GegenBANKENmacht

15.01.2012
Printer Friendly, PDF & Email

Pierre Laurent, Vorsitzender der Europäischen Linkspartei: Für 2012 wollen wir uns wünschen, dass auf diesem Marsch für die Emanzipation der Menschen, für den Frieden, die Demokratie, die Rechte und die Freiheiten aller neue Strecken zurückgelegt werden. Und – wenig verwunderlich – wir, die linken Kräfte in Europa und der Welt, werden hart arbeiten, um dazu beizutragen. Ich bin sicher, unsere Freundschaft und unsere gemeinsamen Kämpfe werden uns dabei sehr helfen!

Pierre Laurent
Präsident der Partei der europäischen Linken und Vorsitzender der Französischen Kommunistischen Partei

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Genossinnen und Genossen,

es ist noch nicht zu spät, euch allen ein gutes 2012 zu wünschen, das, wie ich hoffe, das Jahr sein wird, in dem die Völker die Früchte der kraftvollen Rebellion und der Entwicklung ernten werden, die sie im Jahre 2011 angestoßen haben. Mit allen menschlichen Widersprüchen und im Angesicht der einflussreichen Mächte, mit wunderbaren Fortschritten und manchmal beunruhigenden Folgen war 2011 das Jahr der Rückkehr der Völker auf die politische Bühne.

Ja, es sind die Völker, die Politik machen, und in diesem Jahr sind sie sich ihrer Macht bewusst geworden. Es war ein Jahr, in dem, obwohl es niemand erwartete, sich das Volk Tunesiens erhob und das Regime Ben Ali begrub. In Europa revoltierten die Indignados, die Empörten, gegen skandalöse Lebensbedingungen und forderten wirkliche Demokratie. Messen wir die Wirkung dieser Bewegungen: Was für eine Hoffnung!

Für 2012 wollen wir uns wünschen, dass auf diesem Marsch für die Emanzipation der Menschen, für den Frieden, die Demokratie, die Rechte und die Freiheiten aller neue Strecken zurückgelegt werden. Und – wenig verwunderlich – wir, die linken Kräfte in Europa und der Welt, werden hart arbeiten, um dazu beizutragen. Ich bin sicher, unsere Freundschaft und unsere gemeinsamen Kämpfe werden uns dabei sehr helfen!

Die Gefahren in dieser ganz neuen und sehr ernsten Krise sind real. Besonders in Europa mit der Reform der Verträge, die Nicolas Sarkozy und Angela Merkel vorbereiten und die sie am 1. März ohne jede Beteiligung der Völker in Kraft setzen wollen! Wir sehen klar: Seit drei Jahren sind die Mächte des Geldes außer Rand und Band und wollen ihre Krise von den europäischen Völkern bezahlen lassen. Heute will das Duo Merkozy noch weiter und noch schneller gehen. Sie erdolchen hinterrücks die Volkssouveränität. Das ist eine Schande!

Sie möchten die politischen Entscheidungen der Staaten direkt kontrollieren: durch automatische Sanktionen und ein Eingriffsrecht in jeden nationalen Haushalt. Sie möchten eine autoritäre Zentralisierung der ökonomischen und Haushaltsentscheidungen. In Wahrheit sind sie dabei, den Aufbau Europas den Finanzmärkten noch mehr zu unterwerfen, ohne Debatte und ohne Abstimmung. Wir dagegen weisen diesen Autoritarismus zurück und wollen Referenden, wo die Grundgesetze es zulassen. Wenn es nach ihnen geht, ist das Europa der Zukunft eines der Dominanz der mächtigsten Länder über die schwächeren. Für sie gehört die Zukunft der Macht der Bänker. Das ist nicht das Europa, das wir wollen!

Wir wollen das nicht zulassen, weil wir die Demokratie und die Wahlfreiheit verteidigen.
Wir wollen das nicht zulassen, weil dieser Vertrag nur ein Ziel hat: allen europäischen Bürgerinnen und Bürgern für viele Jahre „Sparpolitik“ aufzuerlegen.
Wir wollen das nicht, weil „Austerität“, die sogenannte Enthaltsamkeit, impliziert, was die Austerität verursacht: Abbau von sozialen Arbeitnehmerrechten, Massenarbeitslosigkeit und Prekarität für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger und vor allem für Frauen und junge Menschen.

Und darüber hinaus bewirken die Schulden genau das Gegenteil von dem, was sie angeblich sollen: Sarkozy hat seit August zwei Sparpakete in Frankreich durchgesetzt und was ist passiert? Frankreich hat am Freitag seine „AAA-Einstufung“ eingebüßt. Das dient nicht gerade dazu, die Märkte zu beruhigen. Sie sind niemals satt.

Was Not tut ist, Ihren Appetit zu beschneiden und endlich die Völker zu bedienen statt die Finanzwelt. Das einzige Mittel, um aus der Krise herauszukommen, ist Beschäftigung, die Bewahrung und die Entwicklung der öffentlichen Dienstleistungen, eine soziale Absicherung auf hohem Niveau, angemessene Löhne, das Recht der Arbeitenden, ihre Arbeitsorganisation und strategische Entscheidungen für die Unternehmen mitzubestimmen. Wenn ich die Indignados, die Gewerkschaften und alle Bestrebungen, die sich aus den populären Widerstandsbewegungen erheben, höre, so bin ich überzeugt, dass diese Vorschläge weit über unsere Organisationen hinaus geteilt werden.

Ihr habt recht, dieses Treffen „GegenBANKENMacht“ genannt zu haben. Die Macht über die Banken zurückzuholen, die Statuten und Aufgaben der Europäischen Zentralbank zu ändern, dies sind die ersten Aufgaben, die umzusetzen sind, um zum einen das Problem der Staatsschulden zu lösen und zum anderen einen Ausweg aus der Krise zu ermöglichen. In den kommenden Monaten wird die Partei der europäischen Linken eine völlig neue Initiative starten: Mit allen Kräften, die dazu bereit sind, wird der Vorschlag einer europäischen Bürgerinitiative unterbreitet für die Schaffung eines sozialen, solidarischen und ökologischen Entwicklungsfonds, einer öffentlichen Bank, deren einziges Ziel die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen ist sowie die von Projekten zur Arbeitsplatzbeschaffung und von Industrieprojekten. Dadurch würde sowohl die Wirtschaft wiederbelebt als auch der nötige ökologische Übergang gesichert. Das ist eine schwierige Aufgabe: Während eines Jahres müssen dafür eine Million Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern gesammelt werden. Diese Arbeit ist aber nötig, um zu zeigen, dass es Alternativen gibt, und um eine große öffentliche Debatte über die Art und Weise zu führen, wie Geld einzusetzen ist. Denn es ist nicht an der Finanzwelt, Gesetze zu machen. Nein, es sind nicht die altgedienten Bänker, wie die der Lehman Brothers, die von Goldman Sachs, die regieren sollen!

Wo ist sie hin, die Demokratie, wenn Regierungen ohne Wahlen eingesetzt werden? Wo ist sie hin, die Volkssouveränität, wenn die Länder, die sich in den größten Schwierigkeiten befinden, unter die Vormundschaft der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des IWF gestellt werden?

Ihr kennt vielleicht die Devise der Europäischen Union: „Vereint in der Vielfalt“. Findet Ihr, sie hat in einem Europa « à la sauce Merkozy » einen Sinn? Nein, den hat sie nicht. Sie haben kein Modell und ihr einziges Projekt ist, die europäischen Völker zu spalten.

Merkel hat schon immer die Griechen als faul bezeichnet. Und heute sind nun die Franzosen dran. Seit einer Woche läuft bei uns eine Medienkampagne, um uns zu erklären, falls unser Land in einer Krise steckte, so läge es daran, dass die Franzosen weniger arbeiteten als die Deutschen. Wir werden auf diesen Versuch, uns auseinander zu bringen, nicht hereinfallen. Die Wahrheit ist: Uns erwarten die gleichen Gefahren, und das sind dieselben wie bei allen anderen Völkern Europas angesichts dieser Politik.

Sarkozy und Merkel werden uns keine Lektion erteilen. Sie selbst sind die Gefahr! Mit ihren rassistischen Kampagnen, die den Aufstieg der populistischen und extremen Rechten befördern. Wir wissen, wohin das führen kann – Krieg eingeschlossen. Daher vergessen wir nicht, dass die imperialistischen Kriege 2011 zugenommen haben. Es gibt in diesem System keinen Ausweg aus der kriegerischen Logik! Der einzige mögliche Weg ist der der Solidarität der Völker!

Heute gedenken wir der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Dazu passt folgende Geschichte: 1914 erklärte Kautsky, dem es schwerfiel, die Position der sozialdemokratischen Partei zu rechtfertigen, in seiner Zeitung, dass eine internationale Organisation nur sinn- und wirkungsvoll ist, wenn Frieden herrscht. Anders gesagt: in Kriegszeiten müsse jeder Teil der Internationalen seine eigene Lösung suchen. Rosa Luxemburg entgegnete ihm, in einem großartig sarkastischen Ton, dass er wohl die berühmte Losung des Manifests ändern wolle: „Proletarier aller Länder vereinigt euch … in Friedenszeiten – und in Krisenzeiten schneidet euch die Kehlen durch!“

Rosa hatte recht. Die Lösung liegt in der Solidarität und der Einheit der bestehenden Widerstandskräfte! Die Lösung liegt weder in der „nationalen Einheit“ hinter ihren Interessen, noch im verschärften Wettbewerb der europäischen Staaten. Diejenigen, die diese befürworten, sagen ihren Bürgerinnen und Bürgern letzten Endes auch: „Die Krise bedeutet Krieg, also gehorcht den Märkten und schneidet euch gegenseitig die Kehle durch.“

Ich dagegen möchte hier die Freundschaft der Partei der Europäischen Linken, der Französischen Kommunistischen Partei und der französischen Linksfront mit der LINKEN und ebenso den kritischen Kräften in Deutschland betonen. Wenn Merkel und Sarkozy die Spaltung der Völker organisieren, bringen die Abgeordneten der Linksfront und der LINKEN in ihre Parlamente eine gemeinsam verfasste Resolution zur Schaffung eines Europäischen Fonds für soziale, solidarische und ökologische Entwicklung ein, von dem ich vorhin gesprochen habe.

Nächste Woche, wenn Nicolas Sarkozy seine neuen Angriffe auf Gewerkschaften und Arbeitswelt ankündigen wird, werden Jean-Luc Mélenchon, der Präsidentschaftskandidat der Linksfront, und Oskar Lafontaine gemeinsam eine Kundgebung in Metz abhalten. Frankreich und Deutschland, das ist nicht Merkozy, das sind wir!

Und wir wollen noch weiter gehen: Wir wollen alle Widerstandskräfte in allen europäischen Ländern in den Dialog bringen. Gestern hat der Vorstand der Partei der europäischen Linken beschlossen, gemeinsam mit den Kräften, die die Austeritätspolitik ablehnen und Demokratie und soziale Entwicklung in Europa wollen, einen alternativen europäischen Konvent für einen Ausweg aus der Krise zu organisieren. Wir wollen Gewerkschafter, politische Kräfte, Vereinigungen für bürgerliche Rechte und Freiheiten, Forscher und Intellektuelle zusammenbringen, um zu zeigen, dass Alternativen in Europa möglich sind. In den kommenden Monaten und Jahren, werden wir daran arbeiten, Sarkozy, Merkel, Monti, Papademos und alle bloßzustellen, die den Märkten statt den Frauen und Männern unserer Länder dienen. Demaskieren wir sie und bieten eine reale Alternative auf der Linken an!

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, für 2012 wünsche ich euch, wünsche ich uns großartige Erfolge!

GegenBANKENmacht – Veranstaltung der Europäischen Linkspartei und der Partei DIE LINKE am 15. Januar 2012 in Berlin, Volksbühne

Beitrag Maite Mola

Beitrag Alexis Tsipras