Wir werden nicht den kleinsten Finger für Kriegseinsätze hinhalten

23.03.2011
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Wir werden nicht den kleinsten Finger für Kriegseinsätze hinhalten (Wolfgang Gehrcke)


Das ist für mich das wichtigste Argument: Ich will diese Mandate nicht, weil Menschenrechte unter dem Strich niemals mit Bomben und Raketen durchzusetzen sind, weder in Libyen noch in Afghanistan. Das ist die Motivation, die meine Fraktion hat.

98. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am 23. März 2011
Debatte zum Antrag der Bundesregierung „Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan"

 

 

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um gleich beim Verteidigungsminister anzuknüpfen: Wer aus beiden Gründen wegen Libyen und wegen Afghanistan überhaupt nicht zustimmen will, kann das auch tun, indem er dieses Mandat einfach ablehnt.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann ist er immer auf der politisch klügeren und besseren Seite.

Ich weiß nicht, warum man sich nicht einmal ein bisschen zurücknehmen und darüber nachdenken kann. Ein Spruch lautet: Ich denke an das Ende und an den Anfang auch. Das Ende ist völlig klar: Die Bundeswehr wird irgendwann - ich hoffe, möglichst rasch - aus Afghanistan abgezogen. Der Anfang ist auch klar; auch er lag hier im Hause. Kollege Erler, es wird auch noch darüber zu sprechen sein, unter welcher Regierung, verbunden mit welchen Aufgaben hier der Anfang geknüpft worden ist. Mir ist nicht klar, wie viele Menschen zwischen dem Anfang und dem Ende ihr Leben oder ihre Gesundheit verlieren werden. Das ist für mich das wichtigste Argument: Ich will diese Mandate nicht, weil Menschenrechte unter dem Strich niemals mit Bomben und Raketen durchzusetzen sind, weder in Libyen noch in Afghanistan. Das ist die Motivation, die meine Fraktion hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Man weiß, dass AWACS kein ziviles System ist; es ist ein militärisches System. Man muss der Bevölkerung sagen: Wir entscheiden hier über den Einsatz eines militärischen Systems. In Ihrem Antrag steht ausdrücklich, dass der AWACS-Einsatz auch zur „Unterstützung bei der Durchführung von Operationen ISAF-geführter Bodenkräfte“ genutzt wird. Das ist neu; das stand bisher nicht im Mandat. Die SPD muss sich entscheiden, ob sie dem zustimmen will oder nicht. Natürlich haben Sie auch bei der Obergrenze geschummelt, die bisher einen Puffer enthielt und nichtständige Einsatzgrenze genannt wurde; jetzt wird die Obergrenze ständig ausgereizt. Das heißt also: Mit dem AWACS-Einsatz wird der Krieg verschärft; das ist eine nüchterne Feststellung. Darüber muss man reden.

Ich denke, dass man auch über die Hintergründe reden muss. Die Linke lehnt den AWACS-Einsatz wie auch andere Einsätze generell ab. Wir werden nicht den kleinsten Finger für Kriegseinsätze hinhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist nicht die politische Linie, sind nicht die Vorschläge, die wir vertreten.

Herr Außenminister, es ist doch eine eigenartige Logik, den Krieg in Afghanistan zu verschärfen, weil man sich in Libyen das ist der Sinn der ganzen Sache nicht an einem Krieg beteiligen will. Sie helfen zwar nicht direkt mit Soldaten; aber Sie helfen mit anderen Dingen erheblich bei der Kriegsführung. Nun ist die Entscheidung, in Libyen keine Soldaten einzusetzen und auch die deutsche Marine zurückzuziehen, aus meiner Sicht durchaus vernünftig. Aber es ist schon Entschuldigung, ich finde dafür keinen anderen Ausdruck eine ziemlich perverse Logik, dies kompensieren zu wollen, indem man AWACS-Maschinen nach Afghanistan schickt, also den Krieg in Afghanistan zu verschärfen, weil man den anderen Krieg in dieser Art und Weise nicht will. Was ist das überhaupt für eine Denkweise!

(Beifall bei der LINKEN)

Der Volksmund argumentiert: Der Hehler ist genauso schlimm wie der Stehler. Im Falle des AWACS-Einsatzes ist man der Hehler, weil man die Ziele ausmacht; andere sollen diese Ziele dann militärisch bekämpfen. Ich finde das schlimm.

Jetzt noch einmal zu den Kollegen von der SPD. Welcher Logik folgt denn der Außenminister? Herr Steinmeier, Sie werden sich genau erinnern, dass Sie als Fraktionsvorsitzender die Entscheidung von Gerhard Schröder, keine Soldaten in den Irak zu schicken diese Entscheidung war richtig , hier, vor diesem Haus, damit begründet haben, dass wir uns im Gegenzug stärker in Afghanistan engagieren. In mehreren Debatten zu diesem Mandat haben Sie das ausgeführt: Weil wir im Irak nicht an der Seite unserer Bündnispartner militärisch agiert haben, sind wir nach Afghanistan gegangen.

Entschuldigen Sie, aber genau das Gleiche macht die Bundesregierung heute. Die Merkel macht den Schröder. Dabei ist schon Schröder mit dieser Politik gescheitert.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Jetzt haben Sie sich ein bisschen verheddert!)

Wenn man jetzt sagt, dass wir uns nicht in Libyen engagieren, sondern in Afghanistan, dann folgt man der gleichen Logik wie damals beim Irak; das wird dieses Mal nicht zu einem besseren Ergebnis führen.

(Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Was war denn 2001 für ein Irakkrieg? Hubertus Heil (Peine) (SPD): Welche Reihenfolge, Herr Kollege? Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Um was ging es eigentlich im Irak?)

Ich bitte Sie ganz einfach: Nutzen Sie Ihre Möglichkeit,

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Sie sollten Ihre Möglichkeiten auch nutzen, intellektuell!)

zweimal mit Nein zu stimmen und weder Soldaten für den Krieg in Libyen zur Verfügung zu stellen noch den AWACS-Einsatz in Afghanistan zu mandatieren. Wir brauchen endlich eine Friedenspolitik. Ich finde, darüber kann man in diesem Hause streiten. Solche Auseinandersetzungen sind aber höchst selten geworden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)