Mit militärischen Aktionen wird man keine Probleme lösen

14.06.2012
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Ich finde es recht interessant, dass beim Einbringen des Antrags durch die Bundesregierung argumentiert wurde, dass sich die Situation entlang der Grenzen auch des Libanon durch die furchtbare Entwicklung in Syrien verändert habe. Der ganze Nahe Osten ist in Gefahr, in eine große militärische Auseinandersetzung einbezogen zu werden. Darüber muss man sich doch klar werden. An der Analyse habe ich gar nicht so viel auszusetzen. Es ist ein Bürgerkrieg, und man muss schauen, dass man aus diesem Bürgerkrieg wieder herauskommt. Ich fand es aber interessant, dass keiner hier die Courage gehabt hat, zu sagen: Der Vorschlag von Kofi Annan, eine neue Kontaktgruppe einschließlich Russland, China und Iran einzusetzen, ist ein vernünftiger Vorschlag, der die Unterstützung des Bundestages finden muss.

 

184. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am 14. Juni 2012
Erste Lesung Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung am UNIFIL-Mandat
(TOP 17 – Auszug aus dem Protokoll)


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Wolfgang Gehrcke hat das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich war während des Krieges in Beirut. Ich bin extra mit Kollegen von anderen europäischen Parteien dort hingefahren, um der Bevölkerung von Beirut und des Libanon ein Stück weit Solidarität entgegenzubringen und zu zeigen, dass andere Menschen kommen, um sich mit ihnen zu verbünden. Ich sehe nach wie vor die furchtbaren Bilder, die entstehen, wenn Raketen in Wohnviertel einschlagen, Häuser plötzlich zusammenbrechen und wenn Gewalt eine hohe Dimension erreicht. Es war zu beobachten, dass sich die reichen Libanesen blitzschnell über die Autobahn nach Syrien – das sind nur 50 Kilometer – absetzten. Wer nicht aus der Stadt und aus dem Land herausgekommen ist, das waren vor allen Dingen die Menschen, die in den Flüchtlingslagern gelebt haben, die Palästinenserinnen und Palästinenser und andere.

Deswegen war mir klar: Dieser Krieg muss schnell zu Ende gebracht werden. Notwendig dafür war ein Waffenstillstand. Um einen Waffenstillstand zu erreichen, war es notwendig, die UNIFIL-Vereinbarung unter dem Dach der Vereinten Nationen abzuschließen. Das habe ich hier im Bundestag immer vertreten.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat für mich eine innere Logik. Gleichzeitig lag in dieser Logik nicht, dass sich deutsche Militäreinheiten daran beteiligen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der SPD: Warum denn nicht?)

Ich fand und ich finde: Es wäre gut, wenn Deutschland keine Soldaten in die Region des Nahen und Mittleren Ostens entsendet.

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Aber die wünschen das ausdrücklich!)

– Auch wenn es gewünscht wird, ist das noch lange kein Argument. – Das war meine Entscheidung. Ich finde es ganz interessant, dass die FDP bis zu dem Zeitpunkt, als sie in die Regierung eingetreten ist, ähnlich argumentiert hat. Heute ist das bei euch alles vergessen. Das zeigt, wie dünnhäutig ihr seid, und das spiegelt auch eure Außenpolitik wider.

Unsere Sorge war, dass auch deutsche Soldatinnen und Soldaten aus der Lage heraus in den Konflikt geraten können, zum Beispiel auch gegen israelische Soldatinnen und Soldaten bewaffnet vorzugehen.

(Ernst-Reinhard Beck [Reutlingen] [CDU/CSU]: Aber sie sind es nicht!)

Diese Sorge war nicht unberechtigt. Es lag oft in der Luft, wenn israelische Einheiten die UNIFIL-Verbände zumindest kontaktiert hatten, dass ein solcher Vorfall eintritt. Deswegen haben wir Nein gesagt, und wir bleiben beim Nein.

(Beifall bei der LINKEN – Ernst-Reinhard Beck [Reutlingen] [CDU/CSU]: Die Sorge war unbegründet!)

Ich finde es recht interessant, dass beim Einbringen des Antrags durch die Bundesregierung argumentiert wurde, dass sich die Situation entlang der Grenzen auch des Libanon durch die furchtbare Entwicklung in Syrien verändert habe. Der ganze Nahe Osten ist in Gefahr, in eine große militärische Auseinandersetzung einbezogen zu werden. Darüber muss man sich doch klar werden. An der Analyse habe ich gar nicht so viel auszusetzen. Es ist ein Bürgerkrieg, und man muss schauen, dass man aus diesem Bürgerkrieg wieder herauskommt. Ich fand es aber interessant, dass keiner hier die Courage gehabt hat, zu sagen: Der Vorschlag von Kofi Annan, eine neue Kontaktgruppe einschließlich Russland, China und Iran einzusetzen, ist ein vernünftiger Vorschlag, der die Unterstützung des Bundestages finden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre eine gute Politik. Warum hat hier keiner gesagt, dass man der internationalen Syrien-Konferenz in Russland eine Chance geben muss und wir Politik in diese Richtung entwickeln müssen? Wenn man sagt, dass jetzt Diplomatie gefragt ist und nicht Säbelrasseln und das Rufen nach militärischen Einsätzen, dann muss man solche Chancen nutzen und aktiv dafür eintreten.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: Das hat keiner gemacht!)

– Nein, das hat keiner gemacht, aber keiner hat etwas dazu gesagt. Man kann solche Themen auch einfach verschweigen.

Gerade vor diesem Hintergrund möchte ich ganz deutlich machen: Mit militärischen Aktionen wird man keine Probleme lösen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Ohne auch nicht!)

Man muss eine aktive und ideenreiche Nahost-Politik betreiben. Ich würde gern den alten Gedanken, ob man nicht aus der europäischen Sicherheitskonferenz Schlussfolgerungen für den Nahen Osten ziehen kann, aufgreifen. Es sollte eine politische Initiative zu einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten gestartet werden. Das wäre jetzt wichtig, und eine solche Initiative wäre dem Parlament angemessen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)