Würde, Leben und Tod dürfen nicht vom sozialen Status abhängen

Erklärung nach § 31 GO des Bundestages zu Abstimmung zu den Gesetzentwürfen Sterbehilfe
06.11.2015
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Wolfgang Gehrcke

Aus meiner Sicht gibt es das nicht einzuschränkende Recht über den eigenen Körper. Dieses Recht steht am Beginn des Lebens, es ist das uneingeschränkte Recht der Frau, zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austrägt oder beendet. Es ist das Recht eines jeden Menschen, zu entscheiden, ob er sein Leben fortführen oder beenden will. Leben ist immer – aus meiner Sicht – ein soziales Ensemble. Gründe zum Weiterleben oder zur Beendigung des eigenen Lebens liegen im Ermessen der oder des Betroffenen. Es darf keinen Zwang geben, es darf auch keine Einschränkung geben. Krankheit, Alter sind Gründe, aber nicht die alleinigen.

Mich hat über Jahrzehnte die Entscheidung von Laura Marx und Paul Lafargue tief beeindruckt. Beide entschieden sich, nach langen Jahren des Zusammenlebens ihrem Leben gemeinsam ein Ende zu setzen. Nach einem Opernbesuch 1911 gingen sie gemeinsam in den Freitod.

Für die Entscheidung, sein eigenes Leben zu beenden, muss der Gesetzgeber Hilfen zulassen, wenn es die oder der Betroffene wollen. Meinen Vorstellungen am nächsten kommt der Entwurf Künast/Sitte, auch wenn meine eigenen Vorstellungen darüber hinausgehen.

Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass nicht wirtschaftliche Not darüber entscheidet, ob der Anspruch des Grundgesetzes, die Würde des Menschen sei unantastbar, eingelöst werden kann oder nicht. Die Entscheidung, eine Schwangerschaft auszutragen oder sie zu beenden, hing über Jahrzehnte an der Frage, ob sich die Frau eine Reise in die Niederlande leisten kann. Eine große Mehrheit von Frauen musste dagegen unter erbärmlichen Bedingungen einen Schwangerschaftsabbruch mit hohen Risiken für Leib und Leben erfahren. Heute hängt oftmals die Frage, ob ein Mensch seinem Leben würdevoll ein Ende setzen kann, daran, ob er das Geld hat, in die Schweiz zu fahren oder nicht. Würde, Leben und Tod dürfen nicht weiterhin vom sozialen Status abhängen.

Gerne verweise ich an dieser Stelle auf die Rede von Petra Sitte "Zur Würde des Menschen gehört nicht nur sein Leben"