70 Jahre NATO – 70 Jahre Lügen, Aufrüstung, Kriege im Interesse der USA

07.04.2019
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Wolfgang Gehrcke & Christiane Reymann

Bereits die Gründung der NATO 1949 begann mit Lügen. Angeblich würde die NATO als Bollwerk gegen eine drohende sowjetische Intervention in Europa gebraucht. Eine solche sowjetische Planung hat es nie gegeben. Im Gegenteil, Moskau war interessiert, die drohende Spaltung der Welt in zwei Lager mit allen Möglichkeiten zu verhindern. Das ging sogar so weit, dass die Kreml-Führung vor der Gründung anfragte, ob sie Mitglied werden könne, obwohl sie schon damals der Auffassung war, die NATO stehe einer gesamteuropäischen Friedensordnung entgegen. 1954 stellte die Sowjetunion noch einmal den Aufnahmeantrag, dieses Mal schriftlich. Zu diesem Zeitpunkt war die Wiederbewaffnung Westdeutschlands und seine Aufnahme in die NATO schon beschlossen, aber noch nicht vollzogen. Es war der letzte Versuch Moskaus, das noch zu stoppen. Zwei Jahre vorher hatte Stalin in einer Note an die Westmächte gesicherte Neutralität Deutschlands und freie Wahlen in ganz Deutschland vorgeschlagen. Alle diese Initiativen führten nicht zum erwünschten Ergebnis. Leider. Aber es lohnt sich darüber nachzudenken, was alles möglich gewesen wäre. Was eintreten ist, wissen wir: Es entstanden zwei deutsche Staaten und als Gegenstück zur NATO der Warschauer Pakt.

Die letzten substanziellen Verhandlungen der Siegermächte, in diesem Fall der USA, Sowjetunion, Großbritanniens und ohne Frankreich, hatten 1945 in Potsdam stattgefunden mit dem Ergebnis des Potsdamer Abkommens. Dessen Grundsätze waren Entnazifizierung und Entmilitarisierung. Schon in diesen Verhandlungen hatte der Westen der Sowjetunion mit der Atombombe gedroht, nachdem die USA sie kurz zuvor auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen hatten.

Von Anfang an war die NATO engstens mit der atomaren Konfrontation und der Bereitschaft zum atomaren Erstschlag verbunden. Der Westen hatte sich entschieden, die Gemeinsamkeiten aus der Anti-Hitler-Koalition zu zerstören und aufzurüsten. Bis heute ist der mögliche atomare Erstschlag Teil der NATO-Strategie. Für die Sowjetunion war er es nie. Das ist bis heute, was Russland angeht, so geblieben.

 

Deutsche Wiederbewaffnung

Dem alten seriösen Herren, der Bundeskanzler geworden war, Konrad Adenauer, traute man keine militärische Orientierung zu. Ein großer Fehler! Bei Konrad Adenauer und seinem Staatssekretär Hans Globke liefen die Fäden zusammen. Globke hat die Rassengesetzte der Nazis kommentiert und war einer der zentralen Figuren der Vernichtung der europäischen Juden.

Die Bundeswehr hieß nicht von Anfang an Bundeswehr, sondern die ersten militärischen Formationen nach 1945 wurden unter den Namen „Amt Blank“ aufgestellt. Aber es gibt keinen Zweifel - alles was Rang und Namen in der Nazi-Armee hatte, fand sich unter der neuen Bezeichnung und später in der Bundeswehr wieder.

Aber es war für die Militaristen nicht ganz einfach, die Wiederbewaffnung Deutschlands durchzusetzen; nicht unter den westlichen Siegermächten und Nachbarstaaten, nicht unter der deutschen Bevölkerung. Der Druck auf deutsche Wiederbewaffnung ging von den USA aus. Sie wollten, dass Westdeutschland mit seinen kampferfahrenen Soldaten mehr „Verantwortung“ – das hieß schon damals so - gegenüber dem „Feind“ Sowjetunion übernimmt. Die USA führten 1950-53 ihren Korea-Krieg, er band einen Großteil ihrer militärischen Kräfte, dafür sollte Deutschland sie in Mitteleuropa entlasten. Frankreich hingegen wollte auf keinen Fall eine deutsche Wiederbewaffnung; als die nicht mehr aufzuhalten war, verfolgte DeGaulle das Konzept der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) als Dach und unter dem Oberkommando nationaler Armeen der Benelux-Länder, Italiens, Frankreichs und Deutschlands. Nach jahrelangen Verhandlungen scheiterte diese Idee 1954 ausgerechnet an der französischen Nationalversammlung. Nur ein Jahr brauchte es bis zur westdeutschen Wiederbewaffnung und dem NATO-Beitritt.

Der hatte noch zwei weitere Voraussetzungen: Zunächst die Aussöhnung mit Israel in Form des Wiedergutmachungsabkommens von 1952. Danach erhielten der Staat Israel und die Jewish Claims Conference Exporte, Dienstleistungen und Zahlungen im Wert von 3,5 Milliarden DM und die Zusicherung, dass die Bundesrepublik jüdische Vermögenswerte zurückerstatten werde. Dann fast zeitgleich das Londoner Schuldenabkommen, mit dem der Bundesrepublik als Nachfolgestaat des deutschen Reiches die Hälfte der 30 Milliarden Mark Auslandsschulden erlassen und der Rest rückzahlbar wurde in langen Fristen zu niedrigen Zinsen.

Im Inneren Deutschlands war ach dem faschistischen Krieg unter der Bevölkerung inm Westen wie im Osten massenhaft die Stimmung verbreitet: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus! Selbst Franz Josef Strauß, eine der zentralen Figuren der Widerbewaffnung, führte seinen ersten Wahlkampf mit dem Satz „Wer noch einmal das Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen“. In Deutschland West kam es immer wieder zu großen, massenhaften Aktionen der Friedensbewegung. Erinnert sei, dass es nach dem Beschluss zur Wiederbewaffnung eine massenhafte Bewegung der Verweigerung (Ohne-mich-Bewegung) gab; als 1957 die Bundeswehr atomar bewaffnet und Atomraketen auf deutschem Boden stationiert werden sollten, begann der ausdauernde „Kampf dem Atomtod“, so die Kampagne, in der die SPD eine maßgebliche Rolle spielte; dann in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Millionen Menschen mobilisierende Bewegung gegen den NATO-Doppelbeschluss.

70 Jahre NO to NATO! - Arno Funke, Diether Dehm
Trump-Putin-Kartikatur von Arno Funke/Diether Dehm, hrsg. von der Bundestagsfraktion

NATO heißt Aufrüstung

Die Westbindung Deutschlands und seine NATO-Mitgliedschaft führte 1959 zum Godesberger Programm der SPD und damit zur Abkehr der SPD von radikaler Abrüstung und gesellschaftlichen Veränderung. Die SPD opferte den Anti-Militarismus auf dem Alter der Westbindung. Und den Marxismus gleich mit. Kein NATO-Land konnte sich in Richtung Sowjet Union öffnen oder in Richtung Sozialismus bewegen - dafür hat die NATO stets Sorge getragen.

Der Putsch der schwarzen Obristen in Griechenland war von der NATO geplant und mit ihrer Hilfe in Szene gesetzt worden. In Italien wurde der NATO die Geheimarmee Gladio Realität. In ihre Verantwortung gehört wohl der Anschlag auf den Bahnhof von Bolognamit seinen vielen Toten und Verletzten. Bis heute ist zwar nicht bewiesen, aber hält sich der Verdacht, dass auch der Anschlag auf das Münchener Oktoberfest Teil der NATO-Planung war, deren Ziel die andauernde Verunsicherung der Bevölkerung in Westeuropa. Dies macht es leichter, eine militärische Struktur zu etablieren.

Heute hat sich daran nichts geändert. Man braucht Feindbilder. Denn ohne sie gäbe es keine Zustimmung der Bevölkerung zur Aufrüstung. Früher hieß das Feindbild Sowjetunion, heute Russland. Ohne Kommunismus haben wir ein Anschwellen des Antikommunismus.

 

Es knallen die Champagnerkorken

1999 führe die NATO ihren ersten eigenen Krieg als Militärbündnis gegen Serbien. Somit gehört der Jugoslawien- Krieg zur Grünungsakte der NATO. Deutschland hat durch die NATO-Mitgliedschaft und den Krieg gegen den Rest Jugoslawiens mit dem Grundsatz „von deutschen Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“ gebrochen. Die Bombenflugzeuge der NATO starteten vom italienischen Flughafen Vicenza.

In dieser Zeit waren Kommunisten in der italienischen Regierung. Gregor Gysi und ich haben mit dem führenden italischen Kommunisten, Armando Cossutta, lange darüber gesprochen, dass seine Genossen sofort die Regierung verlassen sollten. Er schaute uns beide nachdenklich an und fragte zurück: „Seid ihr sicher, dass ihr in solch einer Situation die Regierung verlassen würdet?“ Ich war es damals schon nicht und ich bin es heute immer weniger.

Um den Jugoslawienkrieg abzuwenden, hat Gregor Gysi mit Slobodan Milošević gesprochen. Er wollte ihn überzeugen, doch die UNO-Kontrolleure ins Land zu lassen, damit die NATO draußen bliebe. Gregor Gysi ist dafür – zu Unrecht! - übelst beschimpft worden.

Der Jugoslawien-Krieg war nur möglich, weil eine rot-grüne Bundesregierung ihn unterstützt und in Szene gesetzt hat. Kein Verteidigungsminister, kein Außenminister, kein Kanzler anderer Parteien wäre in der Lage gewesen, Deutschland in diesen Krieg zu führen und das in der Bevölkerung durchzusetzen. Zuvor hatten Schröder und Fischer in Washington das Versprechen abgegeben, dass sich Deutschland an der NATO-Schlägen beteiligen werde.

1999 bereinigte die NATO ihr Selbstverständnis. Ursprünglich hieß es, die NATO sei ein Bündnis zur Verteidigung der Territorien ihrer Mitglieder. Nach diesem Krieg heißt es, sie sei ein Bündnis zur Verteidigung der Interessen ihrer Mitligier. Interessen können vielseitig sein: Öl, Transportwege, Handel… all das, was in dem modernen Imperialismus eine Rolle spielt. Der ehemalige Bundespräsident Köhler hat dies einmal bezogen auf den Afghanistan-Krieg ausgesprochen und war sehr schnell kein Bundespräsident mehr.

Am Beginn der modernen NATO stand also ein Krieg und es standen unendlich viele Lügen. Die Lügen von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), dass im Kosovo KZs eingerichtet worden sind, später die Lüge von Peter Struck, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt wird und die heutigen Lügen, dass Russland eine Aggression in Europa vorbereitet. Das ist nicht russische Politik und das weiß man auch in der Bundesregierung, aber man braucht ein Feindbild, um die gewaltigen Aufrüstungskosten zu rechtfertigen. Die Militärausgaben Deutschlands betragen heute 44 Milliarden Euro jährlich und sollen bis 2024 auf 85 Milliarden Euro – das sind die 2 % des BIP – steigen. Allein Deutschland würde somit mehr für Rüstung ausgeben als Russland. Russland hat in den letzten zwei Jahren seinen Rüstungsetat deutlich gekürzt, aktuell beträgt er 66 Milliarden Dollar, das sind 59 Milliarden Euro.

Kein Wunder, dass die Rüstungskonzerne von einer solchen Politik begeistert sind.

 

DIE LINKE sagt NEIN

DIE LINKE ist nicht nur eine konsequente Abrüstungspartei, sie war die einzige Partei, die im Bundestag die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem mit Russland gefordert hat.

Um aus der NATO rauszukommen, gibt es verschiedene Wege. Die Auflösung der NATO wäre einer, der Austritt der andere. Austritt ist laut NATO-Vertrag möglich. Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr. Interessanter Weise muss die Austrittserklärung nicht in Brüssel, dem NATO-Hauptquartier, sondern in Washington bei der US-Regierung abgegeben werden. Die entscheidet also, wer rein kommt und wer raus kann.

Auf dem Weg, die NATO zu überwinden gibt es sinnvolle Zwischenschritte, wie die militärischen Strukturen der NATO zu verlassen. Dafür hatte sich einst de Gaulle in Frankreich entschieden. Auch Griechenland hat unter einer konservativen Regierung die militärischen Strukturen der NATO verlassen. Es waren Konservative, die den Mut hatten zu sagen, wir wollen uns nicht mitschuldig machen, während sozialdemokratische Regierungen heute der NATO zuzujubeln.

Für DIE LINKE muss es dabei bleiben: Wir wollen raus aus der NATO - auf welchen Weg auch immer!

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