In Ihrem Konzept wird deutlich - darin scheiden sich die Geister, das gebe ich zu; ich sage: mit uns nicht! -, dass Ihre außenpolitische Philosophie die des freien Welthandels ist. Dem wird alles untergeordnet, auch in dem vorliegenden politischen Konzept. Ich werfe Ihnen das gar nicht vor. Aber man darf es doch wohl sagen. Ihre Werte sind die Werte einer weltweiten, kapitalistischen Gesellschaft: Bereicherung, Konkurrenz, Aneignung fremder Arbeit. Um es zugespitzt zu formulieren: Ihre wichtigste Gestaltungskraft ist die Macht und die Kraft des Geldes. Das durchzieht Ihr ganzes Konzept.
159. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am 10. Februar 2012
Rede zur Unterrichtung der Bundesregierung über das Konzept
Globalisierung gestalten – Partnerschaften ausbauen – Verantwortung teilen
Danke sehr, Herr Präsident. Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Außenminister hat eine außenpolitische Grundsatzdebatte angekündigt. Ich finde, sie ist schon lange überfällig. Ich will sie führen, die Fraktion Die Linke auch; also müssen wir sie führen.
Anders als der Kollege Erler stoße ich mich nicht an einzelnen Sätzen des Konzeptes. Die interessieren mich nicht, das Ambiente finde ich nebensächlich. Ich bin der Auffassung, dass das ganze Wesen des Konzeptes falsch ist und in die falsche Richtung geht.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen muss man das Wesen des Konzeptes angreifen. Es geht um die inhaltlichen Differenzen und nicht darum, wie Sie das Konzept vorgestellt haben.
Ich habe den Eindruck, dass Ihr Konzept dem Wesen nach kein Gestaltungskonzept, sondern ein Zerstörungskonzept ist.
(Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Wie kommen Sie denn darauf?)
Das nehme ich sehr ernst. Ich bin der Meinung: Wer heute auf solche Art und Weise mit anderen europäischen Ländern, zum Beispiel Griechenland, umgeht, wer diktiert, dass Löhne und Renten sinken sollen, wer diktiert, welches Steuersystem in den jeweiligen europäischen Ländern durchgesetzt werden soll,
(Patrick Döring (FDP): Ein Zerrbild der Realität!)
wer den Sparkommissar schicken will, der zerstört die Strahlkraft von Europa und die europäische Idee. Das ist keine Gestaltung, das ist Zerstörung.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Westerwelle, Sie werden es schwer haben, neue strategische Partner in der Welt zu finden, wenn Sie alte Partner so schlecht behandeln. Wie die Bundesregierung in Europa derzeit vorgeht, das ist Zerstörung pur.
In Ihrem Konzept wird deutlich - darin scheiden sich die Geister, das gebe ich zu; ich sage: mit uns nicht! -, dass Ihre außenpolitische Philosophie die des freien Welthandels ist. Dem wird alles untergeordnet, auch in dem vorliegenden politischen Konzept. Ich werfe Ihnen das gar nicht vor. Aber man darf es doch wohl sagen. Ihre Werte sind die Werte einer weltweiten, kapitalistischen Gesellschaft: Bereicherung, Konkurrenz, Aneignung fremder Arbeit. Um es zugespitzt zu formulieren: Ihre wichtigste Gestaltungskraft ist die Macht und die Kraft des Geldes. Das durchzieht Ihr ganzes Konzept.
Die Globalisierungskritiker und auch wir wollen den sozialen Ausgleich, wir wollen Solidarität statt Konkurrenz, Gerechtigkeit statt Vorteilsnahme.
(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Und Sozialismus!)
Und Sozialismus.
(Beifall bei der LINKEN)
Danke sehr, Herr Kollege Mißfelder, wie konnte ich das vergessen. Das ist das Wesen des Sozialismus.
(Manfred Grund (CDU/CSU): Darauf wartet die ganze Welt!)
Um es deutlich zu sagen: Unsere Wege gehen völlig auseinander. Das, was Sie vorgelegt haben, ist nicht Ausdruck neuen Denkens das war ein Begriff, der die Außenpolitik früher einmal geprägt hat , sondern es ist im Kern altes Denken. Sie beschäftigen sich in Ihrem Konzept nicht mit der Frage, wie das Überleben der Menschen zu sichern ist:
(Manfred Grund (CDU/CSU): Alter Wein in alten Schläuchen!)
Stopp der Rüstungsspirale, Abrüstung, Stopp der Umweltzerstörung, Kampf gegen Armut und Hunger und vor allen Dingen das muss in ein solches Konzept hinein konsequentes Nein zu allen Kriegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ohne eine Antwort auf die großen Fragen der Menschheit, ist jedes Konzept ein Konzept von gestern.
Sie hätten schon bei Herrn Gorbatschow nachlesen können, was neues Denken ist; was immer man von Gorbatschow hält.
(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Das aus Ihrem Munde! Das war doch kein Freund von Ihnen! Manfred Grund (CDU/CSU): Er hat den Sozialismus in der Sowjetunion beendet! Den können Sie doch nicht gut finden! Heiterkeit)
Sie müssen gründlicher darüber nachdenken, auf welche Art und Weise Sie Deutschland präsentieren. Ihr Kollege, der Verteidigungsminister, hat auf der Münchner Konferenz einen weltweiten Führungsanspruch für Deutschland reklamiert. Auch beim Kollegen Mißfelder konnte man eben hören: Wir sind wieder wer, wir bestimmen, wir müssen mit der gewachsenen Verantwortung umgehen.
(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Ja!)
Thomas de Maizière hat in München gesagt, Deutschland sei in der Lage, zu kämpfen und zu führen. Ich finde, das ist ein markanter Satz, der meinen Eindruck verstärkt. Ich sage in aller Deutlichkeit: Deutsche Großmachtallüren und deutsche Großmachtpolitik waren weder für die Welt noch für unser Land noch für Europa irgendwann gut.
(Beifall bei der LINKEN)
In Europa und in der Welt werden viele Sprachen gesprochen. Ich möchte, dass das so bleibt. Wir leben den Gedanken einer vielfältigen Welt mit unterschiedlichsten Akteuren. Eine Welt, in der nur Deutsch gesprochen wird, ist schändlich, eine solche Welt lehnen wir ab. Das wäre eine einfältige Welt, das wollen wir doch nicht ernsthaft anstreben. Vielmehr geht es darum, für Partnerschaft und Gleichberechtigung zu sorgen.
Ich denke, wenn man Globalisierung gestalten will, muss man auch einmal darüber nachdenken, wie man verhindern kann, dass auf pflanzliche und menschliche Gene Patente erhoben werden, wie man verhindern kann, dass Nahrungsmittel zu Spekulationsobjekten werden, wie man weltweit Bodenreform befördern kann, wie man die Privatisierung von Wasser und anderen Gemeinschaftsgütern verhindern kann. Das sind heute globale Aufgaben.
(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Da haben Sie recht!)
Sie sprechen in Ihrem Konzept an - ich sage das, um fair zu bleiben -, welche Staaten vor allen Dingen Ihre Gestaltungspartner sein sollen. Allerdings nehmen Sie da eine andere Gewichtung als ich vor. Ich habe mich gestern mit Studierenden, die in Chile protestieren, getroffen. Diese jungen Frauen sind für mich die Gestaltungspartner in einer neuen Welt wie auch die Indios in Bolivien, die Wanderarbeiter in China, die Jugendlichen auf dem Tahrir-Platz, die Frauen in Afrika, die sich zu Produktionsgenossenschaften zusammenschließen und ich will das noch einmal wiederholen die Streikenden in Griechenland, Spanien und Frankreich.
(Manfred Grund (CDU/CSU): Haben Sie auch jemanden in Nordkorea und in Kuba dabei?)
Gestaltungspartner in dieser Welt sind die Kräfte, die die Welt tatsächlich verändern. Wenn Sie schauen, wer in den letzten Monaten und Jahren die Welt wirklich verändert hat, stellen Sie fest, dass das am wenigsten Staaten waren, sondern solche Kräfte. Mit ihnen müssen wir kooperieren, mit ihnen müssen wir eine neue Form der Zusammenarbeit finden.
Deswegen sage ich: Ihr Aufschlag ist gut. Eine scharfe Debatte ist notwendig. Sie aufzurufen, sich vom Weg des Geldes abzuwenden, ist verschwendete Kraft.
(Manfred Grund (CDU/CSU): Kehret um und tuet Buße!)
Ich möchte, dass wir einen Grundsatzstreit über das Wesen des Konzeptes führen. Ich möchte nicht, dass es so bleibt, wie es vorgestellt wurde.
Schönen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)