"Krieg heißt: Dreck, Blut, Tränen, Verrohung"

22.03.2012
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junge Welt

Linken-Abgeordnete wollen Kontakt der Soldaten zum zivilen Leben erhalten. Ein Gespräch mit Wolfgang Gehrcke
Interview: Claudia Wangerin
Wolfgang Gehrcke ist ­außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke

Alle Bundestagsparteien wollen die Kommunikationsmöglichkeiten für Soldaten im Auslandseinsatz verbessern. Daß einige Linkspartei-Abgeordnete eine kostenlose Flatrate in die Heimat fordern, wird von Friedensaktivisten als »Wohlfühlprogramm für Besatzungssoldaten« kritisiert. Sie haben sich beim Programmparteitag der Linken für die konsequente Ablehnung von Militäreinsätzen im Ausland eingesetzt. Warum unterstützen Sie nun diesen Antrag?
Zuerst möchte ich den Leserinnen und Lesern der jungen Welt, der Öffentlichkeit und den Mitgliedern der Partei Die Linke eine Garantie geben: Kein linker Bundestagsabgeordneter wird einem Auslandseinsatz, einem Kriegseinsatz der Bundeswehr zustimmen. Alle Abgeordneten der Linkspartei verlangen einen sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Und ich garantiere – das verbinde ich mit meinem Mandat, man kann mich sofort abberufen –, Die Linke wird sich nicht an einer Regierung beteiligen, die deutsche Soldaten ins Ausland schickt.



Und was sagen Sie zu dem Vorwurf, daß Ihr Antrag darauf abzielt, den Soldaten den Einsatz so angenehm wie möglich zu gestalten, was – wie Monty Schädel in einem offenen Brief vermutet – zur Verlängerung des Krieges beitragen könnte?
Ich vermute das Gegenteil. Interessant ist doch, daß die Bundeswehr-Führung und das Auswärtige Amt gar nicht daran interessiert sind, daß die Verbindung von Soldatinnen und Soldaten zu nichtsoldatischen Kreisen, zu ihren Familien und Heimatorten ausgeweitet wird. Soldaten kann man am besten auf Krieg ausrichten, wenn sie kaserniert sind und möglichst wenig Kontakt zum zivilen Leben haben. Je mehr Luft an die Mumie Bundeswehr herankommt, desto eher zerfällt sie; und das ist zumindest meine Absicht.

Im Antrag der bürgerlichen Parteien zum selben Thema heißt es, der Kontakt der Soldaten zu ihren Angehörigen sei »entscheidend für die Motivation und Einsatzbereitschaft«. Warum sind Sie so sicher, daß genau der gegenteilige Effekt eintritt?
Sicher bin ich nicht. Es ist meine Motivation, auch mit Soldatinnen und Soldaten über die Beendigung des Krieges und den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu diskutieren. Für mich gehört es zum antimilitaristischen Kampf, auch Soldatinnen und Soldaten einzubeziehen, auch wenn sich die Zeiten geändert haben und die Bundeswehr de facto zu einer Berufsarmee geworden ist. In den 1970er Jahren habe ich Arbeitskreise demokratischer Soldaten mitorganisiert. Damals haben auch viele Soldaten sich gegen Militarismus gewehrt und sind in Uniform auf Demos gegangen. Karl Liebknecht hat im Reichstag die Schikane gegen einfache Soldaten zum Thema gemacht. Meine Feinde sind die Rüstungsindustrie und die Generalität, die politischen Strategen, die junge Menschen in Kriege schicken. Ich setze mich dafür ein, daß die Soldatinnen und Soldaten sofort aus Afghanistan zurückgeholt werden.

Welche Rolle spielt bei Ihnen die Befürchtung, daß ein deutscher Soldat durchdreht und Amok läuft?
Das kann jederzeit passieren. Ich diskutiere ja mit Bundeswehrsoldaten. Ich spreche mit ehemaligen Soldaten, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden und die im Einsatz krank gemacht wurden. Ich frage mich: Was treibt Menschen dazu, so zu verrohen, daß sie andere Menschen erschießen, foltern, demütigen oder zum Beispiel mit Totenschädeln spielen, wie es deutsche Soldaten in Afghanistan taten? Krieg heißt immer: Dreck, Blut, Tränen, Verrohung. Soldatinnen und Soldaten gehen zwar freiwillig nach Afghanistan, aber sie werden mit falschen Vorstellungen dort hin gelockt und glauben, Deutschland am Hindukusch zu verteidigen, Geld und Abenteuerlust spielen eine Rolle. Das Nachdenken über Krieg und Elend möchte ich auch bei Soldaten fördern.

Was sagen Sie zu der Kritik, Sie hätten den Blick von den Opfern abgewendet und sich zu sehr den Tätern zugewandt?
Wir wenden unseren Blick nicht von den Opfern ab. Die Linke hat den Toten des Bombenangriffs von Kundus mit der Aktion im Bundestag ihre Namen zurückgegeben. Mich treibt die Sorge um, daß ein Krieg gegen den Iran bevorstehen könnte. Ich möchte, daß gegen den NATO-Gipfel im Mai ein weltweiter Protest stattfindet und genau wie Monty Schädel und die DFG-VK, daß Deutschland den Kriegsdienst verweigert und abrüstet. Für die Kritik aus der Friedensbewegung bin ich dankbar. Schaut uns auf die Finger, kritisiert uns. Die Linke ist eine Antikriegspartei, die einzige im Bundestag.