Um Frieden, um Demokratie und um Solidarität zu verteidigen, braucht es keine bewaffneten EU-Bataillone. Im Gegenteil. Es ist deshalb besonders bedenklich, dass die Bundesregierung, wenn sie für eine europäische Armee wirbt, jeden Hinweis auf den deutschen Verfassungsgrundsatz der unabdingbaren parlamentarischen Kontrolle von Militäreinsätzen vermieden hat.
DIE LINKE tritt für die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein ziviles kollektives Sicherheitsbündnis in Europa ein, das Russland einschließt. Auf dem Weg zu diesem Ziel sollen einzelne Abrüstungsverträge geschlossen, der Ausstieg aus den militärischen Strukturen der NATO in Angriff genommen, die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen, die OSZE gestärkt und Hindernisse, die eine gemeinsame Zone des Friedens und der Entspannung von Lissabon bis Wladiwostok blockieren, überwunden werden.
>> Unterstützung für diesen Antrag könnt ihr gern hier übermitteln: wolfgang.gehrcke@bundestag.de – Hinweise, Ergänzungen, Meinungen auch!
Der Antrag wird unterstützt von:
Ursula Zierz (StV Dresden / LV Sachsen), Fritz Schmidt-Kleiner (KV Darmstadt / LV Hessen), Willi Hoffmeister (Dortmund), Karin Breitenfeldt (KV Vorpommern-Rügen / LV MV), Gina Pietsch (Berlin), Prof. Dr. Werner Ruf (Edermünde), Doris Gercke (parteilos), Reinhold Hinzmann, Harald Kulhanek (LV Brandenburg), Manfred Lotze (LV Hamburg), Uli Franke (KV Darmstadt / LV Hessen), Wolfgang Weis (LV Hessen), Manuel Holl (KV MTK / LV Hessen), Ali Al-Dailami (LV Hessen), Walter Zylla (LV Hessen), Bernd Hannemann (LV Hessen), Cornelia Mim (LV Hessen), Matthias Riedl (LV Hessen), Mina Lang (LV Hessen), Peter Höcker (LV Hessen), Edgar Nesgutzke (LV Hessen), Pierre Noll (LV Hessen), Gabriela Durak (LV Hessen), Rüdiger Schäfer (LV Hessen), Christiane Plonka (LV Hessen), Jasmin Weber (LV Hessen), Andrej Schlitz (LV Hessen), Heidi Boulnois (LV Hessen), Clarissa Haak (LV Hessen), Erika Wolf (LV Hessen), Rainer Boulnois (LV Hessen), Ruth Tietz (LV NRW),