Ça ira Nr. 172: Blut für Öl – Atomraketen für Europa (5.2.2019)

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Nun hat auch Deutschland die Marionette Guaidó als, wie es Bundeskanzlerin Merkel ausdrückte, „legitimen“ d.h. rechtmäßigen, „Interimspräsident“ anerkannt und sich damit massiv in die Innenpolitik Venezuelas eingemischt sowie das Völkerrecht und die Legitimität der UNO verletzt, die allein über die rechtmäße oder eben illegitime Inanspruchnahme von Macht zu entscheiden hat. Dieser Infobrief Ça ira Nr. 172 befasst sich mit den Hintergründen des Putsches in Venezuela aus dem Strategiebaukasten der USA (dem selben Thema widmet sich auch Wolfgang Gehrckes Video-Blog Der Rote Platz #38) und deren zeitgleichem Ausstieg aus dem INF-Vertrag zum Verbot landgestützter Atomraketen. Und wir erinnern an ein Jubiläum, das keinen Anlass zum Feiern gibt: 50 Jahre Weißbuch der Bundeswehr. Damals wurde die Strategie zum konventionellen und atomaren (!) Erstschlag der NATO gegen den Feind im Osten öffentlich verteidigt. Dieses Horrorszenario kehrt mit der Aufkündigung des INF-Vertrages zurück. Zeitlich mag es Zufall sein, dass diese drei Themen aktuell sind, von ihrem Wesen her nicht.

 

Die USA wollen ihren Hinterhof zurück


Nach Brasilien soll jetzt Venezuela fallen, dann sind Nicaragua, Bolivien und Kuba dran

von Wolfgang Gehrcke und Christiane Reymann

Der Lateinamerikanische Kontinent war lange der Hinterhof der USA, mit Militärstiefeln getreten, unterworfen, von der United Fruits Company ausgeplündert bis aufs Blut. Nach einem so ermutigenden Ende des letzten und Beginn des jetzigen Jahrtausends mit Demokratisierung bis hin zu sozialer Befreiung und politischer Emanzipation, setzten die USA mit aller Macht und aller Gewalt ein Roll-Back in Gang. Und wenn demnächst die Regierung der bolivarischen Republik Venezuela gestürzt sein sollte, sind als Nächste Nicaragua, Bolivien – und endlich das widerständige Kuba dran. In ganz Latein- und Mittelamerika und der Karibik will Washington letztlich das – militärisch und über Vasallenregierungen abgesicherte - Sagen haben über Rohstoffe und Verkehrswege. Die Reichtümer sind mancherorts groß, andernorts wie in Brasilien und aktuell Venezuela gigantisch. Venezuela ist das Land mit den geschätzten größten Erdölvorkommen der Welt.

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INF-Vertrag gekündigt: Wieder bedroht uns der Atomtod


von Wolfgang Gehrcke

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat einseitig den am 8.12.1987 von Michail Gorbatschow und Ronald Reagan geschlossenen INF-Vertrag aufgekündigt. Als Reaktion hat der russische Präsident Putin seinerseits erklärt, dass auch Russland aus dem Vertrag aussteigt.

Der INF-Vertrag ist einer der wenigen Verträge, der zu tatsächlicher Abrüstung, zur Vernichtung von Atomwaffen und somit zu mehr Sicherheit in Europa beigetragen hat. Er war zudem der bislang einzige materielle Erfolg Hunderttausender Menschen, die, besonders stark in der Bundesrepublik, aber auch in anderen europäischen Ländern, auf die Straße gegangen waren. Sie wollten die atomare Vernichtung ihres Kontinents und der Welt nicht zulassen. Ihre Forderung: Die Pershing II und Cruise Missiles der USA und die sowjetischen SS20 raus aus Europa. Damit hatten sie Erfolg. Laut INF -Vertrag durften in Europa keine landgestützten atomaren Waffensysteme eingerichtet werden. Bereits ihre Planung war vertragswidrig. Damals wie heute gilt: Atomare Mittelstreckenraketen stabilisieren nicht, wie behauptet, den Frieden, sondern gefährden ihn dramatisch. Im Unterschied zu Langstrecken-, verkürzt sich bei Mittelstreckenraketen die Vorwarnzeit enorm, zugleich erhöht sich die vernichtungsmächtige Gefahr eines Fehlalarms. Damals war wieder einmal fünf Minuten vor 12. Heute ist die Atomkriegsuhr des Bulletin of the Atomic Scientists schon auf zwei Minuten vor 12 gerückt.

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Vor 50 Jahren: Erstes Weißbuch der Bundeswehr


Militarismus als Konstante

von Wolfgang Gehrcke und Christiane Reymann

 

Am 11. Februar 1969 erschien erstmals das »Weißbuch zur Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland«, das seitdem in unregelmäßigen Abständen erscheint zur jeweils aktualisierten Militärstrategie – sie wird bis heute »Verteidigungsstrategie« ge­nannt. 1969 geschah das zum ersten Mal, und das markierte eine der Etappen im Verhält­nis von Bundeswehr und Gesellschaft.

Die erste Etappe war zugleich der tiefste Einschnitt in der deutschen Nachkriegsgeschich­te, das war die Wiederbewaffnung mit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und Westin­tegration der Bundesrepublik Deutschland. 1969 markiert das Weißbuch eine zweite Etap­pe, in der mit dem Leitbild des »Staatsbürgers in Uniform« der Versuch unternommen, Mili­tär und Gesellschaft aus der Entgegensetzung zu einem Miteinander zu verbinden. Die dritte Etappe endlich beginnt mit dem Jugoslawien-Krieg 1999 und der neuen NATO-Strate­gie aus dem selben Jahr (fortgeschrieben 2010), die nun auch offiziell die NATO – und in ihr die Bundeswehr – nicht mehr nur der Verteidigung verpflichtet sieht, sondern den An­spruch erhebt, auch jenseits des Wendekreis des Krebses, »out of area«, in der ganzen Welt die eigenen Interessen militärisch durchzusetzen.

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